»Dort ist es!«, ruft der Kunde aus, als er sich mit dem Blumenverkäufer dem Haus seines Chefs nähert. Der Blumenverkäufer blickt suchend in die Richtung, in welche der Kunde gewandt ist. »Wo denn nur?«, fragt er, nachdem seine Suche anscheinend ergebnislos verlaufen ist. »Nun, dieses erleuchtete Haus, auf das wir uns geradewegs zubewegen«, antwortet der Kunde, verwundert darüber, warum der Blumenverkäufer ihn nicht sofort verstanden hatte. Der Blumenverkäufer bleibt abrupt stehen und starrt fassungslos in die Richtung, in welche der Kunde zeigt. »Das ist nicht möglich!«, ruft er entsetzt. »Aber was haben Sie denn nur?«, fragt der Kunde, der erst ein Stück weitergelaufen ist, da er den Stillstand des Blumenverkäufers nicht rechtzeitig bemerkt hatte, und nun auch gezwungenermaßen stehenbleibt, sich umdreht und den Blumenverkäufer erstaunt ansieht. »Es ist nicht möglich, dass dies das Haus Ihres Chefs ist. Ich wage es ja kaum, dieses Gebilde überhaupt als Haus zu bezeichnen«, erläutert er den Grund für die plötzliche Unterbrechung seines Gangs. Der Kunde dreht sich wieder um und schaut zu jenem Haus, auf das er schon als Wohnung seines Chefs gewiesen hat. Angestrengt und mit beiden Händen in die Seiten gestützt scheint er ausmachen zu wollen, was ihm entgangen sein könnte, das an jenem Haus das Entsetzen des Blumenverkäufers zu begründen vermag. Nach einigen Sekunden zuckt er ratlos mit den Achseln, ohne den Blick von dem Haus zu lösen, während er dem Blumenverkäufer immer noch den Rücken zuwendet. »Aber es sieht wie ein Mietshaus aus und erstreckt sich über mehrere Stockwerke, die Ihr Chef nicht allein bewohnen wird«, sagt nun der Blumenverkäufer. »Mir ist nichts darüber bekannt, ob er dieses Haus zur Miete bewohnt, ebenso wenig wie ich weiß, ob sich die oberen Stockwerke in seinem Zugriff befinden«, antwortet der Kunde, der sich nun wieder in Richtung des Blumenverkäufers gedreht hat, betont nüchtern auf dessen ihm immer noch unverständliche Verwunderung. »Die Fassade ist in einem beschämenden Zustand, der Putz bröckelt und von den Fenstersimsen ziehen sich Schlieren feuchten Schmutzes die Wand hinab«, führt der Blumenverkäufer weiter aus. »Nun übertreiben Sie aber Ihr Urteil, in dem sich mir eine unangemessene Geringschätzung meines Chefs anzubahnen scheint«, fällt der Kunde dem Blumenverkäufer ins Wort. »Was sich hier vor meinen Augen präsentiert und was ich hieraus zu schlussfolgern genötigt bin, kann unmöglich übertrieben werden«, entgegnet der Blumenverkäufer, der nun dem Kunden streng in die Augen blickt, und fährt fort: »Bedenken Sie die Anstrengungen und die Gewissenhaftigkeit unserer Vorbereitungen, die wir bisher betrieben haben, um den enormen Anforderungen der Geburtsfeier Ihres Chefs gerecht werden zu können! Ein Bewohner jenes Hauses kann unmöglich Gegenstand einer solchen Herausforderung sein. Ich beginne nun schon, zu bereuen, Sie jemals von Ihrem kindischen Plan abgebracht zu haben, Ihrem Chef Blumen zu schenken, da ich nun sehen muss, dass er die Mühe eines wohlüberlegten Geschenkes, wie es unsere Flasche Schnaps mit ihrer außergewöhnlichen Fliederkrempe darstellt, nicht wert ist.« »Hüten Sie sich, die Person meines Chefs schon in den Schmutz zu ziehen, bevor Sie ihr auch nur einmal Auge in Auge gegenüber gestanden haben!«, fährt nun der Kunde empört aus seiner Haut und macht einen drohenden Schritt auf den Blumenverkäufer zu. »Aber versetzen Sie sich in meine Lage«, versucht der Blumenverkäufer den Kunden, erschrocken über seine grobe Reaktion, zu beruhigen, und setzt seine Rede fort: »Nach allem was Sie mir bisher von Ihrem Chef zu berichten wussten und der Ernst, mit dem Sie meinen Vorschlag zur Verbesserung Ihres Geburtstagsgeschenks erwogen und zuletzt angenommen haben, haben mich den Schluss ziehen lassen - ja, wenn Sie es ehrlich für sich selbst prüfen - ziehen lassen müssen, dass es sich bei Ihrem Chef um eine Person von äußerster Würde handelt, einer Person, die niemals ein Haus einfach nur bewohnt, sondern in einem Anwesen - jawohl, einzig und allein ein Anwesen scheint mir Ihrem Chef angemessen zu sein - residiert. Nun bin ich entsetzt, das Haus überhaupt von der Straße aus sehen können, statt nur ein vergittertes Tor, von dem aus sich ein Weg im Dunkel eines Parks verliert, hinter dem ein Anwesen nur zu ahnen und zu vermuten sein kann, nie und nimmer aber mit den Augen wahrzunehmen.« »Seien Sie gewiss, dass Sie die Person meines Chefs völlig unzureichend einschätzen, indem Sie dem Haus, das er bewohnt, ein solches Gewicht beimessen«, erwidert der Kunde nun etwas ruhiger, nachdem er den Worten des Blumenverkäufers aufmerksam zugehört hatte, und fährt fort: »Die Würde meines Chefs wird durch sein Amt und die Stärke seiner Persönlichkeit begründet, und es wäre sehr töricht, ihm mit einer Unterschätzung zu begegnen, zu der Sie sein Wohnhaus verleitet haben mag. Es ist gewiss nur Teil seiner Bauernschläue, sich hinter diesen unscheinbaren Fassaden zu verbergen und sich so ein Gesicht der Harmlosigkeit zu geben, um im richtigen Moment aus der Deckung sich lösen und vor dem Gegner sich aufbauen zu können. Dass auch Sie nun schon diesem planmäßigen und listigen Schauspiel zum Opfer gefallen sind, zeigt mir nur deutlich, mit welcher Raffinesse und Gefahr wir es in den folgenden Stunden zu tun haben werden.« Der Blumenverkäufer hatte dem Kunden kaum noch zugehört und sich während seiner Rede mit den Händen in den Hosentaschen wieder dem Wohnhaus des Chefs zugewandt. Kopfschüttelnd und ohne auf die Worte des Kunden einzugehen, murmelt er ihm halblaut zu: »Und sehen Sie nur! An der vorderen Giebelseite hängt sogar eine abgerissene rostige Regenrinne herunter.«
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