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Gronkor schrieb am 26.9. 2008 um 17:56:49 Uhr über

Pilze

Eine Geschichte, erdacht und niedergeschrieben von meinem guten Freund Kled von Schnitzler:



Der dialektische Wichtel


Es war einmal eine arme Bauernmagd namens Greta, die war dem reichen Sohn des Gutsbesitzers zugetan. Doch nachdem dieser mit ihr zu wiederholten Malen an verschwiegenen Örtern zusammengekommen war, machte er ihr deutlich, dass eine weitere Verbundenheit, insbesondere eine eheliche Verbindung aufgrund seines hochgestellten Standes nicht möglich sei. Darob war die brave Greta derart betrübt, dass sie gedachte, ihrem armseligen Leben ein schnelles Ende zu setzen. Sie schritt dessentwegen in den tiefen Tann, dorthin wo er über hundert Meilen tief ist; einige alte Bauersleute munkeln gar nach dem Genuss des zehnten Wurzelpeters, er ginge ins Bodenlose.

Wie sie betrübt ihres Weges schlurfte, sah sie mit einem Male unter einer gewaltigen Zirbelkiefer eine Versammlung der purpurnsten Fliegenpilze leuchten, die ihr jemals untergekommen waren. Ihr scholl noch der weise Rat der guten Großmama im Ohr, diese Pilze seien giftig, und dessenthalben verspeiste sie, um ganz sicher zu gehen, gleich drei der rotbehüteten Gesellen und legte sich zum Sterben nieder; tatsächlich schwanden ihr bald die Sinne.

Sie erwachte von einem bitterlichen Schluchzen. Erstaunt erhob sie sich, denn sie war noch am Leben, doch siehe! Wie hatte die Welt sich verändert! Die Natur ringsum leuchtete in den mannigfaltigsten Farben, und die Pilze schienen bedeutend gewachsen zu sein. Unter einem der großen Pilze aber hockte ein Wichtelmann mit roter Mütze und langem Bart und jammerte so kläglich, dass ihr schier das Herze im Leibe zerspringen wollte: Ach, ach und abermals ach! Die anderen werden mich wohl niemals verstehen!“ – „Was werden die anderen nicht verstehen?“ fragte Greta mitleidig. „Na, ganz einfach die Notwendigkeit der Expropriation der Expropriateure“, seufzte das Männchen trübsinnig. „Expopi- was?“ stammelte Greta, der die Worte des Wichtels wie böhmische Dörfer klangen, über welche der Steppenwind wie mit hartem Besen hinwegfegt. Der Wichtel blickte empor und stutzte. „Wo kommst du denn her? Wer arr ju fromm? Parle wüh daddeldüh?“ Bei diesen rätselhaften Worten erhob er sich, drehte sich einmal um die eigene Achse und zog höchst possierlich seine Mütze. Greta mußte trotz ihres großen Kummers lachen. „Aber Herr Wichtel“, begann sie, doch da fuhr er ihr erzürnt in die Rede: „Mein werter Name ist, bittesehr, Noniplenusakriphysiradikiki Psylophilikakus Schlenzikumersus“, giftete er. Schnaubend schüttelte er das Haupt. „Von wegen Herr Wichtel!“-Verzeiht mir, Herr, äh....“ murmelte Greta, doch der Kleine wurde freundlicher. Also gut in Dreiteufelsnamen, nenne mich einfach Psyli“, gestattete er ihr mit gnädigem Augenaufschlag. „Aber sage mir, mein Kind, was suchest du hier?“

Da schüttete Greta ihm ihr Herz aus. Psylis Gesicht verfinsterte sich mehr und mehr. „Dieser Schuft! Dieser jämmerliche Bourgeois! Er hat dich doch gar nicht verdient! “-Mich nicht verdient? Aber er ist doch so ein reicher, vornehmer Herr“, entfuhr es Greta. Da war sie aber an den Rechten, besser gesagt an den Linken geraten! Der Wichtel wurde munter, als sei er in eine Kaffeetasse gefallen. „Warum ist denn dein feiner Lackel so reich? Wer schafft denn durch harte Arbeit seinen Reichtum? Das bist doch wohl du und deinesgleichen!“ Und schon hielt er der armen Greta eine marxistische Vorlesung, dass es nur so rauchte, weshalb die alte Frau Eule bereits die Waldfeuerwehr alarmierte. Hauptmann Buchfink kam geeilt und leerte einen Eimer mit Wasser aus, das auf Psylis Schädel gleich verdampfte. Ernüchtert kam er zum Schluss seiner Rede. „Also merke dir gut das Zauberwort: SOLIDARITÄT!!!!!“ schrie er Greta dann ins Ohr. „Haltet zusammen gegen eure Ausbeuter! Ohne eure Arbeit und eure dumme Speichelleckerei sind sie nichts! Dein galanter Geck ist nicht mehr wert als ein feuchter Furz!“ Und um seine Worte zu bekräftigen, ließ er flugs einen solchen streichen. „Gehe hin und verkünde: Wer arbeitet, dem soll die Welt gehören!“

Erschöpft brach er sich einen großen Happen vom Fliegenpilz und schob ihn in den Rachen. Potztausend, begannen seine Äuglein da zu glühen! Er sprang flugs auf die Kappe des größten Pilzes und tanzte dort ein atemberaubendes Konglomerat aus Kasatschok, Twist, Mambo, Lipsi, Rheinländer und Ententanz, bis er mit einem Male umkippte, ins Gras rutschte und lauthals zu schnarchen begann. Greta ließ ihn ruhen und eilte zurück ins Dorf, um die anderen zu agitieren, denn des Wichtels Worte hatten bei ihr großen Eindruck hinterlassen.

Dank des gnädigen Schicksals hatte die Gutsbesitzersgattin just das gesamte Vermögen in Monaco verjubelt, das Gut geriet unter den Hammer und konnte von den Bauern, die ihr Erspartes zusammenlegten, zu einem Spottpreis erworben werden. Sie gründeten sodann eine florierende landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft, deren Vorsitz natürlich unsere tapfere Greta übernahm und die zu Ehren des weisen Wichtels den Namen Noniplenusakriphysiradikiki Psylophilikakus Schlenzikumersus erhielt. Von dem ehemaligen Gutsbesitzersohn, der nun freilich seinerseits wieder sehr sein Interesse bekundete, wollte Greta nichts mehr wissen und heiratete stattdessen- na wen schon? - den Melker, den fleißigen Franz. Doch gerade, als sie ihm beseligt unter dem Jubel der Produktionsgenossen einen langen Kuss auf die Lippen drückte, verdunkelte sich plötzlich das Bild und das WortEndeerschien vor ihren Augen.

Verwirrt richtete sie sich auf. Lag sie denn noch immer im Wald? War das alles nur ein schöner, bunter Traum gewesen? Schon wollte sie verzagen, da fiel ihr ein: So einfach fällt einem das Glück wirklich nur im Traum oder im Märchen in den Schoß. In Wirklichkeit braucht es lange, mühselige Kämpfe dazu! Aber: Wollen doch mal sehen, ob das Zauberwort nicht tatsächlich Wirkung zeigt. Die Pilze waren nicht schlecht! Der Wichtel hatte recht! Und: Der Franz ist eigentlich gar nicht mal so übel!

Und so sammelte sie sich noch eine Schürze voll der schönsten roten Pilze und lief zurück ins Dorf, um ihren Traum zu verwirklichen.


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