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WELT ONLINE schrieb am 3.4. 2019 um 14:02:49 Uhr über

Bewegung

LuisaNeubauer organisiert die bundesweiten »FridaysForFuture«-Demonstrationen von Schülern für einen effizienten Klimaschutz mit. Den Klimawandel bezeichnet die 22-Jährige als die »größte Krise der Menschheit«. Neubauer studiert in Göttingen Geographie und engagiert sich bei der Nichtregierungsorganisation »One« für eine bessere Entwicklungspolitik. Im Interview wirkt sie ruhig und konzentriert, vor ihren Antworten denkt Neubauer länger nachund setzt manchmal drei- oder vierfach an, bis ein Satz sitzt. Sie scheint vorsichtiger geworden zu sein nach der teils harsch formulierten Kritik an ihrer Person.


WELT:

Sie werden immer wieder als »deutsche GretaThunberg« bezeichnet. Was entgegnen Sie darauf?


LuisaNeubauer:

Da widerspricht die Medienlogik der Bewegungslogik: Medien wollen eine Geschichte erzählen und da ein Gesicht draufsetzen. Das ist verständlich, so funktioniert aber keine Bewegung und so funktionieren auch wir nicht. Wir sind viele Tausend junge Menschen in Deutschland, die gemeinsam diese Bewegung vorantreiben – davon bin ich nur ein Teil.


WELT:

Sie kritisieren den geplanten Kohleausstieg. Was stört Sie daran?


LuisaNeubauer:

Weil ein Scheinkompromiss getroffen worden ist. Ganz viele, die diese Entscheidung betrifft, saßen bei der Kommission gar nicht mit am Tisch.


WELT:

Wer hätte noch da sitzen müssen?


LuisaNeubauer:

Na ja, zum Beispiel die junge Generation, die irgendwann ausbaden muss, was heute nicht gemacht wird. Oder Menschen aus dem globalen Süden. Deutschland fühlt sich nur wohl mit der Kohle, weil die Rechnung andere bezahlen. Das Ergebnis ist vor allem ein Erfolg für die Kohleindustrie. 2038 reicht nicht, das können wir als junge Menschen nicht als Erfolg feiern.


WELT:

Der globale Süden ist ja zum Beispiel im Weltklimarat dabei. Ginge es nach dem, würde ein Kohleausstieg bis 2050 ausreichen.


LuisaNeubauer:

Aber der IPCC-Report ruft auch dazu auf, dass wir unsere Emissionen deutlich schneller reduzieren müssen und bis 2050 netto auf null Emissionen kommen. Um das zu erreichen, müssen wir sogar in noch viel größeren Dimensionen als nur dem Kohleausstieg denken. Da müssen wir unser ganzes Wirtschaftssystem hinterfragen. Das erfordert Transformationen, die können wir uns kaum vorstellen.


WELT:

Auch wenn Deutschland vor 2038 aus der Kohle aussteigen würde, die Nachbarländer aber nicht, kaufen Polen, Tschechien oder die Niederlande im EU-Emissionshandel deutsche Rechte auf und produzieren mehr Kohleenergie. Für Deutschland bedeutet das wirtschaftlichen Schaden, dem Klima hilft es aber erst einmal wenig.


LuisaNeubauer:

Natürlich muss eine Energiewende am Ende eine europäische sein. Aber in der internationalen Politik erleben wir immer wieder ganz große Ausstrahlungseffekte bei solchen Entscheidungen. Deutschland muss eine Vorreiterrolle einnehmen. Sonst können wir international auf Dauer auch keine Forderungen mehr stellen, wenn andere merken, die kriegen ja selbst nichts auf die Reihe. Auf andere Länder zu zeigen und deswegen nicht aus der Kohle auszusteigen ist scheinheilig.


WELT:

Warum protestieren Sie immer freitags?


LuisaNeubauer:

Vor 40 Jahren war die erste Weltklimakonferenz. Seitdem wissen wir, wo die Probleme liegen und auch was die Lösungen sind. Passiert ist fast nichts. Wir machen nichts aus unserem Wissen über die Klimakrise. Das heißt, wir müssen die Spielregeln ändern. Und das Freitagskonzept kommt von Greta. Seit Jahrzehnten gehen Menschen für das Klima demonstrierendie Emissionen sind dennoch gestiegen. Mit dem Freitag ziehen wir eine Notbremse und sagen: »Ihr haltet euch nicht an die Regeln, dann machen wir das auch nicht


WELT:

Die Schüler, die für eine strengere Umweltpolitik auf die Straße gehen, machen gleichzeitig nach dem Abschluss oft eine Weltreise. Sind Sie zufrieden mit Ihrem ökologischen Fußabdruck?


LuisaNeubauer:

Da muss man differenzieren: Ich trete mit meinem Engagement für einen strukturellen Wandel ein. Ich bin in einem Land aufgewachsen, wo mit Kohle geheizt wird, das schlecht isolierte Häuser hat, wo das Verkehrsaufkommen gigantisch ist und Massentierhaltung subventioniert wird. Das verschafft uns allen schon eine CO2-Basis, die nicht tragbar ist. Wir leben in einem Land, in dem es eine Frage des Geldes ist, das Klima zu schützen. Man muss es sich leisten können, Bioprodukte zu kaufen, Bahnfahren ist oft teurer als Fliegen. Das ist paradox. Was gerade passiert, und das finde ich sehr beunruhigend, ist eine Privatisierung von Klimaschutz. Ich ermutige alle Menschen zu überlegen, wie sie umweltfreundlicher leben können. Aber das ist nur ein kleiner Teil.


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