»Reiz-loses Spiel« - Sensorische Deprivation
(auch: Sensory Deprivation, SD, Sinnesentzug)
Begriffsdefinition
Deprivation: Allgemeine Bezeichnung für einen Zustand des Entzugs, des Mangels oder der
Entbehrung. Psychologen/Pädagogen sprechen von einer Deprivation im Zusammenhang mit
dem Mangel von etwas (soziale Deprivation (soziale Isolation, Kontaktmangel), sensorische
Deprivation (Reizentzug oder ständig gleichbleibende Reizsituationen (Monotonie)), ...)
Sensorische Deprivation: Zustand hochgradiger Reizisolation (Abschirmung von visueller und
auditiver Wahrnehmung, Verhinderung taktiler (Tast- und Greifsinn) und olfaktorischer
(Geruchsorientierter) Wahrnehmung).
Sinnesentzug
Legt man beispielsweise eine Versuchsperson in einem ruhigen, dunklen Raum auf eine weiche
Liege und bindet sie dort fest und entzieht der Person des weiteren das Sehvermögen durch
eine Milchglasbrille und schränkt zudem die auditive Wahrnehmung durch weißes Rauschen ein,
so wird als Folge dieser Umstände bei der Person das Verlangen nach Sinnesreizen und
Körperbewegung ansteigen. Je länger dieser Zustand der Deprivation andauert, desto mehr
lassen sich bei dem Betroffenen Störungen des normalen Denkablaufs,
Konzentrationsschwäche, depressive Verstimmungen und in einzelnen Fällen auch
Halluzinationen beobachten. [nach Jungwirth & Kaimberger, Linz 1998]
Der völlige Entzug von Reizen kann allerdings auch zur Entspannung genutzt werden. Dies wird
gerne von den Befürwortern von Meditations-Tanks (auch Samadhi Tank, Floating Tank)
genutzt. Die Person liegt in einem Licht- und Schallisolierten, mit Salzwasser (Bittersalz,
MgSO4 = Magnesiumsulfat) gefüllten Tank und schwebt darin sozusagen schwerelos unter
Ausschluss audiovisueller Wahrnehmung.
Reiz-loses Spiel ...
Im Zusammenhang mit einem Spiel im BDSM Kontext spielen vermehrt auch noch andere
Aspekte eine Rolle.
Der Passive befindet sich in einer Situation, in der seine normale Wahrnehmung stark
eingeschränkt ist. Der Entzug von Umgebungsinformationen (Hören, Sehen, Fühlen, Riechen),
führt dazu dass die Hilflosigkeit und das Gefühl der Hilflosigkeit des Passiven gesteigert wird.
Des weiteren ist er seiner aktiven Handlungsfähigkeit beraubt, da er Entscheidungsprozesse
aufgrund fehlender Umgebungsinformation, nicht mehr selber durchführen kann.
Aktionen kommen für ihn u.U. sehr überraschend und er hat keine Möglichkeit sich darauf
einzustellen. Er ist der Mechanismen beraubt, die es ihm normalerweise erlauben sich körperlich
und psychisch auf eine Situation einzustellen bzw. vorzubereiten um entsprechend reagieren
zu können. Flucht- und Schutzinstinkte sind zwar weiterhin aktiv, werden aber nicht mit den
notwendigen Informationen versorgt. Dies kann im Einzelfall zu starken Angstreaktionen
führen.
Die Beschränkung einzelner Sinne hat häufig eine Schärfung bzw. Intensivierung anderer
Sinneswahrnehmungen zur Folge. Jemand, der nicht sehen kann versucht sich verstärkt
anhand seines Hörsinns zu orientieren und das Gehirn konzentriert sich stärker auf dieses
Sinnesorgan.
Effekte sensorischer Deprivation auf den Passiven:
Steigerung der physischen Hilflosigkeit
Verstärkung des Gefühls der Hilflosigkeit, des »Ausgeliefert seins«.
Einschränkung der aktiven Handlungsfähigkeit, aufgrund fehlender Umweltinformation
Aktionen sind für den Passiven nicht mehr vorhersehbar (Überraschungsmoment)
Intensivierung einzelner Sinneswahrnehmungen
Verlust des Zeitgefühls und der Orientierung
Negative Effekte
Angstzustände
in seltenen Fällen oder nach längerer Zeitdauer können Halluzinationen auftreten
u.U. länger anhaltende Orientierungslosigkeit
Diese Eingangs erwähnte Hilf- und Orientierungslosigkeit wird häufig in ein gesteigertes
Anlehnungsbedürfnis an den Aktiven/Top umgesetzt. Voraussetzung dafür ist ein sehr hohes
Maß an Vertrauen, das ohnehin die Basis einer solchen Aktion sein sollte. Andernfalls können
starke Angstreaktionen die Folge sein.
Techniken
Augenbinden und Ohrstöpsel sind relativ weit verbreitet und leicht anzuwenden. Schwieriger
ist es taktile Reize auszuschalten. Unter Gummiliebhabern sind (Latex/Gummi-)Vakuumsäcke
(auch Latex Bett) recht beliebt, da sie bei ausreichender Dicke es fast unmöglich machen
externe Reize wahrzunehmen. Leider sind solche Teile recht teuer. Bei Verwendung von
Vakuumsäcken ist besonders auf die sachgemäße Verwendung zu achten damit der Passive
ausreichend Luft zum Atmen bekommt.
Oftmals erfüllen auch einfache Fäustlinge aus Leder oder Latex bereits den Zweck den
Tastsinn einzuschränken
Die Ausschaltung von einzelnen Teilen der Wahrnehmung, kann vielfältig genutzt werden.
Insbesondere um andere Reizwahrnehmungen zu verstärken. Spiele mit Wachs, Eis, Nadeln
oder leichten Schlägen können zu einem unvergleichlich intensiven Erlebnis werden.
Die Intensität dieser Erfahrung macht es bei SD-Spielen besonders wichtig den Partner gegen
Ende des Spiels langsam und zärtlich wieder in die »Realität« zurückzuholen und ihn mit viel
Zärtlichkeit aufzufangen. Grelles Licht und Reizüberflutung durch vielfältige oder intensive
Reize sind in diesem Moment sicherlich nicht angebracht. Gebt eurem Partner Zeit sich wieder
an die Umgebung anzupassen.
Gefahren
Gefahren bei SD-Spielen sind Halluzinationen, Angstzustände und Orientierungslosigkeit - aber
auch Unfälle verursacht durch Unachtsamkeit des Aktiven. Es ist oft schwer sich in die
Situation des Partners einzufühlen und seine Aktionen und Reaktionen vorherzusehen.
Hinweise zur Sicherheit
Man sollte den Passiven in einer solchen Situation nicht alleine lassen, insbesondere, wenn er
sich in einer Lage befindet in der er seinen Zustand selber nicht verbessern kann (z.B. keine
Möglichkeit hat die Augenbinde abzunehmen, weil er gefesselt ist). Durch seine Hilf- und
Orientierungslosigkeit ist er potentielles Opfer für Unfälle (Stürze, Verbrennungen durch
Kerzen, etc.). Plötzlich ausbrechende Angstzustände können zu unvorhersehbaren körperlichen
Reaktionen führen (Hyperventilation, Schock, Kreislaufprobleme).
Deshalb, wenn ihr und euer Partner sich auf dieses hochinteressante Spiel einlasst, dann nur
wenn ihr euch gegenseitig volles Vertrauen schenken könnt und ihr bereit seid auf euren
Partner 110%-tig aufzupassen und bereit seid sein Schutzschild vor allen Gefahren zu sein.
Anfängern sei besonders empfohlen sich langsam heranzutasten und die Sinneswahrnehmung
des Partners langsam und schrittweise einzuschränken. Es fällt so leichter die Reaktionen des
Partners darauf einzuschätzen und einen »Absturz« zu vermeiden. Ungewollte Angst- oder
Panikreaktionen können so eher vermieden oder im Vorfeld abgebaut werden.
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