Ich finde es schlimm, wenn in einigen Beiträgen Klimmzüge als eine Art Folter beschrieben oder sogar mit der Formulierung »Muskelmädchen mit stinkender Fotze« beschimpft werden.
Die Bevölkerung wird tendenziel immer übergewichtiger, körperlich weniger belastbar und damit kränker. Die Behandlung der Folgeschäden verschlingt jährlich Millardenbeträge. Nun gehöre ich nicht zu jenen, die die Krankenkassenbeiträge an den Nachweis regelmässigen Trainings knüpfen wollen. Das wäre etwa bei politisch sehr engagierten Personen oder auch bei schweren Depressionen hochproblematisch.
Was für ein Leistungsverständnis und Selbstwertgefühl muss eigendlich jemand haben, der Sportler in einer derartig unflätigen Weise beschimpft?! Obwohl ich ganz bestimmt kein Symphatisant der FDP bin, frage ich mich in solchen Momenten, ob ich dem Bild der »spätrömischen Dekadenz« von Guido Westerwelle mehr Verständnis entgegenbringen müsste, als ich das bisher getan habe.
Sind denn gerade bei Jungen kräftige Arme nicht auch sexuell attraktiv?
In meinen ersten Schuljahren war ich ein Bücherwurm und fast durchweg Einser - Schüler, aber ein körperlicher Schwächling, dem vor jeder Sportstunde graute und der damals gerade einmal einen halben Klimmzug schaffte und damit Gegenstand allgemeiner Heiterkeit war.Das änderte sich, als ich im Fernsehen Bilder von einem Workcamp sah, einem gemeinnützigem Freiwilligeneinsatz ähnlich den Lagern für Erholung und Arbeit in der DDR. Dort schuftete eine Gruppe klatschnass geschwitzter Jugendlicher, nur in kurzen Turnhosen auf einer Baustelle. Für mich waren das Helden, den ich trotz und gerade wegen meiner Depressionen, die mich von früher Schulzeit an begleiten und mein Dasein als in Bücher flüchtender Sportmuffel begünstigten, nacheifern wollte. So begann ich ein knallhartes Fitnesstraining, das mir den Schweiß in Strömen laufen ließ. Aufgeben kam nicht in Frage, auch, wenn ich oft danach den Wunsch verspürte.
Die Ergebnisse: Ab der 8. Klasse war ich auch im Kraftraining ein Einser - Schüler (ehrlicherweise in anderen Fächern wegen Depressionen infolge grausamen Mobbings wegen einer - auch fachärztlich festgestellten - Hochbegabung zum Schluß, als es am meisten darrauf ankam, nicht mehr). Bei uns in der DDR waren in den oberen Klassen die Normen 10 Klimmzüge, knapp 40 Liegestütze und 5 x 5 m Kletterstange. Darin habe ich nie etwas unmenschliches gesehen. Als Schüler leistete ich Ferienarbeit auf dem Bau: ausschachten, Gehwegplatten aufladen usw. Als Gärtnerlehrling habe ich den ganzen Tag in glühender Hitze auf die Strasse geschüttete Kohlen mittels Schubkarre eingebracht und im im Sommer unbenutzten Gewächshaus bei bis zu 62 Grad marode Wasserleitungen aufgeschachtet, die ein unfähiger Architekt oder der auf Bescäftigung um jeden Preis ausgelegte Reichsarbeitsdienst unterirdisch verlegen ließ, so das man den Schaden nur am Druckabfall merkte. Mit solch einer Haltung zur Leistung wie die der Autorin wäre ich vor Erschöpfung zusammen gebrochen. Was soll angesichts solcher Leistungsverachtung aus dieser Gesellschaft werden?! Deshalb begrüsse ich auch die geplante gesetzliche Verpflichtung, jedem Arbeitslosen bis 25 innerhalb von sechs Wochen eine konkrete und sinnvolle Ausbildung, Arbeit oder sonstige Förderung (zum Beispiel Drogenentzug) anzubieten und Weigerungen zu sanktionieren.
Bis heute leiste ich im Sommer, wenn es mir die Zeit als Politiker irgendwie erlaubt, knochenharte Freiwilligenarbeit auf dem Bau. Es ist ein wunderbares Gemeinschaftsgefühl, mit gleichgesinnten idealistischen Kameraden, die von einer besseren Welt nicht nur labern, klatschnass geschwitzt und mit vor Anstrengung zusammengebissenen Zähnen zu schuften. Vermutlich würde ich von der Autorin dafür ein »Macho mit stinkendem Sack« genannt werden. Was sie für den 12 - 18 - Stunden - Tag haupt-oder ehrenamtlicher Politiker für einen Ausdruck hätte, weiss ich nicht, ich fürchte aber, das der genauso menschenverachtend wäre.
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