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Schillingsfürst schrieb am 8.2. 2007 um 20:17:49 Uhr über

drogenszene

Egon Friedell schrieb irgendwann irgendwo, dass »ja wir Jungen die Älteren sind. Wir blicken zurück in die Antike, auf Griechen und Römer und sehen eine noch unreife Jugend

In der Frankfurter Drogenszene konnte ich sehen, dass »junge« Drogendealer in ihrer Gestik, ihrer Mimik und ihren Bewegungen die aggressive Männlichkeit Djangos als Vorbild wählten.
Sein männliches Ego war ihr Programm. Sinneseindrücke wurden mit dem Muster vergleichen, und wenn der Eindruck und die eigene Programmvorlage nicht zusammenpaßten, kam es zu Aggressionen, Konfrontationen, Explosionen. Der Krieger verdrängte, zeitweise, den Dealer.

Haschpeter sah, so erzählten spöttisch seine Gegner, eine Rückkehr der Frauen zu Reifrock und Stöckelschuh als absolut notwendig. Ergern mit Stil und Würde das Schwere, Fette, Grobe und kam nicht ohne Chauffeur und Leibwächter auf die Wiese. Im Hintergrund ein beim Gebrauchtwagenhändler billig gekaufter Mercedes.

Er war ein Pascha und wollte ein Geschäft und eine Familie regieren, kurz, schnell alt werden. Ich bekam den Eindruck, er orientiere sich, vorrangig, an us-amerikanischen Gangsterfilmen aus den 30er Jahren, die auch ich in meiner Kindheit gesehen hatte.
Ich sah im Verhalten der Szene als Ganzes Wiederholungen von Schachzügen, die ich in der Bibliothek meines Vaters (fast nur geschichtliche Werke) gelesen hatte.
Wenn meine Freunde und ich auf Matrazen lagen, wenn sie Haschisch rauchten, Musik hörten und dachten, sie hätten eine neue Bewußtseinsebene entdeckt oder gefunden, dann sah ich den Drogenmarkt in Frankfurt am Main wie eine Szene aus dem 14. oder 15. Jahrhundert, und wie die Märkte der Renaissance (Wiedergeburt) in Venedig und Florenz.

Die Konkurrenz unterbieten (oder überbieten) und so das Geld des Marktes in die eigenen Hände fliessen lassen, während es anderswo zum Rinnsal wurde, das funktionierte wie vor fünfhundert Jahren, wirbelte die Hierarchie(n) durcheinander und verschärfte den Konkurrenzkampf.
Die Kämpfe waren vorerst und nur scheinbar eine brutale Zurückentwicklung in mehr Streß und Hektik. Betrachten wir die Ereignisse mit mehr Abstand, als im Streß dieser Tage möglich war, sehen wir, nicht die Kämpfe waren entscheidend für Rangunterschiede. Die waren eine Antwort auf die Frage: Wer kommuniziert am intensivsten mit wem?

Dabei kam es zu feudalen Strukturen. Auf dem Markt wurden, als scheinbar vernünftig, ja selbstverständlich, feudale Strukturen durchgesetzt. Gewohnheitsmäßig. Denn wir bewegten uns in einer neuen Anhäufung einer Geschichte, von der wir noch kaum etwas wußten.
Hätte ein Dealer feudale Strukturen bewußt zum Programm gemacht, die anderen hätten ihn ausgelacht.
Aber wir alle und noch allzuoft, waren fixiert auf die am leichtesten kopierbaren Züge eines neuen intellektuellen Bewußtseins, auf längere Haare, zwanglosere Kleidung, laxere Haltung, ahmten dies nach, um uns so, zum billigsten Preis, das Prestige eines modernen Menschen zu sichern.

Dabei entstanden, wieder einmal, feudale Strukturen. Im Rückblick kann das nicht verwundern. Feudalzeit und Drogenszene hatten Gemeinsamkeiten. Für Dealer, wie schon für Feudalherren, gab es - eigentlich - keinen Staat. Sie lebten in einem rechtsfreien Raum.
Der Feudalherr war das, was er war, durch seine Ausweitungen. Er knüpfte ein netz von Beziehungen, die (scheinbar) willkürlich gestaltet werden konnten.
Danach war seine Herrschaft ein Ergebnis von Anhäufungen, die in den Landschaften, ihren Bauwerken und Dingen, ihren Tieren und Menschen abgelagert wurden.
Die Ablagerungen strukturierten Gehirne und ließen nur feudale, das heißt gewohnte und gewohnheitsmäßige Bewegungen zu.

Ein Oberdealer, als zentrale Führungs- und Kommunikationsfigur seiner Unterdealer und/oder Lehrlinge bekam ja seine Macht über sie, ganz konkret, durch seine Verfügungsgewalt über die Handelsware. Z.B. zwanzig Kilo Haschisch, zum Preis von 1.200 Mark, leicht an kleinere Dealer und vor allem an US-Soldaten weiterzuverkaufen für 2000 bis 1800, von einem Münchner Türken mal einfach so auf Kredit, mit Anzahlung von 5000, die er einem »Kleindealer«, mit einem Versprechen, aus der Tasche geholt hatte. Der Türke bekam für die 5000 Anzahlung 20 Kilo von einem Landsmann, der mit der Ladung, versteckt im Auto, als Gastarbeiter von seinem Urlaub im Heimatland zurückgkommen war. Der deutsche Großkreditnehmer gab, ohne Anzahlung, fümf Kilo als »Lehen« (also nur Geliehenes) an einen Gefolgsmann in einer anderen Stadt.
Das Ganze geschah, wenn und wo es möglich war und zu zeitlich gedehnten Strukturen führte, auf dem Boden der Ehrlichkeit. - Das ist leicht zu verstehen, wenn du noch weißt was das ist, »Ehre«.


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