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Peter K. schrieb am 29.12. 2006 um 11:53:57 Uhr über

Schläge

Gewalt - ob phyische oder psychische, mittelbare oder unmittelbare, direkte oder strukturelle - ist ein ungeheuer effizentes Mittel der Machtausübung, das indessen äusserst differenzierter, kluger und vor allen Dingen: sparsamsten Einsatzes verlangt, soll sie dem Opfer, dem Objekt der Gewaltausübung nicht dauerhaft gegenüber dem Subjekt einnehmen, seine Autorität untergraben, und zum Tyrannen werden lassen - dauerhafte Gewaltanwendung ist nichts anderes als Tyrannei, ganz im Sinne der historischen Bedeutung der Tyrannis im antiken Griechenland (und frühem Rom).

Mit Gewaltausübung geht stets zugleich eine Demütigung für das Opfer aus - der Gewalttäter wird zum »kleinen Tyrannen«, vollkommen gleichgültig um es sich um den Vollzug einer auch im Sinne materieller Gerechtigkeit, also mit hoher Chance auf allseitige Zustimmung verbundenen gerichtlichen Entscheidung, einer Ohrfeige eines Vaters gegenüber seinem Kind, eines Führers gegenüber seinem Hund, oder sonstigen gewaltgeneigten Verhältnissen handelt - wobei ich mich indessen frage, welches soziale Verhältnis (in des Wortes weitestem Sinne) eigentlich nicht gewaltgeneigt sein sollte.

Gewalt stört empfindlich jede Bereitschaft echter Kooperation. Der Gewaltunterworfene kooperiert ausschließlich aus Angst. Für ihn bestehen nur drei Alternativen:

Er akzeptiert die über ihn ausgeübte Gewalt, ein willenloses Sklavendasein im extremsten Sinne - die völlige Selbstaufgabe. Für den Gewalttäter ist dies psychisch schmeichelhaft und mit dem Vorteil verbunden, sich auf roboterhaften Gehorsam relativ weitgehend verlassen zu können. Es hat den extremen Nachteil, daß echte Kooperation unterbleibt, und der Sklave zum völlig initiativlosen Diener degeneriert. Er bleibt damit weit hinter seinen Potentialen zurück, und ist auf dauernde, konkrete Befehlsstrukturen angewiesen, der »Mehrwert« seiner Beherrschung tendiert gegen Null - ein Sklave bedeutet häufig keinen Machtzuwachs, sondern lediglich eine Belastung für den »Herrn«.

Er hofft zuversichtlich, daß das Gewaltverhältnis ohne weiters Zutun ende, fügt sich äusserlich, und bemüht sich, daß Gewaltverhältnis möglichst konfliktfrei auszuhalten und »zu unterlaufen«. Klassische Beispiele dürften Gefängnis und erzwungener KriegsdienstWehrdienst«, »Friedensdienst mit der Waffe«) sein. Diese Hauptform der Gewaltverhältnisse ermöglicht es, Aktivität und Initiative des Gewaltunterworfenen aufrecht zu erhalten. Es ist ferner mit dem Nachteil verbunden, daß der Gewaltunterworfene jede Möglichkeit zu nutzen sucht, durch »Avancement« im Gewaltverhältnis selbst Anteil an der Gewalt zu erlangen, und den Gewalttäter ganz oder teilweise zu ersetzen. Dies kann aber auch bei geschickter Handhabung sehr effizient funktionieren, indem Gewaltopfer durch marginale Teilhabe an der Gewalt auf die Täterseite gezogen werden - Beispiel: das »Capo-Unwesen« in Konzentrationslagern und ähnlichen Einrichtungen.

Die dritte Alternative ist der Widerstand bei sich bietender Gelegenheit. Jeder Mensch, auch der schwächste und erbärmlichste, kann den Stärksten und Mächtigsten töten, wenn sich die Gelegenheit ergibt. Dieser Umstand ist es eigentlich, der den Menschen vom Tier unterscheidet - so jedenfalls interpretiert Carl Schmitt (zustimmend) die Grundlegung Staatsphilosophie von Hobbes. Der Unterworfene, sofern er nicht getötet wird, sinnt bei äusserlicher Unterwerfung ununterbrochen nach Ausbruch aus dem Gewaltverhältnis und Unschädlichmachung oder gar Tötung des Gewalttäters. Gewinnt er die Gelegenheit zum Handeln, muß der Gewalttäter damit rechnen, selbst zum Gewaltopfer zu werden.

Aus alldem ergibt sich, daß Gewaltanwendung, soll sie Autorität begründen und Herrschaft schaffen oder stabilisieren, nur so angewandt werden soll:

1. So kurz, so effektiv, so schnell und gründlich wie möglich - ohne langanhaltende Prozeduren.

2. So verborgen wie möglich - es sei denn, die Gewaltanwendung dient zur Erzeugung von Angst von Menschen vor Menschen, die aber ihrerseits nur eine Form der strukturellen Gewalt ist.

3. Dem Opfer der Gewaltanwendung muß eine effektive Chance auf erneute Integration in ein kooperatives Verhältnis geboten werden, dem geprügelten Schüler ist sozusagen vom Lehrer aus die Hand zu reichen. Dies ist psychologisch äusserst schwierig, da eine solche Handreichung leicht wie eine zusätzliche Demütigung wirken kann - also ganz das Gegenteil dessen bewirkt, was sie bewirken soll. So ist zum Beispiel die förmliche Ehrung, die Auszeichnung, die Übergabe eines Geschenkes eine solche Geste. Schöne Beispiele liefern die kunstvoll differenziert ausgestalteten militärischen Auszeichnungen und Ehrungen, die demjenigen verliehen werden, der sich am freudigsten der Gewalt unterworfen hat - »Tapferkeitsmedallie«.

Ein weiteres Beispiel hierfür bietet die alsbaldige förmliche oder faktische Amnestierung von Gewaltverbrechern mit revolutionären Motiven und Zielen. Ihre Amnestierung, ja Ehrung (IRA, Arafad/PLO, Bündnis90/Grüne) dient dazu, sie in das bestehende Herrschaftsverhältnis auf Seiten der Herrschenden zu integrieren.

Im Arbeitsverhältnis - und ähnlichen Herrschaftsverhältnissen - beispielsweise ist eine häufig und effizient erprobte Methode der Integration die Beauftragung des Gewaltopfers - z.B. eines abgemahnten Arbeitnehmers - mit einer zeitlich und von ihrer Bedeutung her begrenzten anspruchsvollen und vertrauensvollen, indessen keinesfalls die Fähigkeiten des Untergebenen überfordern Sonderaufgabe, die z.B. aber auch ein besonderes Opfer: Überstunden, unangenehme Dienstreise etc. - erfordert. Der Untergebene versteht dies ganz recht als Bewährungsprobe, und leistet regelmässig eine brilliant mittelmässige Arbeit, die vom Vorgesetzten indessen ausserordentlich gelobt wird, und mit einem kleinen Geschenk - in früheren Zeiten: die berühmt-berüchtigte Zigarre vom Hauptmann - gewürdigt wird. Regelmässig erfahren derartige »kleine« Geschenke einer enormen, dem Anlaß angemessenen Würdigung durch den Untertan.


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