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ich muß los schrieb am 10.4. 2003 um 22:17:33 Uhr über

Groschenromane

elner versteckte den schlüssel im hausflur vor der wohnungstür, damit er immer hineinkam. einmal hatte sie ihm sogar einen schlüssel geschenkt, in seidenpapier gewickelt hatte er morgens neben seinem croissant gelegen. dorst erkannte die form druch das papier hindurch. elner, sagte er. sie schaute hinter den haaren hervor. elner hatte dicke haarmengen, die unverrückbar auf ihrem kopf lagen und über die augen wogten. dorst mochte elners haare. manchmal packte er eine handvoll und zog daran. das haar war so fest, daß ihr sein griff nicht weh tat. sie hielt den kopf leicht dagegen und sagte, mach ruhig doller. elner, sagte dorst und schob ihr den seidenen schlüssel zu. du weißt doch noch gar nicht, was drin ist, sagte sie. mach es doch erst mal auf. behalt ihn, sagte dorst. elner faßte mit den fingern an ihre nasenwurzel und drückte den knochen. dorst griff nach ihrer hand, da ließ elner los und sagte, ich tu ihn vor die tür. in ein versteck. plötzlich rieb sie sich die hände, als wäre ihr endlich das richtige eingefallen. sie riß das seidenpapier vom schlüssel, ließ es auf ihr croissant fallen und hielt den schlüssel in die höhe. er war ganz neu und scharf gezackt. dorst schaute hoch. da warf sie ihm den schlüssel gegen die stirn und lachte.
seitdem lag der schlüssel unter der fußmatte vor der wohnung. dorst klingelte trotzdem, bevor er die scharfen zacken ins schloß trieb. er klingelte immer, obwohl elner eine kleine schmiedeeiserne hand an die tür genagelt hatte, mit der man auch klopfen konnte. dorst hatte es nur einmal probiert, es gab ein freudloses, metallisches klacken. du brauchst doch nicht zu klingeln, sagte elner jedesmal. jedesmal erwiderte er, ich will dich nicht auf frischer tat ertappen.

als klar wurde, daß sie ihn nicht zu hause besuchen durfte, hatte es kämpfe gegeben. das hab ich ja wohl noch nie gehört, sagte sie. er konnte es nicht erklären. schämst du dich für deine wohnung. er schüttelte den kopf. hast du eine frau zu hause. er schüttelte den kopf. willst du mich fernhalten. er schüttelte den kopf. ich finde es hier schöner, sagte er. und wenn ich mal bei dir sein will, fragte sie. er schüttelte den kopf. und wenn ich dich brauche, sagte sie. dann komm ich, sagte er. ich will einen schlüssel, sagte sie. er stand auf und ging. in dieser nacht hörte er draußen vor seinem schlafzimmerfenster schabende geräusche und ein schwaches husten. er war sich sicher, daß elner bei ihm einbrechen wollte. er stand auf, schloß, ohne in die dunkelheit hinauszusehen, die fensterläden und verriegelte sie mit den metallhäkchen. am nächsten morgen fand er einen zettel im briefkasten, der ihm verbot, elner zu besuchen. also besuchte er sie nicht.
er kaufte einmal in der woche ein netz apfelsinen und schnitt sich die fußnägel, putzte seine schuhe und schrubbte jeden morgen den belag von seinen zähnen. öfter als sonst fuhr er straßenbahn. in den wochen ohne elner sah er viele frauen mit dicken haaren. das blühen der magnolienbäume endete in fleischfarbener verwüstung. ihm fiel nichts ein. einmal stand er vor ihrem haus und sah hinauf zum zweiten stock. er war sich fast sicher, daß sie hinunterschaute.
im supermarkt kaufte er stapelweise steinofenpizza, die er zu hause ungeschickt aus den feuchten kartons schälte. manchmal reihte er sich bei mcdonalds in die schlange. was schmeckt dir hier denn besonders gut, fragte er ein mädchen, an dessen hals ein lederband mit einem runden stein hing. ihre schuhsohlen waren so dick, daß sie fast so groß war wie er. ihre brüste hatte sie in ein enges sportleibchen gezwängt. also das menü ist geil, mit apfeltasche und so, sagte sie. aha, sagte dorst und schaute auf die leuchttafel über der theke, auf der apfeltaschen und dreistöckige burger glommen. das mädchen musterte ihn. find ich jedenfalls, sagte sie knapp. darf ich dich einladen, sagte dorst plötzlich, selbst überrascht. nee danke, sagte sie, ohne zu überlegen, und schob sich von ihm weg. doch wirklich, sagte dorst und drängte ihr nach. nee, echt, sagte das mädchen, jetzt scharf im ton, hallo timmi, und sie zupfte einen jungen mit weißblonden, feucht sich sträubenden haaren am tshirt. der junge drehte sich zu ihr um, und sie flüsterte ihm etwas ins ohr. beide schauten zu dorst herüber. das mädchen, den oberkörper jetzt an den jungen gelehnt, grinste. timmi lachte nicht, sein gesicht unter den lächerlich kurzen haaren sah verdutzt und etwas verloren aus. dorst drehte sich weg und trug auf einem plastiktablett kleine styroporkästen zu einem der freien plastiksitze.
manchmal saß in der hinteren ecke eine ältere frau mit breitkrempigem, blumengeschmücktem hut und einem einteiligen samtanzug. sie trug eine maskenhafte sonnenbrille und schien das kichern um sie herum nicht zu bemerken. auf dem plastiksitz neben ihr saß ein schnauzbärtiger, ernster hund. sie schälte die fleischfäden aus den schlaffen brötchenhälften, kratzte saure gurken und senf herunter und reichte ihm kleine happen. wenn die styroporkästen leer waren, stand die frau auf, schob sich durch kichernde grüppchen und holte mehr. der hund sah ihr ernst hinterher. dorst versuchte seinen blick einzufangen, während die frau an der theke sich nicht zwischen dem farmburger mit tomatenfetzen und fahlem käsebelag und dem vierlagigen luxusburger entscheiden konnte. dem hund hing ein speichelfaden im schnauzbart. dorst schnalzte erst leise, dann eindringlicher. das gesicht des hundes verfinsterte sich. als die frau mit dem beladenen plastiktablett an ihren tisch zurückkehrte, zeigte er keine regung. die lippen der frau bewegten sich unablässig. heftig und lautlos vor sich hinmurmelnd, strich sie die samtenen hosenbeine glatt, setzte sich neben den hund und öffnete alle styroporkästen. dorst nahm sich einen von seinem tablett mit und sammelte darin regenwürmer, um am nächsten tag angeln zu gehen, aber dann traf er elner wieder und vergaß die regenwürmer. sie vertrockneten im styropor zu lakritzeähnlichen fäden.





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