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wuming schrieb am 30.4. 2003 um 23:22:25 Uhr über

Empire

Die Möchtegern-Imperialisten

DAS SCHLAGLOCH von KLAUS KREIMEIER

You simply cannot have an empire without
imperialists - out there, on the spot - to run it.
Niall Ferguson

Die Amerikaner können eine Menge, dabei muss man
nicht einmal mit süffisanter Ironie auf die Überlegenheit
von Coca-Cola und Jeanshosen verweisen. Auch die
Literatur kann sich sehen lassen, in Hollywood werden
immer wieder wunderbare Filme gemacht, und das
Fernsehen (so wie es heute funktioniert) haben sie
schließlich auch erfunden. Überhaupt alles Softe unserer
Konsumwelt, nicht nur Longdrinks, Soaps und MTV,
verdanken wir den Amerikanern. Das muss einmal
ausgeprochen werden, weil das Klischee vom brutalen
Marine-Monster allmählich überhand nimmt. Auch dann,
wenn sie Krieg führen, formatieren sie für den Rest der
Welt erst einmal ein neues Medienereignis. Da mag
mancher die Nase rümpfen, aber Fox und CNN, daran
führt keine europäische Häme vorbei, sind nun einmal
ein zentraler Bestandteil unserer globalen Kultur.

Gewiss, nicht immer sind die Amis innovativ. So haben
sie die Idee mit den »embedded correspondents« von
den nationalsozialistischen Propagandakompanien
geklaut, die für Hitlers Wochenschauen sogar weitaus
beeindruckendere Bilder geliefert haben. Aber das hat
sowieso kaum ein Rezensent gemerkt - und warum soll
man nicht die geschichtliche Erfahrung beerben, wenn
sie »Anwendungen« bereithält; das ist der heutige Begriff
für Know-how, das sich umgehend in nützliche
Technologien, Raketen, Computerprogramme oder
Bilder für die Kriegsberichterstattung umsetzen lässt.
Die Amerikaner sind in diesem Punkt ziemlich auf Draht.
Nur eines können sie nicht: Sie sind kulturell, historisch
und konstitutionell unfähig, ein Weltreich zu gründen und
zu verwalten. Die ganze Idee vom "new American
century" ist Mumpitz - das müsste den Amis mal endlich
einer deutlich sagen.

So wie Niall Ferguson. Der Professor für
Wirtschaftsgeschichte in New York und Autor eines
Bestsellers über Aufstieg und Niedergang des britischen
Empires hat einen fulminanten Artikel für das aktuelle
New-York-Times-Magazin verfasst, unter der schönen
Überschrift »The Empire Slinks Back«.
Sympathischerweise outet er sich gleich am Anfang mit
souveräner Selbstironie als "voll bezahltes Mitglied der
neoimperialistischen Gang", um klarzustellen, dass er
Gründe hat, über die Mittelmäßigkeit, mit der die
Amerikaner ihr Imperium zusammenzimmern, äußerst
betrübt zu sein. Die »Flüchtigkeit« der imperialen
Strategie, das hektische Konzept, erst einmal alles kurz
und klein zu schlagen und sich dann so schnell wie
möglich aus der Affäre zu ziehen - all das regt Ferguson
auf. Und dann lässt er, aus der immensen Fülle seiner
Kenntnisse, in einer langen Rückblende die Tugenden
des britischen Empires aufmarschieren. Zweifellos: Eine
unblutige Angelegenheit war das nicht. Aber wie viel
Intelligenz, kulturelle Motivation und vor allem Ausdauer
waren da am Werk!

Ausdauer - damit fängt alles an; ohne sie ist es für die
Katz, in abgelegenen Gegenden den Aufbau
funktionierender Marktstrukturen, eine gesetzestreue
Verwaltung oder gar den Übergang zu einer
repräsentativen Demokratie zu planen. Wer unter Queen
Victoria in die Kolonien ging, richtete sich darauf ein,
dort drei oder vier Jahrzehnte seines Lebens zu bleiben.
In den Irak, der sich von 1920 bis 1958 unter britischem
Einfluss entwickelte, schickte England seine besten
Orientalisten, sprachkundige Leute, die ihrem Kingdom
schrankenlos ergeben und gleichzeitig neugierig auf das
»Andere«, auf Exotik und fremde Sitten und Gebräuche
waren. Ein echter Tory verachtete gewiss nicht die
Hotels der Extraklasse, aber er ließ sich auch auf
Dschungel und Wüste, Moskitosümpfe und von
feindlichen Völkern wimmelnde Gebiete ein.
2,6 Millionen Briten gingen zwischen 1900 und 1914 in
den Kolonialdienst, 6 Millionen waren es 1957, auf dem
Höhepunkt des Empires - und stets rekrutierte die
Regierung für die verantwortlichen Posten die Elite,
Absolventen von Oxford und Cambridge - "to spread
commerce, christianity and civilization all over the world".

Kolonialromantik? Keineswegs. Ferguson rechnet den
Amerikanern knallhart vor, dass sie bei aller globalen
Präsenz ein Volk engstirniger, unwissender und
antriebsschwacher Stubenhocker geblieben sind.
England exportierte seine Elite - die USA importieren
sie, darunter fähige und weniger fähige Menschen, und
schicken sie womöglich gleich in eines ihrer
halsbrecherisch planlosen Gemetzel: Ganz nebenbei
weist Ferguson darauf hin, dass sehr viele der G.I.s, die
Rumsfeld in den Irak verfrachten ließ, Einwanderer der
ersten Generation gewesen sind. Die Briten gingen, mit
ihren Truppen und Missionaren, stets tief ins Land,
bauten ihre Baracken neben die Dörfer der
Einheimischen und pflanzten den Union Jack auf - fertig;
dann ging es an die Arbeit. Für den Amerikaner, der
heute ins Ausland reist, besteht die Fremde aus
amerikanischen Militärbasen und amerikanischen
Fünfsternehotels; er stellt fest, dass alle Menschen
Kaugummi kauen und in seiner Sprache reden, und
kehrt befriedigt in Gods own country zurück.

Sicher, auch die Briten brauchten hartgesottene Militärs
für das schmutzige Geschäft. Aber ihre politischen
Auftraggeber in London hatten die römische Geschichte
studiert und bestanden darauf, dass die Commanders in
den Kolonien der zivilen Gewalt zu gehorchen hatten.
Anders hätte das Prinzip der »indirect rule« hätte die
Errichtung pflichttreuer, von Einheimischen besetzter
Administrationen, hätten Kommerzialität, Kultur und
Kirche und nicht zuletzt die erfolgreiche Globalisierung
des Kricket-Sports nicht funktioniert. Wichtig war die
Kenntnis, zumindest das Sich-hineinhören-Können in
afrikanische, arabische oder indische Sprachen - die
Amerikaner hatten schon die allergrößten
Schwierigkeiten, nach dem 11. September auf ihren
Colleges jemanden zu finden, der des Paschtunischen mächtig war.

Mr. Garner im Office of Reconstruction umgibt sich in
Bagdad mit Leuten, die schon in Jugoslawien, auf Haiti
und in Somalia dabei waren, das heißt viel heißen
Wirbel entfacht und das Land so schnell wie möglich
wieder verlassen haben. Angesichts dieser Tatsache
schlägt Ferguson die Hände über dem Kopf zusammen:
Das sind Versager, Möchtegern-Imperialisten, die - wie
die gesamte Bush-Administration - in Wochen, allenfalls
Monaten rechnen, anstatt den langen Atem und die
Standfestigkeit nicht nur für »shock and awe«, sondern
für solides imperiales Wirtschaften mitzubringen.

Was Ferguson dem Leser überlässt, ist die
Schlussfolgerung: Eine Weltmacht, die ihre
hegemonialen Pläne so kurzsichtig betreibt, ohne
Ausdauer, Aufopferungsgeist und Neugier für die
Kulturen, die sie unterwerfen will, kann in der Welt mehr
Schaden anrichten, als dies früheren Imperien gelungen
ist. Bleibt als Trost die Aussicht, dass Amerika umso
schneller scheitern und sich in seine »splendid isolation«
zurückziehen wird, weil ihm zu imperialer
Machtausübung einfach die Begabung fehlt.

taz Nr. 7042 vom 30.4.2003, Seite 12, 243 Zeilen
(Kommentar), KLAUS KREIMEIER


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