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Ethnokelch schrieb am 6.12. 2002 um 13:33:05 Uhr über

DerSagenumwobeneKelchderKotze834

Das Magazin der Süddeutschen Zeitung wollte herausfinden, wie deutsches Essen in anderen Kulturkreisen ankommt, und schickte einen Fresskorb mit deutschen Spezialitäten in sechs verschiedene Länder der Erde. Einer davon landete in Kawangware, Nairobi, Kenia, bei Familie Mboya. Frau Florence Mboya (30), eine Haushälterin, berichtet im Folgenden von den Eindrücken die sie, ihr Mann Walter und ihre Kinder, der fünfjährige Maxim und das Baby Esther gewonnen haben.

»Eigentlich dachten wir: Jetzt gibt es mal richtig tolles Essen, etwas, das wir uns nie leisten könnten. Walter, mein Mann, wusste nicht einmal, wo Deutschland genau liegt. Ich musste ihm auch erklären, dass die Menschen dort sehr einsam sind und nicht wie wir in Familien leben. Jeder rackert für sich allein und verdient sehr viel Geld. Aber wenn sie alle so reich sind: Warum kaufen sie sich kein gutes Essen? So viel teures Fleisch drin, aber das meiste schmeckte eklig. Zuerst mussten wir mal die Nachbarschaft abklappern, um einen Dosenöffner zu finden. Walter hat das ausgeliehene Ding jetzt auch noch kaputtgemacht, weil keiner von uns weiß, wie der richtig funktioniert. Von der Leberspätzlesuppe wurde mir fast schlecht. Maxim hat sich halb tot gelacht. «Die Deutschen essen Hühnerkotsuppe!» Die Blutwurst hat uns dagegen gut geschmeckt. Leider war sie nicht so frisch wie die Blutwurst, die mein Vater immer am Victoriasee selbst gekocht hat, ein echtes Festessen. Auch das Eisbein schmeckte wirklich gut, obwohl es ziemlich seltsam aussah, wie rohes Fleisch mit Schleim. Die Pfälzer Leberwurst mit ihren grünen, braunen, weißen Flecken sah aus, als wäre sie verschimmelt. Walter probierte sie dennoch, er isst alles. Er sagte, es schmecke wie ekliger roher Fisch, einfach widerlich. Fische wie eure Kieler Sprotten werden bei uns wieder in den See geworfen: Mit Gräten, Kopf und Schwanz stinken sie. Dabei dachte ich immer, die Weißen würden alles waschen und desinfizieren. Bei den Kohlrouladen wussten wir endgültig, dass man uns ein wenig auf den Arm nehmen will. Walter musste das wieder allein probieren. Er sagte, es schmecke nach nichts. Ich sagte: «Sei froh! Stell dir vor, es würde so schmecken, wie die braune Sauce aussieht." Die Weißwürste sahen wie junge geschälte Bananen aus, ich dachte, das könnte was für Maxim sein. Aber als ich sie anfasste, merkte ich, hoppla, die fühlen sich aber sehr komisch an. Geschmeckt haben sie wie modrige Blätter aus dem Urwald! Und das essen die Deutschen zum Frühstück? Die Nürnberger Rostbratwürstchen haben uns allen geschmeckt, was für ein Glück. Wie unsere Würste. Unserem Baby Esther haben wir auch eine gegeben. Allerdings das Sauerkraut dazu, nein, das kann doch kein Kohl sein. Es schmeckte wie Plastik. Dann gab es leider gleich wieder eine grobe Enttäuschung: Königsberger Klopse. Diese dicke, pampige, weiße Sauce sah eklig aus und roch auch nicht gut, wie gammeliges Fleisch. Walter probierte sie, die Klopse kratzten ihn im Hals. Und die Kartoffeln dazu, absolut geschmacklos. Aber Esther mochte sie. Unser Baby mag geschmacklose Kartoffeln! Dann wollten wir den Schwartenmagen versuchen. Als wir ihn aufmachten, haben wir die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen: Um Gottes Willen, das sieht ja aus wie verfaultes Fleisch! Wir haben uns wirklich gefragt, ob sich die Deutschen ihr Essen nie anschauen. Aber zu unserer Überraschung schmeckte das wirklich gut, sehr gut sogar. Ja, das behalten wir, auch wenn wir beim Essen die Augen zumachen müssen.
Die Schweinskopfsülze, wieder ganz entsetzlich. Beim Linseneintopf dachten wir uns allerdings, dass euch ein Fehler unterlaufen sein muss: Das kann kein deutsches Essen sein! Sieht sehr schön aus, riecht hervorragend und schmeckt auch noch genauso wie unser Eintopf. Zuletzt die Süßigkeiten: Maxim und Walter mochten die Lebkuchen. Beim ersten Biss dachte ich auch, dass sie gut sind. Aber der Nachgeschmack ist sehr komisch, sehr bitter, so wie verbrannte Schokolade. Die Aachener Printen, wirklich ausgezeichnet. Ein bisschen hart vielleicht. Der Dresdner Christstollen: so hart wie Ziegelstein und auch noch bitter. Bayrisch Blockmalz, wieder ausgezeichnet. Diesen Geschmack kannten wir alle nicht. Solche Bonbons sollte es auch in Kenia geben!"

(Protokoll: Michael Bitala)
SZ-Magazin 6.12.2002


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