GretaThunberg ist derzeit die berühmteste Klimaschützerin der Welt. Für ihre Kampagne der Schulstreiks an Freitagen hat die 16-Jährige in den vergangenen Monaten nicht nur Zuspruch bekommen. Ein Vorwurf der Kritiker: Die Schülerin formuliere nur das, was ihr Berater einflüsterten. KevinAnderson ist zumindest einer, auf den GretaThunberg hört. Manchmal zumindest. Wenn die Schwedin auf Nummer sicher gehen will, bittet sie den britischen Klimatologen, ihre Redemanuskripte zu prüfen.
SpiegelOnline:
Professor Anderson, GretaThunberg hat verraten, dass sie sich Hilfe von Wissenschaftlern holt - und Ihren Namen genannt. Sind Sie also der Mann, der die so wohl formulierten Reden der 16-Jährigen schreibt?
KevinAnderson:
Was Sie aus dem Mund von GretaThunberg hören, ist das, worüber GretaThunberg nachdenkt und was sie dann aufschreibt. Sie ist nicht das Sprachrohr ihrer Eltern, einer PR-Kampagne oder von uns Wissenschaftlern. Auch wenn das manche Leute nicht wahrhaben wollen - allen voran einige ältere weiße Männer.
SpiegelOnline:
Aber was ist dann Ihre Rolle?
KevinAnderson:
Greta schickt mir manchmal Manuskripte und bittet mich zu prüfen, ob alles inhaltlich richtig ist. Manchmal diskutieren wir beide natürlich auch über Themen.
SpiegelOnline:
Und?
KevinAnderson:
Ich habe in den Gesprächen mit ihr oft den Eindruck, mit einer jüngeren Kollegin unseres Instituts zu diskutieren, aber nicht mit einer Jugendlichen. Greta weiß unglaublich viel über den Klimawandel, und sie lernt ständig dazu. Neulich hat sie mir einen ihrer Texte über Aerosole geschickt.
SpiegelOnline:
Schwebeteilchen, die den Treibhauseffekt mindern können.
KevinAnderson:
Ich fragte nach, woher sie diese oder jene Zahl habe. Darauf schickte sie mir mehrere Links und Zusammenfassungen aus wissenschaftlichen Texten, die sie durchgearbeitet hatte. Beeindruckend für eine 16-Jährige.
SpiegelOnline:
Wie sind Sie miteinander in Kontakt gekommen?
KevinAnderson:
Ich forsche und lehre auch in Schweden, an der Uni Uppsala. Die Familie Thunberg sprach mich vor einiger Zeit an. Greta war schon damals hochinteressiert am Klimawandel. Seit sie mit dem Streik angefangen hat, stehen wir regelmäßig in Kontakt.
SpiegelOnline:
Hört sie denn auf Sie?
KevinAnderson:
Nur, wenn sie es für richtig hält. Ich habe gehört, dass ihr Vater Greta mehrmals geraten hat, bestimmte Dinge nicht so hart zu sagen, etwa als sie den UNO-Generalsekretär getroffen hat. Sie hat es trotzdem genau so hart gesagt, wie sie es für richtig hielt. Greta schert sich wenig darum, was andere von ihr denken. Sie nimmt keine Rücksicht auf Befindlichkeiten von Interessensgruppen oder Politikern. Für mich ist sie wie das Kind im Märchen »Des Kaisers neue Kleider«, das ruft: »Aber er hat ja gar nichts an.« So ist es auch mit dem Klima: Wir emittieren immer mehr CO2 - und reden uns das schön, beschwichtigen, zögern große Veränderung hinaus. Aber Greta sagt, wie es ist. Eben deswegen wird sie so verehrt. Und so verunglimpft - von denen, die keine Veränderung wollen.
SpiegelOnline:
Aber kann eine 16-Jährige dieses hochkomplexe Thema überhaupt überblicken? Christian Lindner hat gesagt: »Von Kindern und Jugendlichen kann man nicht erwarten, dass sie bereits alle globalen Zusammenhänge, das technisch Sinnvolle und das ökonomisch Machbare sehen.« Dies sei »eine Sache für Profis«.
KevinAnderson:
Wer ist dieser Mann, wie alt ist er?
SpiegelOnline:
Lindner ist 40 Jahre alt und Chef der FDP, einer liberalen Partei.
KevinAnderson:
Dann ist er schon einige Jahre in der Politik. Und einer der Politiker, die versagt haben. Seit dem ersten Bericht des Weltklimarats von 1990 wissen alle, dass sie die Emissionen senken müssen. Aber bei Ihnen in Deutschland sind die Emissionen durch Verkehr seither sogar gestiegen. Sie werden Ihr Klimaziel für 2020 klar verpassen. Es ist dumm von Politikern, Gretas vernünftige Statements abzuqualifizieren, bloß weil sie eine Jugendliche ist.
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