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nicht vom Schrei btischsttihl auslösen,janiclit einmal formulieren kann. Sicher war es so, dass er zeitweise der Arroganz so mancher marxorthodoxen und spätstalinistisclien Theoretiker oder der Borniertlieit von sterilen KPF-Anhängern (Garaudy war so einer), ungeschickt begegnete. Sicher hat er das Netz der »normaliens«, der Seilscliaften der Ecole-Nort-nale-Zöglinge nie zerrissen, auch nach 68 nicht. Sicher hat illin eigener Ehrgeiz im Verbund mit einem geschickten kulturpolitisclien Schachzug seiner freundschaftlichen Förderer einen schweren Schlag versetzt: die Wahl ins Coll@ge de France, dem »glorreichsten aller Tempel des Wissens«. Eine solche Berufung, ein solcher Institutsposten hat noch niejei-nandei-n gut getan, wie wir aus der Soziaigeschichte der hiesigen radikalen Linken selbst haben erfahren können. Dies drückt sich normalerweise in der schleichenden Erosion und kleinbürgerlichen Bornierung des sozialen Spannungserlebens aus, dessen Bedeutung fürjedes Wissen und jede Erkenntnis er selbst betont und erlebt hatte. Es ist daher bemerkenswert, dass er seine Grundeinstellungen zu sozialer Konstitution und den damit verbuiidenen Erkenntnismögliclikeiten über lange Zeit bewahren und aufrecht erhalten konnte, gegen alle Symptome vorübergehender Ersclilaffung (er verdankt dies sicher auch den unglaublichen Spannungen, die er in der Psycliiatrie hat erfahren müssen und die kein Institutsposten der Welt kurzfristig neutralisieren kann). Bis in die frülieil 80er Jahre hinein bleibt der Antagonismus, das Gegeneinaiider von Strategien der Durclidringuiig der Gesellschaft durch immer tiefer reichende Machtteclinologien und der Gegenstandpunkt, die Befreiung für ihn Grundlage seines Begriffs von Wissen und Erkennen und seinen sozialhistorischen Analysen. Das Auf,-elien, das Konsumieren und Verzehren in der Totalität der Maschine, in deren Visionen sich H/N geradezu rauschhaft hineinsteigern, dies bleibt für iliii die Gegenseite, der Gegner im liistorisclien Antagonismus.
Seine Beschreibung hätte seinen Ort in der Sozialgeschiclite der linken Intelligenz im Übergang in den postmodemen Zyklus."'
Ob bei all dem Gesagten schließlich - wie Negri/Hart zu behaupten scheinen (24 und Textanmerkung 4 auf Seite 420) - Foucault den Weg zur Problematisierung des Wohlfahrtsstaats in der französischen Politologie gebahnt habe, mag hier dahin stehen. Die Beschäftigung mit dem Verhältnis zwischen dem fortschreitendem Individualisierungsdi-uck und der Neukonstitution von Recht und Ordnung in der
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Ich möchte einen kurzen Überblick über die markanten Stadien geben, in denen Foucault diese Grundgedanken weiter verfolgt hat, um die fundamentale Differenz zu WN plastisch zu machen.
Die Rückbinduiig von Theorie an die politische Praxis im Gefolge des Mai 1968, deren Vorboten er im Vorfeld der tunesischen Revolten erlebte, bedeutete füir ihn eine fundamentale Wende. Er sah sich auf elementare Weise in die Gescliiclitliclikeit des Wissens geworfen wie - in seinen eigenen Worten- ein »auf den Meeresgrund gesunkener Tauclier, den ein plötzlicher Sturm an den Strand schwemmt«. Diese Erfahrung, so resümiert er noch 10 Jahre später, habe eine außergewöhnliche Bedeutung für ihn gehabt. Ohne jenes Klima der Auseinandersetzungen wäre es ihm nicht möglich gewesen, das zu Gefängnissen, zur Delinquetiz und zur Sexualität zu machen, was er gemacht habe. Und noch 1980 erklärt er, sein Buch über die Gefängnisse (»Überwachen und Strafen«) als Resultat der Erfahrungen des GIP. als Diskursralimen, im dem sich die Gefangenen selbst zur Geltung bringen konnten. Weit entfernt von der Funktion einer Diskussionsplattform für Reformen habe sich die GIP folgerichtig auflösen können, als die alten Gefangenen ihre eigene Bewegung organisieren konnten. 111 Gefängnisse, Psycliiatrien, Gesundheitswesen, Familie blieben für iliii die Orte, die Felder, die Bereiche für die »aufsteigende Analyse der Macht«: »Man muss vielmehr eine aufsteigende Analyse der Macht machen, d.ii. von den unendlich kleinen Mecliaiiisi-neii ausgehen, die ihre Geschichte, ihren Ablauf, ihre Technik und Taktik haben und dann ergründeii, wie diese Machti-neclianist-nen von immer allgemeineren Macliti-necliaiiisineil und
Koiisolidieiuiig dcr gesellschaftlichen Totalität, die liitegratioiis- ulld Vergeineiiiscliaftuiigsprobleinatik iiiiiiint allerdings breitereii Raum eili. Das Selbe gilt für das Verhältnis zwischen »'I'rutli, Power, Self«, zwischeu Wahrheit, Macht und Selbst, dass das Spannungsverhältnis zwischen Selbstkonstitutioil, Identität und Vergemeinschaftuiig umreißt und vor allem im amerikanischen Kommunitarismus abgehandelt wird. Es ist nicht erstaunlich, dass diese ihematisclie Verlagerung vor allein im Rahmen seiner Aufenthalte in deii USA sichtbar wird (vgl. »I'ruth, Power, Self«, Unterhaltutig mit R. Mattin in P.H. Hulton et al (eds) Technologies of the self. A seminar with Michel Foucault, Amherst 1988, S. 9-15 oder "nie Political Technologie of Individuals« ebeiida, S. 145-162. D. Trombadori, Cojiversazione coii Michel Foucault, 11 contributo 1/ 1980,S.23-84(abgedi-ucktinDitset@critsll,S.860,hierS.900;»'I'oujours les prisons, Esprit, 1/1 980, S. 184f. abgedruckt in Dits et @ci-its 1 1, S. 915f@)
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