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Baumhaus schrieb am 21.12. 2009 um 16:07:42 Uhr über

meinTagebuch

Es bringt nichts, sich hängen zu lassen. Das habe ich schwarz auf weiß. Warum glaube ich mir das nicht einfach mal? Sicher: Melancholie und inneres Erschlaffen nach dem Motto »es ist alles sinnlos« sind zunächst die einfachste Option. Man muß sich nicht anstrengen dafür, das Elend kommt von selbst. Aber je länger ich mich in diesem verführerisch leicht erreichbaren Elend bade, desto weiter drifte ich ab, desto mehr Kraftaufwand wird nötig, wieder Mut zu fassen.

Die Beziehung zu K. war in jedem Sinne aufregend. In den Anfangsjahren habe ich Glück in einer Intensität empfunden, von der ich vorher nie geglaubt hatte, daß sie möglich ist. Sicherlich war die Beziehung auch extrem, was auf das Unstete und Labile unserer beider Charaktere zurückzuführen war. Am Ende erschien die Beziehung als Belastung, wir hatten uns gegenseitig zerrieben, waren stumpf und fanden nicht mehr zueinander. Zu lange und zu sehr hatten wir das Glück auszukosten versucht: Es war still und heimlich verschwunden. Und so blieb nur die angenehme Gewissheit, mit jemandem zusammen zu sein. Auch damit hatte ich mich arrangiert. Nicht aber sie. Sie wollte ein solches Leben nicht. Sie wollte das Glück von neuem, war reichlich frustriert. Sie wollte den kompletten Neubeginn.
Die Trennung fühlte sich nur kurz wie eine Erlösung an. Ich ahnte, was kommen würde, sorgte dafür, daß ich schnellstmöglich die Wohnung wechselte und setzte alles daran, K. zu vergessen. Sie zog in eine andere Stadt, zu einem anderen Mann. Einem anderen Mann. - Allein der Gedanke daran läßt noch immer eine Welle des Schmerzes in mir entstehen, die alles wegschwemmt, was gerade an Heiterem in mir ist. Unzählige Male habe ich mir Vernunftargumente gebastelt: K. gehört mir nicht, sie hat ein Recht auf ein eigenes Leben. K. will ihren Weg gehen, ich darf sie nicht daran hindern. K. war nicht glücklich mit mir, warum sollte sie also nicht dorthin gehen, wo sie glücklicher ist?
Aber Vernunftargumente haben in den Tiefen meines Fühlens keinen Wert. Sobald der Schmerz kommt, zählen sie nicht mehr.
Also versuchte ich es mit Vergessen. Zwei Jahre lang schob ich alles, was an sie erinnerte, beiseite. Warf alles hinaus, an dem noch ein Fitzelchen des gemeinsamen Glückes klebte. Löschte Fotos, verbannte die vielen kleinen Dinge, die ich von ihr einst geschenkt bekommen hatte, in Kisten, die ich fest verschloß. Das ging. Zwei Jahre lang arbeitete ich sehr konzentriert daran, endlich abzuschließen mit dem, was gewesen war. Neue Freunde, neue Dinge, neue Geschichten. All das sehr zahlreich und bunt. Daß es mit einer neuen Frau nie klappte, schob ich auf mißliche Umstände oder sonst irgend etwas. Aber ich hatte so eine Art Eigenleben entwickelt, ein Leben nach der Beziehung, das ich so nie für möglich gehalten hätte.

Und nun, vor drei Tagen, schreibt mir K., ungewohnt offen. Sie wirkt nicht glücklich, aber mit Sicherheit kann ich das nicht behaupten. Sie wirkt, als Suche sie Hilfe. Als bedauere sie etwas. Wie viel davon eigene Interpretation ist, weiß ich nicht. Es waren ein paar Sätze, aus denen ich das schlußfolgerte. Zu wenige, um Aussagen zu treffen.
Seit drei Tagen nun wütet in mir etwas, das ich glaubte, ad acta gelegt zu haben. Sämtliche Erinnerungen prasseln wieder auf mich ein, als wären sie taufrisch, als hätte ich nie den leisesten Versuch unternommen, sie zu vergessen. Alles ist präsent, jedes Detail. Ihr Haar, ihr Blick, ihre Hände, ihr Lachen.
Eine ungeheure Rückwärtsgewandtheit hat mich ergriffen. Will sie, will sie zurück. Will zurück in die schöne Zeit. Will leben wie damals, an ihrer Seite, mit ihr leiden und lachen, mit ihr weinen und Unsinn machen.

Aber das ist sie wohl wieder, die Melancholie. Der einfachste Weg von allen. Liegen bleiben und endlos trauern um das Gewesene.
Ich darf da nicht wieder hineinverfallen. Es gibt niemals einen Weg zurück. Alles ist Trugbild und setzt mir zu, lähmt mich.

Bald werde ich K. wiedersehen. Nur kurz, nur einen halben Tag lang. Ich habe Angst davor.


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