Mitbewohner

Zuhause laufe ich eigentlich immer nur voll nackt rum. Mein Mitbewohner Eddie macht das nicht, aber es stört ihn auch nicht, dass ich es mache. Er hat mir mal gesagt, dass er den Anblick sogar ziemlich genießt, denn ich habe einen wohlproportionierten, athletischen Körper und sehe gut aus. Aber Eddie ist nicht etwa schwul und ich auch nicht, wir wohnen nur in unserer Mini-WG zusammen, weil es günstiger ist und weil wir beide das gleiche studieren.

Aber es ist schon witzig, wenn wir gemeinsam am Schreibtisch sitzen und arbeiten - oder kochen, essen oder sonstwie einfach nur abhängen oder auf dem großen LG Screen Netflix oder Disney+ streamen - er in Klamotten und ich daneben voll nackig.

Die Ärsche sollen bloß in ihren Zimmern bleiben, sonst stell ich aber noch mal ganz laut die Hardknox CD an und lass' meine Zimmertür auf, und dann dauert's auch nicht mehr lang, bis ich durch den Flur springe und jeden anrempele, der sich mir entgegenstellt....

Muß der Kerl denn nun wirklich jeden zweiten Tag saugen oder putzen und kann er seinen Sauberkeitsfimmel nicht in seinem eigenen Zimmer ausleben? Daß er in voller Lautstärke und mit offener Tür heute dieses Harry Potter Hörbuch gehört hat, war aber garnicht so schlecht, denn jetzt weiß ich erstens meinen Verdacht bestätigt, daß Harry Potter Schrott ist, ohne den Schrott lesen zu müssen und zweitens, daß Hörbücher, trotz anderslautender Behauptungen aus allen Richtungen, wohl doch am ehesten etwas für Grenzdebile sind, insbesondere solche, die der Sprecher derart lustlos herunterleiert. Ganz verdenken kann man ihm das aber auch nicht.

Ein halbes Jahr mit diesen Leuten, die einen Flatrate-Anschluss eingerichtet haben, bei dem der PC die ganze Zeit im Internet hängt und man seine Daten nur dem Zugriff anderer entziehen kann, indem man das Kabel zieht! Die über das Wohnungs-Netzwerk blöde Nerd-Spiele spielten und sich blöde Nerd-Messages sandten, die dann auch auf meinem Rechner erschienen! Die die Flatrate nutzten, um sich MP3s von MIA (!!!) runterzuladen und sich diese dann auch noch laut anhörten! Die mich mit ihren widerlichen thüringischen Regionaldialekten ständig zu irgendwelcher Hausarbeit ermahnten (jede Woche großer Hausputz! Jeden Abend abwaschen!)! Die sich blöde Nerd-Freunde einluden, die dann in der Küche über Star Trek redeten und irgendwelche selbstgedichteten Sprichwörter am Küchenschrank befestigten! Die Küchen- und Kloordnungen aufhängten! Die eine Party in der Wohnung gaben, ohne mich vorher davon unterrichtet zu haben, und mich somit um den Schlaf brachten! Die meine gesammelten Bierdosen wegwarfen, weil sie das mit dem Einwegpfand nicht kapierten! Die jedes Substantiv mit dem Adjektiv »schwul« versahen! Die meinten, der »Pulp FictioN« Soundtrack wäre total die heiße Sache (und man bedenke, das Jahr ist 2003!)! Die mich auf ein mich besucht habendes Mädchen ansprachen mit den Worten »Die hadn geiln Oarsch«! Die, als ich meinen Umzug nach Berlin ankündigte, meinten, da gäbe es doch zu viele Türken! Die ein Foto machten, als sie eine Pizza vom Pizzaservice anschnitten! Wie habe ich das nur ausgehalten! In der Hölle schmoren sollen sie!

Mitbewohner sind diejenigen, die man in einem langwierigen Prozess suchen muss, indem man Termine mit ihnen ausmacht, dann die Hälfte aber doch nicht zum vereinbarten Termin erscheint. Mitbweohner ziehen in einem rasanten Tempo ein und aus. Sie werden zu deinem besten Freund oder, was leider wesentlich häufiger vorkommt, zu deinem ärsten Feind. Mitbewohner sind diejenigen, die eine Wohnung dem Chaos überlassen und diejenigen, die anscheinend nie gelernt haben zu putzen, zu saugen oder auf irgendjemanden in welcher Form auch immer Rücksicht zu nehmen. Mitbewohner schnaufen dir abends vor dem Fernseher ins Ohr oder sie pfeiffen dich in den Wahnsinn.