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Charch schrieb am 31.8. 2000 um 03:53:13 Uhr über

Ritter

Rittertum und ständische Ordnung

W
ährend bei den Germanen ursprünglich jeder Freie waffenfähig, jeder waffenfähige Bauer also ein Krieger war, engte sich bei den Franken der Kreis der Krieger ein, da mit der Häufigkeit und Dauer der Kriege und vor allem mit dem Übergang zum Reiterkampf und einer immer kostspieligeren Ausrüstung der Kriegsdienst immer lästiger und immer anspruchsvoller wurde. So half man sich indem man den Kriegsdienst zunächst an den Grundbesitz band.
Es wurde zur Regel, daß nur wer Eigengut besaß, zum Heerdienst verpflichtet war. Diese Maßnahme genügte jedoch schon bald nicht mehr, weil sie den durchschnittlichen Bauern überforderte. Darum traf Karl der Große im Jahre 807 eine folgenschwere Neuregelung, die darauf hinauslief, daß nur noch diejenigen Grundbesitzer selbst ausrücken mußten, die mehr als 3 Hufen besaßen. Wer weniger hatte, mußte sich mit anderen zusammentun, um mit diesen einen Mann auszurüsten. Die Norm war : drei Hufen stellen einen Mann. Dazu kam eine weitere Bestimmung die für die Zukunft entscheidend wurde - sie besagte, daß neben den Grundbesitzern stets alle ausrücken mußten, die ein beneficium (Lehen) innehatten. Dies ist der Punkt, an dem das Lehnswesen, der Feudalismus, auf das Kriegswesen übergriff um es in der Folgezeit immer mehr zu durchdringen und zu erfassen. So wird bereits im 9. und verstärkt im 10. Jahrhundert erkennbar, daß die Tendenz in Richtung auf die Bildung eines - auf Lehnsgrundlagen basierenden - Berufskriegertums ging. Es ist die Gruppe der Vasallen, die in einem persönlichen, durch Kommendation begründeten Treueverhältnis zu einem Schutzherren stehen.
Die Vasallen sind ausnahmslos freien Ursprungs. In der Zusammensetzung der Vasallen gibt es beträchtliche Stufungen zwischen den Untervasallen und den Obervasallen, wobei die Zahl der kleinen Vasallen zahlenmäßig überwiegt. Indem sie um die Jahrtausendwende die Erblichkeit ihrer kleinen Lehen durchzusetzen vermochten, wurde ihr gesellschaftlicher Aufstieg offensichtlich. Sie bildeten die unterste Schicht der milites. Unter Konrad II treten auch Ministerialen, d.h. Unfreie, als milites hervor, die unter seinen Nachfolgern ständig an Bedeutung gewinnen. Die Inhaber bestimmter ministeria, nämlich der Hofämter und des Kriegsdienstes, wachsen aus der grundherrschaftlichen familia, die dem Hofrecht unterlag, heraus. Sie erhalten ein eigenes Dienstrecht. Dieses Dienstrecht sichert ihnen zu, daß sie nur zu Hof und Kriegsdienst herangezogen werden können, für die sie Amtslehen erhalten. Das Lehen geht ebenso wie der Dienst auf die Söhne der Ministerialen über, die unfrei bleiben , aber eine eigene Rechtsgemeinschaft bilden, den ordo ministerialium. In anderen Dienstrechten sind vor allem die Heerfahrts-pflichten genau festgelegt. So erscheint die Ministerialität im 11. Jahrhundert als zweites Berufskriegertum neben der Vasallität. Ministerialen erscheinen in Urkunden nach ihrem Herren und zusammen mit andere Zeugen, woraus erkennbar ist, daß sie ebenso wie die kleinen Vasallen im Aufstieg begriffen sind. Beide beziehen in gleicher Weise die Burg, das befestigte Haus auf dem Berg. Indessen gehören Vasallen und Ministerialen jedoch zwei Gruppen an, die nach ihrer »Standesqualität« beträchtlich voneinander zu unterscheiden sind - die einen sind freie oder adlige Lehnsleute, die anderen Dienstleute und unfrei, allerdings mit einem Lehen ausgestattet. Jenes Lehen ist zwar nur ein Amtslehen, jedoch sind sie durch ihren Dienst, dem Waffendienst zu Pferde, den Vasallen immerhin verwand.
Die eigentliche Geschichte des Rittertums setzt offenbar da ein, wo die ursprünglichen Unterschiede zwischen den verschiedenen Gruppen der Vasallen und Ministerialen, wenn nicht aufgehoben, so doch überbrückt und aufgewogen werden durch die neue, ritterliche Gemeinsamkeit. Sie ist zunächst faßbar im Recht. In einer Reihe von Urkunden und königlichen Constitutionen begegnet uns der Begriff des ius militie. Aus seinen Erwähnungen geht eindeutig hervor, daß es sich um ein Recht handelt, das allen milites zukommt und sie von denen unterscheidet, die keine milites sind. Die militia wird als eine rechtliche Gemeinschaft angesehen, die in den Quellen auch als ordo militaris (Ritterstand) bezeichnet wird. Das Rittertum wird im 12. Jahrhundert als eine rechtliche Gemeinschaft, als Stand, der sich mit anderen Ständen überschneidet, faßbar. Für diesen Stand ist gut bezeugt, daß man in ihn, im unterschied zum Adel, in den man hineingeboren wurde, durch einen besonderen Akt aufgenommen werden mußte. Wenn dieser Akt allem Anschein nach nicht von vornherein einheitlich ausgestattet war (in den Quellen ist von der Schwertleite oder auch von der Übergabe des Rittergürtels die Rede) so kann jedoch kein Zweifel bestehen, daß die Aufnahme in jedem Fall an einen besonderen Akt gebunden war, der rechtlichen Charakter trug. Die bekannteste Form liegt in der erwähnten Schwertleite vor. Ihr Sinn lag Ursprünglich darin, die Mündigkeit und Waffenfähigkeit des adeligen Jünglings öffentlich kundzutun. Dementsprechend war sie in den früheren Jahrhunderten an das Mündigkeitsalter, in der Regel das 15. Lebensjahr gebunden.. Von den alten Formen der Wehrhaftmachung hat man sich jedoch im 12. Jahrhundert gelöst und durch neue ersetzt, am häufigsten durch Formeln : »ad militian promovere« oder einfach »militem facere« - mittelhochdeutsch »ritterschaft geben« und »ze ritter machen«. Aus der alten Wehrhaftmachung ist im 12. Jahrhundert die Aufnahme in die Ritterschaft, den Ritterstand geworden. Eine alte Form hat mit dem Übergang vom Krieger- zum Rittertum einen neuen Sinn erhalten. Der wesentliche Unterschied zwischen Krieger- und Rittertum liegt darin, daß dieser in einem neuen Sinnzusammenhang getreten ist. Es spiegelt sich in der ritterlichen Lebensform, die als ein weiteres Band der Gemeinsamkeit zur Rechtsgemeinschaft des Rittertums hinzukommt. Sie erschöpft sich nicht darin, daß sie den Kriegsdienst zu Pferde, das Leben auf der Burg und das Leben am Hof verbindet. Obwohl diese Erweiterung des Daseinsgrundes, die Doppelbeziehung zu Burg und Hof, Kampf und Geselligkeit eine wesentliche Grundlage des Rittertums wird und bleibt - ritterliche Lebensform kommt aber erst darin zum Ausdruck, daß sie für alles dies neue Normen schafft an die die Ritter gebunden sind. Eine weitere wichtige Rolle spielt dabei die Verchristlichung des Rittertums und die Schutzfunktion die der Ritter gegenüber den Schutzbedürftigen übernimmt. Die gleichen ethischen Forderungen welche die Kirche zuvor nur dem König vorgehalten hatte, werden nun auf alle milites übertragen.
Mit der Betonung des Schutzes wird ein entscheidender Schritt über die Stufe des Kriegers hinaus getan. Die mittelalterliche Adelswelt gab ihr Recht auf Fehde nie auf. Sie sah in der Fehde die legitime Form der rechtlichen Selbsthilfe. Es gehört zum Wesen des Rittertums, daß es mit dem nie preisgegebenen Recht auf Fehde die Verpflichtung zum Schutz der Schutzbedürftigen verbindet. Durch den Schutz den er gewährt zeichnet sich der Ritter vor dem Krieger aus. Tatsächlich durfte ja das Rittertum in einer Gesellschaft, die in einem außerordentlich hohen Maß des Schutzes bedürftig war, die beste Legitimation seiner privilegierten Stellung sehen. Der neue ritterliche Standesethos und damit das Selbstverständnis des Rittertums wird auch durch den Schwertsegen und die Ritterweihe beeinflußt.
Dieser Standesethos läßt sich allerdings nicht nur auf kirchliche Beeinflussung zurückführen, sondern es sind auch Tendenzen rein weltlicher Art im Spiel, die durch die erneuerte Bildung, durch einen neuen Kontakt mit der Antike ausgelöst worden sind. Diesen Kontakt bezeugen die vier Kardinaltugenden - Tapferkeit, Gerechtigkeit, Weisheit und Maßhalten - , die den Kern des ritterlichen Standesideals bilden und als Erbe der antiken Herrenwelt verständlich sind. Aus der zeitgenössischen Dichtung kann man entnehmen, daß die großen Gestalten der Antike, wie z.B. Alexander, Caesar oder Augustus neue Anziehungskraft gewannen und umstilisiert als Vorbilder großen ritterlichen Daseins gefeiert wurden.
Durch den Rückgriff auf die Antike, und zwar auf eine ideal gesehene Antike, hat das Rittertum sein eigenes Ideal ausgeformt und gleichsam sich selbst gefunden. Die Antike Bildung gehörte ebenso wie das Lehnswesen und die Kirche zu den tragenden Kräften des Rittertums.
Das Ideal gehörte zur Wirklichkeit des Rittertums. Das Rittertum hat als historische Erscheinung sein Licht von der Idee des Rittertums erhalten. Idee und Wirklichkeit sind nicht zu trennen und das Rittertum muß von der Idee aus verstanden werden.



Quellenangabe: Rittertum und ständische Ordnung - Josef Fleckenstein 1972



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