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wuming schrieb am 29.3. 2003 um 02:15:08 Uhr über

gats


Corell Wex

Nur der Preis zählt









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KOMMANDOSACHE GATSWeltweit sollen
öffentliche Dienstleistungen für private Investoren
zugänglich werden

Dass Thomas Fritz sich aufregt, ist nicht ungewöhnlich,
schließlich ist das sein Job. Er ist Mitglied beim
globalisierungskritischen Netzwerk Attac und leitet dort die
Anti-GATS-Kampagne. Und da sind wir schon beim Problem:
kaum jemanden sagt das General Agreement on Trade in
Services (GATS) etwas, obwohl weite Teile der öffentlichen
Daseinsvorsorge von diesem Abkommen im Rahmen der
Welthandelsorganisation (WTO) betroffen sein werden. Seit dem
1. Januar 2000 wird über den Abschluss dieses Abkommens
verhandelt, allerdings hinter verschlossenen Türen, wie Fritz
moniert. Ende Februar ist ein großer Teil der EU-Positionen
durch Indiskretion bekannt geworden. Dem kanadischen
Polaris-Institut sind die Dokumente zugespielt worden und nun
im Internet für jedermann einsehbar.

Pascal Lamy, Handelskommissar und GATS-Verhandlungsleiter
der EU, versucht das Publikum zu beruhigen: Das sei ja alles
schon seit Juli vergangenen Jahres bekannt gewesen. Unruhe
kann Lamy im Moment nicht gebrauchen, weil die
Mitgliedsstaaten der EU bis zum 31. März Zeit haben, um ihre
Meinung zu dem Forderungskatalog der EU zu äußern. Ziel des
GATS-Abkommen ist die möglichst vollständige weltweite
Marktöffnung für Dienstleistungen. Dabei kann es sich um
Computer- und Finanzdienste oder um Wasser- und
Energieversorgung handeln. Fritz kritisiert, dass nur die großen
Konzerne etwas davon hätten, wenn zum Beispiel nicht mehr die
öffentliche Verpflichtung zur Wasserversorgung in
Dritt-Welt-Ländern im Mittelpunkte stände, sondern nur der Preis,
den jemand für Wasser zahlen muss.

Auch der Verband der kommunalen Unternehmen in Deutschland
fordert, die Wasserversorgung aus den GATS-Verhandlungen
herauszunehmen. Denn dieser sensible Bereich könne nicht mit
anderen Dienstleistungen verglichen werden. Zu welchen
Problemen die Privatisierung führen kann, zeigt das Beispiel
Bolivien: nach dem Einstieg des amerikanischen Konzerns
Bechtel erhöhte sich der Wasserpreis um 200 Prozent. Die
Folge waren gewaltsame Aufstände. Zu Recht fragt die
italienische Tageszeitung Il Manifesto, ob Lamy sich nicht
schäme, von einem solchen Land die Öffnung des
Wassermarktes zu verlangen. Lamy beschwichtigt: Jedes Land
bestimme doch weiterhin über die Regeln, nach denen Wasser
verkauft wird. Man müsse sich nur darauf einstellen, »dass
ausländische Firmen mit nationalen Firmen in diesem Sektor
nach den gleichen Regeln operieren

Dass die GATS-Verhandlungen umstritten sind, ergibt sich schon
aus den Größenordnungen, um die es geht. Die USA exportieren
gegenwärtig nach WTO-Angaben jährlich Dienstleistungen im
Wert von 275 Milliarden Dollar, Großbritannien 100 Milliarden und
Deutschland 80 Milliarden Dollar. Das Handelsvolumen könnte
aber noch erheblich wachsen, wenn man, ähnlich wie bei den
Industriegütern, Beschränkungen beseitigen würde, zum Beispiel
bei der Gesundheitsfürsorge oder der Bildung. Klassische
Gemeingüter würden sich dann in frei handelbare
Dienstleistungen verwandeln.

Theoretisch müssen alle Anbieter laut GATS gleich behandelt
werden. Alles, was den freien Handel behindern könnte, wie etwa
soziale oder ökologische Standards, soll strikten
Notwendigkeitstests unterworfen werden. Subventionen, die
soziale Zwecke verfolgen, könnten zwar noch gezahlt werden,
müssten aber allen Firmen oder Auftragnehmern zu gute
kommen. Quersubventionierung von kommunalen Energie- und
Verkehrsfirmen wäre demnach als »Handelshemmnis«
einzustufen. Grundsätzlich soll immer die Lösung gewählt werden,
die am wenigsten den freien Handel behindert.

Am Beispiel der Arbeitsmärkte wird die Problematik klar: Im
sogenannten »Mode 4« der EU-Position wird erlaubt, dass
ausländische Arbeitskräfte für ein Jahr von Firmen als
Praktikanten ausgeliehen werden. Was auf dem Papier so nett
nach Schüleraustausch und interkultureller Verständigung klingt,
ist nichts weiter als systematische Lohndrückerei.
Dementsprechend verlangt der Europäische
Gewerkschaftsbund, dass bei der öffentlichen Vergabe
Sozialklauseln eingehalten werden. Das Problem der
Arbeitskräfte besteht auch umgekehrt: durch die ungehinderte
Ausbreitung solcher Supermarktketten wie Wal-Mart, Carrefour,
Ahold und Metro werden der Kleinhandel und damit Millionen von
Arbeitsplätzen in vielen Ländern der Dritten Welt bedroht. Auch
die Liberalisierung der Finanzmärkte ist nicht unproblematisch.
Was bei schrankenlos geöffneten Devisen- und Kreditmärkten
geschehen kann, zeigt das wirtschaftliche Desaster Argentiniens.
Und trotzdem verlangt die EU ausgerechnet von Malaysia, das
sich mit seinen Kapitalverkehrskontrollen gegen die Asien-Krise
wehren konnte, die Freigabe des Handels mit seiner Währung.

Renato Ruggiero, der ehemalige Direktor der WTO, hofft, dass
man mit GATS in völlig neue Dimensionen vorstoßen kann: »Das
Dienstleistungsabkommen GATS umfasst Bereiche, die noch nie
zuvor als Teil der Handelspolitik angesehen wurden. Ich vermute,
dass weder die Regierungen noch die Geschäftswelt die volle
Reichweite und den Wert der einzugehenden Verpflichtungen
erkannt habenZumindest Attac hat die Reichweite erkannt und
verlangt deshalb den sofortigen Stopp der Verhandlungen und
die Überprüfung der langfristigen Auswirkungen. Denn ein
besonderes Problem des GATS besteht darin, dass einmal
eingegangene Verpflichtungen kaum noch zurückzunehmen sind.
Damit wird praktisch Souveränität an die WTO abgegeben, die
über beträchtliche Sanktionsmechanismen verfügt. Das
Abkommen zu Fall zu bringen, sei nicht unmöglich, meint Thomas
Fritz und verweist auf das Beispiel des MAI (Multinational
Agreement on Investment). Auch dieses Abkommen habe man
nach seiner Veröffentlichung und anschließendem weltweitem
Protest stoppen können. Ein erster Erfolg: Am 14. März forderte
der Bundestag mehr Transparenz der GATS-Verhandlungen und
bemängelte gleichzeitig Gefahren für die Demokratie und die
öffentlichen Dienstleistungen.

Nähere Informationen unter: http://gats-info.eu.int/index.html


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