Wenn es den eigenen Interessen dient
Florian Rötzer 30.04.2003
Das Pentagon hat ein Abkommen mit einer iranischen Widerstandsorganisation
im Irak geschlossen, die bislang als Terrororganisation galt
Der Feind des Feindes wird zum Freund. Dieser Devise sind die USA schon oft gefolgt.
Man hätte annehmen sollen, dass nach den Erfahrungen mit den Taliban und Bin Ladin
sowie mit Saddam Hussein langsam ein strategisches Umdenken erfolgen könnte. Jetzt
aber hat die US-Regierung mit dem bewaffneten Arm der iranischen
Volksmudschaheddin, die sich im Irak aufhalten und von dort aus die iranische
Regierung bekämpfen, einen Waffenstillstand angeboten, nachdem die Organisation
zuvor noch als Terrorgruppe galt.
Dass Syrien und vor allem der Iran zu den Staaten zählen, die nach dem vorerst nur
militärischen Sieg gegen das Hussein-Regime zu den amerikanischen Zielen zählen, die unter
Druck geraten würden, war schon lange zuvor klar. Besonders nachdem bekannt wurde, dass
die iranische Regierung ein Atomwaffenprogramm betreiben könnte und dass womöglich die
irakischen Schiiten beeinflusst werden sollen, hat sich die Lage zwischen den beiden Ländern
zumindest rhetorisch zugespitzt. US-Präsident Bush hatte den Iran neben dem Irak und
Nordkorea zur »Achse des Bösen« gerechnet.
Die US-Regierung warnt den Iran vor einer Einmischung in den Irak. Der iranische
Außenminister Kamal Charrasi wies die Beschuldigungen zurück und mokierte sich über die
US-Regierung, die sein Land warne, sich in die inneren Angelegenheiten eines anderen
Landes einzumischen, in das sie gerade einmarschiert sind. Wohl auch, um Informationen aus
dem Iran zu erhalten, vielleicht zudem, um die Stabilität der iranischen Regierung zu
untergraben, oder gar, um dereinst vielleicht über alliierte Bodentruppen zu verfügen, wurde
mit den Volksmudschaheddin ein Waffenstillstand vereinbart, nachdem man zuerst einige
Lager bombardiert hatte.
Wie jetzt bekannt wurde, trat das Abkommen bereits am 15. April in Kraft. Danach darf die
Organisation die Waffen behalten und verspricht das Pentagon, keine feindlichen Handlungen
gegenüber der Organisation durchzuführen oder ihren Fahrzeugen und ihrer Ausrüstung zu
beschädigen. Im Gegenzug haben die Volksmudschaheddin versprochen, ihrerseits nicht die
US-Truppen anzugreifen, nichts im Irak zu zerstören und die Artillerie nicht auf bedrohliche
Weise aufzubauen. Der in Paris lebende Sprecher der Mudschaheddin, Mohammed
Mohaddesin, erklärte denn auch, dass es keinen Grund für eine Feindschaft zwischen den
USA und der iranischen Widerstandsgruppe gebe: "Die Mudschaheddin stehen für
Säkularismus und Demokratie, während das Regime der Mullahs im Iran eine große
Bedrohung für den Frieden und eine Quelle für den Fundamentalismus ist."
Dass die Mudschaheddin auch bereits von Hussein unterstützt wurden, scheint wiederum für
das Pentagon kein Problem darzustellen. Für die iranische Regierung zeigt das Abkommen
hingegen die »Scheinheiligkeit« des Krieges gegen den internationalen Terrorismus der
US-Regierung. Der Iran hat bereits auf das Abkommen reagiert und den Mitglieder der
Gruppe Amnestie angeboten, während die Auslieferung der Anführer verlangt wird. Die EU
hatte neben der PKK auch die Volksmudschaheddin oder »Modjahedin-E-Khalq« (MEK)
letztes Jahr auf ihre Terrorliste gesetzt. In den USA wurde sie seit 1994 zu den terroristischen
Organisationen gerechnet. Auch auf der im Januar 2003 veröffentlichten Liste der
ausländischen Terrororganisationen wurde sie noch auf Platz 20 aufgeführt. Außerhalb des
Iran wird die Organisation durch den Nationalen Widerstandsrat (NWRI) als ihren politischen
Arm vertreten.
Die einst links-islamistische Gruppe wurde bereits in den 60er Jahren gegründet, kämpfte ab
Beginn der 70er Jahre gegen den Schah, war daher auch anti-amerikanisch eingestellt, und
wandte sich nach der Revolution im Jahr 1979, als der von den USA gestützte Schah gestürzt
wurde und die Ajatollahs einen muslimischen Staat aufbauten, unter der Führung von Masoud
Rajavi gegen die neue Herrschaft. Noch 1979 aber unterstützten sie Besetzung der
amerikanischen Botschaft in Teheran und sprachen sich gegen die Freilassung der Geiseln
aus. In den 80er Jahren führte die Organisation eine ganze Reihe von Anschlägen gegen die
Machthaber im Iran durch, nachdem diese brutal die demokratische und linke Opposition
unterdrückt und zahlreiche Menschen exekutiert hatten.
Nachdem die Gruppe während des Krieges zwischen Iran und dem Irak in den 80er Jahren mit
Hussein zu kooperieren und ab 1987 im Irak Lager einzurichten begann, verloren die
Mudschaheddin, die einst eine Massenbewegung gewesen waren, die Unterstützung des
ehemaligen iranischen Präsidenten Abdol Hassan Bani-Sadr, mit dem Rajavi im Pariser Exil
das National Council of Resistance (NCR) gegründet hatte. Auch der Rückhalt in der
Bevölkerung im Iran ging zurück. Angeblich sollen die Volksmudschaheddin auch den
Hussein Truppen geholfen haben, die kurdischen Aufstände nach dem Golfkrieg 1991
niederzuschlagen. 1992 haben die Volksmudschaheddin Bombenanschläge gegen mehrere
iranische Botschaften, darunter auch die in Bonn und in New York ausgeführt.
Revolutionär für islamische Rebellen ist, dass die Volksmudschaheddin auch für die
Gleichberechtigung der Frau eintraten. In der Gruppe sollen sie die gleichen Rechte wie die
Männer besitzen. Geführt wird der militärische Arm der Gruppe ebenfalls von einer Frau,
auch die Hälfte der Kämpfer sollen Frauen sein. Allerdings scheint die Gruppe intern
stalinistisch-autoritär geführt zu werden - und einem Persönlichkeitskult zu frönen . 1993
wurde symbolisch entschieden, dass Rajavis Frau Maryam Präsidentin werden sollte, wenn
die iranische Regierung gestürzt würde. Über wieviele Kämpferinnen und Kämpfer die
Organisation noch verfügt, ist nicht wirklich bekannt. Sie selbst gibt an, es seien über 30.000,
manche sagen es seien bis zu 10.000, andere sprechen nur von einigen Hundert.
Kommentare:
LOL (lyno, 1.5.2003 0:53)
IRNA (frajo rolofs, 1.5.2003 0:38)
wie unrecht zu recht wird (frajo rolofs, 1.5.2003 0:15)
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last modified: 30.04.2003
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