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the-music-man® schrieb am 8.5. 2009 um 11:00:28 Uhr über

Toki-Pona

Um 80 Prozent aller geschriebenen Texte zu verstehen, genügen dem Durchschnittsleser rund 1000 Wörter der jeweiligen Sprache. Doch Sonja Elen Kisa (geboren 1978) wären diese 1000 Wörter vermutlich schon viel zu komplex. In ihrer Arbeit als Übersetzerin (Englisch, Französisch, Esperanto) hat die Kanadierin sich mehr als einmal über die Kompliziertheit der Sprachen geärgert und versuchte seitdem, ihren inneren Sprachfrieden zu finden. 2001 veröffentlichte sie das Ergebnis: Die minimalistische Plansprache „toki pona“ (zu deutsch: „Die gute Sprache“).

toki pona zur Einführung
Der Minimalismus beginnt schon beim Alphabet. Während sich mit a, e, i, o und u noch alle Vokale wiederfinden, hat sich die Zahl der Konsonanten auf neun verringert. J, k, l, m, n, p, s, t und w reichen vollkommen aus. Viele Schüler würden sich vermutlich über diese Vereinfachung freuen. Nur noch das halbe Alphabet lernen!

Weiter geht der Minimalismus auch in Sachen Phonologie. Die Vokale werden nur lang ausgesprochen (wie inVateroderHof“) und die Konsonanten bleiben im Vergleich zum Englischen oder Deutschen lautlich unverändert.

Auch die erste toki pona-Regel zur Rechtschreibung ist wenig kompliziert: Wörter werden stets klein geschrieben, auch am Satzanfang. Einzige Ausnahmen bilden so genannte unoffizielle Wörter, also Eigennamen von Personen, geografische oder auch fremdsprachliche Bezeichnungen. Weiter geht es mit den Wortarten. Hier gibt es ebenfalls keine großen Überraschungen: Substantive, Verben, Adjektive, Adverbien, Konjunktionen und Präpositionen. Alles wie gewohnt. Doch wie kommt nun der geringe Wortschatz zustande? Das Rezept scheint simpel:

Zutat 1: Man verpasst jedem Wort in toki pona zahlreiche Denotationen. So heißt in etwa „suli“ nicht nurlangodergroß“, sondern auchwichtig“. Oftmals ist die Wort- oder Satzgliedstellung eines Wortes für dessen tatsächliche Bedeutung entscheidend.

Zutat 2: Die geschickte Kombination von Wörtern erspart extra Bezeichnungen. Zum Beispiel wird ausjan“( „Mensch“) und „pakala“ („verletzt“) „jan pakala“, also einOpfer“. Dabei ist der Anzahl der kombinierbaren Wörter nach oben keine Grenze gesetzt.

Zutat 3: Numerus, Genus und Kasus werden kurzerhand abgeschafft (übrigens wie im Japanischen).

Zutat 4: Weiterhin entfallen Konjugation und Deklination komplett.

Zutat 5: Das ach so wichtige Wörtchenseinfehlt und damit auch sämtliche Zeitformen. Ein Satz kann gleichzeitig die Vergangenheit, Gegenwart oder Zukunft beschreiben (siehe Grafik).

Die Auswirkungen dieses Rezeptes sind klar: Der Sprecher muss sich genau auf seine Aussage konzentrieren und seinen Fokus stets auf das Wesentliche richten. Für den Hörer soll so automatisch deutlich werden, welche Bedeutung tatsächlich gemeint ist.
Kann man in toki pona nun wirklich verständliche Sätze bilden? Ja, man kann. Ein typischer toki pona-Satz besteht aus einem Subjekt und einem Verb oder Adjektiv (Beispiel: „mi awen.“ -Ich warte./Wir warten.“). Komplizierter wird es bei komplexen Sätzen. Hierzu musste die Sprachentwicklerin Sonja Elen Kisa in die Trickkiste greifen. Damit man Subjekt, Objekte, verschiedene Verben oder auch Adverben und Adjektive voneinander unterscheiden kann, gibt es drei hilfreiche Wörtchen:

1. Mehrere direkte Objekte: „mi moku e kili e telo.“ -Ich nehme Wasser und Früchte zu mir.“ Dasezeigt an, dasskiliundtelobeides direkte Objekte sind und zu dem Verbmokugehören.

2. Mehrere Verben: „waso li lukin li moku.“ -Der Vogel schaut und isst.“ Daslimacht also deutlich, dass die beiden Verbenlukinundmokusich auf das gleiche Subjekt „waso“ beziehen.

3. Kombination von Substantiven und Adjektiven: „jan pi pona lukin.“ -Ein gut aussehender Mensch.“ Ohne daspi“, hieße der Satz: „Der Mensch sieht gut.“

Diese drei Wörtchen haben also keine eigene Bedeutung, verhindern aber innerhalb komplexer Sätze ein Verständnischaos. Dennoch ist ihr Gebrauch sehr gewöhnungsbedürftig.

Doch das waren noch lange nicht alle Besonderheiten von toki pona. Wer mehr erfahren möchte, dem seien die Homepages www.tokipona.org und http://rowa.giso.de empfohlen.

Die Lehren von toki pona
Was sind nun die Vor- und Nachteile von toki pona? Der größte Vorteil ist sicherlich die sehr kurze Lernzeit. Bereits nach einem Monat regelmäßigen Übens ist es möglich, toki pona mitsamt seinen 120 Vokabeln und seinen grammatischen Regeln zu beherrschen. Und für den alltäglichen Kaffeeklatsch reicht der Wortschatz allemal, doch für mehr auch nicht. An komplexen Begriffen scheitert die Sprache. Denn die 120 Basiswörter türmen sich sehr schnell auf zu tausenden (teilweise willkürlichen) Wortkombinationen, die wegen ihrer Mehrdeutigkeit nur schwer zu fassen sind.

Aber toki pona hat auch nicht den Anspruch, eine neue Weltsprache zu werden. Niemand hat vor, GoethesFaustin eine Minimalismusversion zu übersetzen. Vielmehr basiert toki pona auf den Lehren des chinesischen Taoismus. Die Beschränkung auf das Wesentliche bringen mehr Glück, als der Versuch der Komplexität und Hektik dieser Welt nachzurennen. Die Sprache soll in ihrem Ursprung und damit in ihrer Einfachheit verstanden werden. toki pona steht für sprachliche Bescheidenheit. So wird wohl niemand seine Doktorarbeit in toki pona verfassen. Aber jeder, der nicht nur die Regeln, sondern auch den Geist dieser Sprache begriffen hat, wird von sich sagen können: „toki pona li pona tawa mi.“ -Ich mag toki pona!“

(Netzfundstück)


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