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Charch schrieb am 31.8. 2000 um 04:08:26 Uhr über

Ritter

DIE RITTERERHEBUNG IM 12. UND 13. JAHRHUNDERT
eremonielle Erhebungsformen sind als Zeugnisse des Selbstverständnisses der auf den Hof orientierten Adelsgesellschaft zu interpretieren. Die Wirklichkeit wird nicht proportionsgetreu wiedergegeben. Alltäglichkeiten werden verkürzt oder unterdrückt. Idealbilder werden entworfen.
Berichte über die Wehrhaftmachung junger Germanen sind schon durch Tacitus überliefert. Seit dem frühen 9. Jh. häufen sich die Belege über die Wehrhaftmachung junger Adliger.
Seit der Mitte des 12. Jhs. wird die Umgürtung mit dem Schwert üblich (cingulum militare). Zu diesem Zeitpunkt entsteht auch der Begriff Schwertleite bzw. Schwert leiten.
Der Ritterschlag (colée, alapa) ist in Frankreich seit dem Ende des 12. Jhs. überliefert.
Altfrz. - aduober = bewaffnen, ausrüsten.
Die Schwertleiten sind dem Adel zuzuordnen.
In der Epik und der Geschichtsschreibung gelten König, Fürsten und Herren als Erheber. Der neue Ritter wurde zur Erfüllung seiner Ritterpflichten ermahnt. Ebenso wurde er zur Wahrung der ritterlichen Ehre aufgefordert. Beim Einzug der Beteiligten wurden Musiker an der Zeremonie beteiligt. Die Musiker mögen beispielsweise auch gespielt haben, um Längen in der Zeremonie zu überbrücken. Bei der Erhebung von Königs- und Fürstensöhnen wurde eine große Zahl ihrer Gefolgsleute ebenfalls bewaffnet und mit dem Abzeichen der Ritterwürde geschmückt.
Die Rittererhebung fand vorzugsweise an kirchlichen Feiertagen wie Ostern, Pfingsten, Weihnachten, St. Michael, Johannes der Täufer und ähnlichen Tagen statt.
Unter anderem dadurch wurde ein Bezug zur Kirche geschaffen. Der Klerus versuchte Einfluß auf die Rittererhebung zu gewinnen. Teilweise wurden Erhebungszeremonien von Bischöfen zelebriert. Bei der Ritterweihe wurde das Schwert des zukünftigen Ritters vom Altar genommen und nach Worten des Schwertsegens umgebunden. Der Text ist vom Krönungsordo abgeleitet. Der Schutz von Witwen und Waisen sowie der Schutz von Christen vor Heiden wird auf den einzelnen Krieger übertragen. Die höfische Adels-Schwertleite ist spätestens seit der Wende zum 13. Jh. nicht mehr ein rein weltliches Fest.
Die Schwertleite ist Ziel und Abschluß der letzten Phase unselbständiger Jugend. Neue Anforderungen stellte die adlige Gesellschaft an den Inhalt der Erziehung. War Tüchtigkeit im Waffengebrauch um die Mitte des 12. Jhs. das entscheidende Kriterium für die Verleihung des Rittertitels an junge Fürsten und Herren, so wurde Jahrzehnte später auch die Beherrschung höfischen Wesens verlangt.
Durch die Schwertleite oder Vermählung wurde mit früheren Lebensformen gebrochen. Die Entscheidung für den weltlichen Stand fiel u.a. wenn ein Adliger den Mönchs- oder Klerikerstand verließ, um das Schwert zu leiten. Ausnahmslos erlangt der neue miles durch die Schwertleite das Recht, selbständig das Schwert zu führen und in eigener Verantwortung in Turnier und Krieg anzutreten.
Die Umgürtung mit dem Schwert ist oft eine Mündigkeitserklärung. Das Regelalter bei Schwertleiten ist ca. 20 Jahre, konnte aber jenseits der Kindheit in jedem Alter gefeiert werden. Die Rittererhebung wurde zu einem Zeitpunkt eingesetzt, der den größten politischen Nutzen erwarten ließ. Wichtige Anlässe waren die Einsetzung ins Erbe bzw. in die Herrschaft durch Belehnung. Weitere Gründe waren die Vorbereitung einer Eheschließung und sehr oft die Hochzeit.
Es bestand eine sehr nahe Verbindung, eine Art Patenverhältnis aber auch Loyalitätspflicht gegenüber demjenigen, der die Zeremonie veranstaltete. Es versteht sich, daß man sich bemühte, eine Person von herausragendem Rang, möglichst den König selbst zu gewinnen.
Die Schwertleite verstärkte die Rechtsposition eines sehr jungen Erben.
Doch nicht jeder Adlige mußte die Zeremonie feiern. Man konnte in die ererbten oder erworbenen Rechts- und Machtpositionen hineinwachsen, ohne das Schwert geleitet zu haben.
Andererseits konnte man auch in jungen Jahren das Schwert leiten ohne in eine selbständige Herrschaftsausübung entlassen zu werden. Ein Beispiel bietet die Schwertleite der beiden Söhne Barbarossas.
Dem geselligen Charakter des Festes fügte man oft noch eine besondere Note hinzu, indem man zu Ehren des neuen hochadligen Ritters zusammen mit ihm eine Vielzahl von Altersgenossen, von commilitones, erhob. Gelegentlich verlieh ihnen auch der neue Ritter selber die Würde, anscheinend in einer summarischen Prozedur. Der Hauptperson des Festes waren diese Kommilitonen nicht ebenbürtig. Der soziale Unterschied zeigte sich durch die Beschenkung der Kommilitonen an. Sie bekamen wenigstens Kleider, aber meistens auch Rüstung und Pferd.
Weitere Zeremonien wurden von der höfischen Gesellschaft eingeführt, das Bad und das Fasten am Vortag der Erhebung sowie die Nachtwache in der Kirche ohne die Beteiligung der Festgesellschaft. Das Gemeinschaftserlebnis der Ritterkandidaten schuf ein Band von Loyalität und Freundschaft.
Solche höfische Massenpromotionen verursachten enorme Kosten. Die finanzielle Last wurde auf die Vasallen und Untertanen abgewälzt. Eine Sondersteuer (Vierfallbede) wurde bei der Schwertleite des ältesten Sohnes, der Hochzeit der ältesten Tochter, bei einem Kreuzzug oder der Gefangenschaft des Herren erhoben.
In der Form der Erhebung hat es Abstufungen gegeben, die dem unterschiedlichen Rang der Erhobenen Rechnung trugen. Zu Zeremonien von Massenpromotionen kann man keine genauen Aussagen machen. Mitteilungen der erzählenden Quellen sind lakonisch und formelhaft gehalten. Die größte Anzahl der Ministerialen mußte sich mit einem summarischen Erhebungsverfahren zufriedengeben, war aber durch die höfische Schwertleite in die Gemeinsamkeit des Rittertums einbezogen. Der förmliche Aufnahmeakt war das Tor durch welches Aufsteiger Aufnahme in den Ritterstand fanden. Das angeborene Recht auf diesen Status Ritter hieß, die Teilnahme an der adligen Lebensform, das Recht auf volle Bewaffnung auf Belehnung und Gerichtsstand zu realisieren und auf Lebenszeit zu behaupten.
An den Höfen deutscher Fürsten und geistlicher Herrschaft wurden jährlich, an festgesetzten Terminen, Belehnungen von Ministerialen auf diese Art vorgenommen, um auf diesem Weg Schwerbewaffnete zur Heerfolge zu gewinnen.
Vor allem Barbarossa versuchte, die Unterschreitung eines Standesniveaus zu verhindern. Ritter sollten nur Angehörige der Gruppe werden, die in adelsgleiche Positionen aufgestiegen waren.
Durch die Erhebungszeremonie bei miles Promotionen ergaben sich eine Fülle rechtlicher, sozialer und politischer Funktionen, die erfüllt werden konnten. Die Funktionen unterschieden sich nach dem Rang der Erhobenen. Für Angehörige des hohen Adels gab es keine rechtliche Notwendigkeit, wohl aber eine gesellschaftliche, die Ehre berührende Pflicht, sich zum Ritter erheben zu lassen. Sie wurden bei dieser Gelegenheit in die Gesellschaft eingeführt. Loyalitäts-, Bündnis- und Freundschaftsbindungen wurden durch die Zeremonie begründet. Neue rechtspolitische Situationen wurden geschaffen.
Hingegen hatte ein Ministeriale, der in den Ritterstand aufsteigen wollte, keine Wahl sich der Zeremonie zu entziehen. Seine Rechte und Pflichten in der Adelsgesellschaft wurden durch den Erwerb des »Ritter«-Namens konstituiert. Fürsten und Herren, die Ministerialen zu Rittern erhoben, nutzten die Zeremonie zum Ausbau der Lehnsmannschaften.
Die Erhebungszeremonien waren auf verschiedenen sozialen Ebenen ebensowenig identisch wie das durch die Zeremonie erzielte Ergebnis: »Ritter war nicht gleich Ritter«.
Den Ministerialen gelang es aber durch die Erhebung einen Platz in der Adelsgesellschaft zu erlangen und tatsächliche, erworbene Stellungen zu verrechtlichen.


zusammengestellt von Hans F. Blaß aus:

»CURIALITAS« , herausgegeben von Josef Fleckenstein
S.128-170 Elsbeth Orth , 'Formen und Funktionen der höfischen Rittererhebung'
Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen , 1990
Veröffentlichungen des Max-Planck



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