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Max van der Moritz schrieb am 4.8. 2002 um 14:55:33 Uhr über

SilvioGesell

Das Gesellsyndrom!

Mir ist vor einiger Zeit eine Geisteskrankheit aufgefallen, sie immer aufzutreten scheint, wenn jemand anfängt Silvio Gesells Bücher zu lesen. Kaum hat einer die ersten Zusammenhänge erkannt und gesehen, daß hier wirklich Bahnbrechendes geschrieben ist, fängt der Kranke sofort an Gesell verbessern zu wollen. Da hat schon Irving Fisher die Umlaufsicherung (demurrage auf Englisch) von 5.2 % im Jahr auf 104 % verbessern müssen und Maynard Keynes sie gleich durch „deficit spending» ersetzen müssen und jetzt gibt es Horden von Leuten, welche die Umlaufsicherung auch auf das sogenannte Buchgeld ausdehnen wollen. Das ist auch so eineVerbesserung«.

Der Krankheitsverlauf scheint sich dann so abzuspielen, daß man später eine Tunnelsicht bekommt, bei der man dann alle Stellen in den Büchern von Gesell, wo er dieseVerbesserungen" schon widerlegt hat, nicht mehr wahrnimmt und selbst, wenn man darauf aufmerksam gemacht wird, sie einfach nicht zur Kenntnis nimmt und nur diejenigen, welche die neue vorgefaßte Meinung zu bestätigen scheinen immer wieder anführt.

Ein Beispiel dafür ist die heilige Kuh des von Gesell einmal vorgeschlagenen Währungsamtes. Er hat dieses einmal, sozusagen als Gegengift, gegen die damals in privater Hand befindlichen Notenbanken mit ihren Goldhorten vorgeschlagen, hat aber später immer wieder die einfache gesetzliche Verpflichtung der Notenbank auf einen festen Preisstand als ausreichend bezeichnet. Besonders klar in einem Absatz eines 1922 gehaltenen Vortrages (Die Ausbeutung, ihre Ursachen und ihre Bekämpfung Seite 19)

/// Geben wir also der Notenbank den Auftrag, gerade so viel Geld drucken zu lassen und in den Verkehr zu bringen, wie die Aufrechterhaltung des Indexes es erfordert, so muß sie diese Aufgabe erfüllen, weil sie die Mittel dazu in der Hand hat. Es gibt keinen vernünftigen Grund, warum wir der Notenbank solche Aufgabe nicht stellen und warum die Notenbank sich solcher Aufgabe nicht gewachsen erklären könnte."/// EQ

Da ist keine Rede mehr von einem Währungsamt oder gar von Abschaffung der Nationalbanken aber versucht das einmal einem vom Gesellsyndrom Befallenen zu erklären.

Es gibt kaum eineVerbesserung" von Gesell, die man mit einiger Mühe nicht schon in seinen Schriften irgendwo erklärt und widerlegt finden kann und es ist mir selber schon fast unheimlich, was dieser Mann alles gesehen hat und ich bin nun schon so weit gekommen, daß ich bei irgendwelchen Argumenten, wo ich nicht ohnehin Gegenargumente zur Hand habe, einfach wieder bei Gesell nachlese. Er hat schon (fast) alles selber gesagt.

Eigenartigerweise scheint dieses Syndrom sogar bei Leuten aufzutreten, die kaum etwas von Gesell selber gelesen haben und ihre ganzen Weisheiten nur aus zweiter Hand beziehen.

Wenn man Gesell einen Vorwurf machen kann, ist es der daß er an eine grundlegende Anständigkeit aller Menschen glaubte (auch der Politiker) und erwartete, daß sie, wenn man ihnen die Zusammenhänge nur richtig erklärt so daß sie es verstehen können auch das Richtige tun würden. Keynes hatte übrigens auch dieselbe schwache Stelle, wenn er erwartete, daß die Politiker jemals die Schulden wieder abbauen würden, die sie durch sein „deficit spending" gemacht hatten.

Etwas anderes, welches Gesell auch immer fälschlich vorgeworfen wird ist das, daß er das Buchgeld nicht in seine Betrachtungen einbezogen hat. Er tat das aber genau so, wie er die bereinigte Quantitätstheorie einbezogen hat, aber klar feststellte, daß mit Freigeld auch die rohe Quantitätstheorie ihre Gültigkeit hat. Darum setzte er sich mit ihr auch nicht besonders auseinander. Ich habe das, hoffentlich in seinem Sinn, für ihn getan.

Dasselbe gilt auch für das sogenannte Buchgeld, das angeblich geschöpft und dann wieder vernichtet wird. Dieses flüchtige und geisterhafte Buchgeld, das nichts anderes ist als Guthabenübertragungen, hat er ganz klar in seiner Eigenschaft als abhängig vom zugrunde liegenden Bargeld erkannt und hat auch dargestellt, wie sich dieses Verhältnis bei Änderung dieses Bargeldes zu Freigeld verändern muß. Sinngemäß stellte er das recht klar in einer netten Graphik auf Seite 321 der NWO dar, wo er die höheren Kosten des Kredites und damit der Kreditübertragungen darstellt. Unsere Buchgeldleute übersehen das oder setzen es in Bezug zur jährlichen Umlaufsicherung, während diese Kosten in Bezug zu den anteiligen Kosten eines Handwechsels zu setzen sind. Das sind im angenommenen Fall von 5% Umlaufsicherung und 500 fachen Handwechsel im Jahr genau 0.01% und das muß beim Vergleich der Kosten beachtet werden.

Durch ihre falsche Gegenüberstellung glauben sie natürlich auch, daß dieses Buchgeld dem mit diesen gewaltigen Kosten (von 0.01%, aber das wissen sie ja nicht :-)) belasteten Freigeld überlegen ist und es verdrängen würde.

Die Gegner reden dann von Schwundgeld (witzig bei 0.01% pro Handwechsel) und glauben, daß die Leute gleich rennen müßten um dieses Geld loszuwerden und daß es niemand annehmen würde, obwohl es ja seinen Wert behalten würde im Gegensatz zum heutigen Geld. Dabei sollte es doch einleuchtend sein, daß selbst jemand, der sein Geld nicht im selben Monat ausgibt in dem er es bekommt, was doch im Allgemeinen der Fall ist mit höchstens 1% Gebühr in zwei Monaten rechnen muß. Das wird wohl kaum ein Anlaß für jemand sein, das Geld gleich übereilt auszugeben, höchstens ein kleiner Anstoß das Geld welches er voraussichtlich nicht gleich braucht auf ein Konto zu geben, wenn er es nicht ohnehin als Überweisung dort erhalten hat.

Gesell hat, soviel ich sehen kann, keine Lücke in seinem Gedankengebäude hinterlassen und ich persönlich kann ihm nur einen Vorwurf machen. Er hat uns keine Gebrauchsanweisung für die Durchführung seiner Reformen ohne oder auch gegen den Staat hinterlassen und wir wissen auch nicht, wie groß sein Einfluß beim Wäraexperiment war, welches ja noch zu seinen Lebzeiten begonnen wurde. Wörgl erlebte er ja nicht mehr. Oder habe ich diese Anweisung nur noch nicht gefunden? Oder nicht verstanden?









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