>Info zum Stichwort Bezirk | >diskutieren | >Permalink 
sx schrieb am 20.12. 2014 um 15:37:00 Uhr über

Bezirk

Wir haben uns in der Sechsschimmelgasse schon verabschiedet, bis zur Straßenbahn wollte ich nicht mehr mitkommen. In unserer Umarmung fühlte ich Liebe, Vertrauen, auch Unruhe etwas und eine Verwunderung.

Der Mensch vom Internetcafe gibt mir unwillig eins dieser Brieferl aus Metallfolie mit dem Reinigungstuch für Bildschirm und Tastatur.

Der Schwarze Tsunami ist bald da, eine Stunde ist hier noch geöffnet, ich bin der einzige im Laden.

Im verwaisten Ehebett seiner Eltern lagen wir also, indem Alexander auf meinen Anruf hin sich gleich auf den Weg in die Altmüttergasse gemacht hat. Aus reiner Gewohnheit haben wir uns ausgezogen. Als wir umarmt liegen, sage ich es gleich: John liebt dich. So sehr dass ich es kaum begreife.

Erzähl, sagt Alexander. Da ist noch etwas. Heute ist alles anders irgendwie.

Hätte vom Schwarzen Tsunami lieber nichts gesagt, der auf dem (zwar noch sonnenhellen) Meer wie eine Nacht am fernen Horizont näherrückt. Warum nur? Sein steifer, mein halbsteifer Schwanz, da ist Druck und Gegendruck, den geliebtesten Menschen halte in meinen Armen, warum nur?

Hör zu. Ich wollte also den John in der Oper abfangen, gleich am Ende der Ballettstunde, um ihm zu sagen: dass, und wie sehr du ihn liebst.

So wolltest du es doch?

Ich finde denLocker Room“ - die Leute vom Ballett kommen ja von überall her. Den John kann ich nicht sehen, aber von den Ballettschülern welche haben mich erkannt, ich höre so Bemerkungen wie: John, dein Lover ist hier! dein Aschenbach!
Und da kommt er, noch im schwarzen Trikot, dazu grüne Legwarmers. Er lacht ein wenig, was er eigentlich immer tut.

Immer muss er lachen, findest du nicht?

Aber dem Lachen ist etwas beigemischt; ich ahnte doch nichts. Ob ich mit ihm kommen wolle? Wir gehen zur Bühne, es ist überall die Notbeleuchtung, es war ja Feierabend schon. Wenn ich einem Schönen hinterhergehe setzt mein Verstand aus, glaubte ich doch tatsächlich er will mich verführen, will mir ein Liebesnest zeigen. Wir zwängen uns in einen Aufzug und fahren in den Rollenboden hoch. Er riecht nach Schweiß, etwas harzig wie Fichtenholz finde ich.

Kennst du das? Wirst du kennenlernen.

Dort oben hast du eine unglaubliche Aussicht. Du stehst auf einer Plattform, siehst auf Schienen und Schnüre, an denen Kulissen hängen, schaust tief hinab ins Dunkel der Bühne, wo Lichter sind wie gefallene Sterne.

Vorsichtig beuge ich mich über eine gespannte Kette, halte mich fest an einem Metallrahmen, auch der John will mich halten.
Da will er mich hinunterstoßen!

Ich kann mich festklammern, er aber stößt immer wieder und ruft: „ICH liebe ihn! ICH liebe ihn! ICH! ICH! ICH! ICH!“

Hat seine Kraft nachgelassen? Er hätte es geschafft. Wurde auch seine Stimme leiser? Ich muss ohnmächtig auf den Boden der Plattform gesunken sein.

Alexander schüttelt mich: schwöre! dass du dir das nicht ausgedacht hast!

Eine halbe Stunde mag ich gelegen haben. Werde dann wach - und fühle mich richtig erholt. Das Herz schlägt ruhig. Langsam erinnere ich mich: wer da hockt, mit dem Rücken zur Wand, das ist der John und schaut mich an, er hat gezittert, richtig gezittert.
Jetzt war die Gelegenheit, zu erzählen. Alles von dir zu erzählen.

Umbringen hat er mich gewollt! das kam mir erst hinterher.

Was hätte ich jetzt sagen sollen? Da hocke ich, da hockt er; wir sind zusammengerückt ein bisserl. Er hatte sich umgezogen in der Zwischenzeit. Hat nicht geduscht, das rieche ich. Seine Tasche steht neben ihm.

Die grüne mit dem Fußball drauf?
Ja, die.

Wenn der John einen Lover hätte, ich würde den auch umbringen!
Und wenn ich ... ?
Komisch, jeden, sofort, dich nicht.

Wir fahren im Aufzug hinunter, gehen zum Ausgang.
Willst du nicht noch duschen? Gleich geht er den anderen Weg zum Probesaal. Kann ich dort auch? Jeder von der Oper kann dort duschen, also auch Sie. Er lacht schon wieder ein wenig.
Umkleideraum, Dusche, alles fast dunkel und niemand mehr da.

Weißt du, ohne Worte ist oft besser. Als viel erklären, vorwerfen, verzeihen. Habe ihn überall berührt und geküsst. Es hat ihm gefallen, doch, es hat ihm gefallen. Ein schöner Bub, schön wie du! Ganz anders aber, er ist halt älter etwas. Eigentlich gewesen ist nichts. Haben uns angezogen. Kein Wort geredet. Oder nur: kannst mein Handtuch haben.

Ich drücke den Knopf bei der Pförtnerloge, damit wir hinaus können. Da will er nochmal zurück. Er hat beim Sanitätsbereich einen Zettel an die Tür gemacht, den will er fortnehmen.

Abschied. Gleich werde ich anrufen, sage ich ihm noch, weil, ich muss dir alles erzählen. Umarmt hat er mich auch.

Ist jetzt nicht alles gut? Meine Hände wandern den Rücken entlang zu seinem Po.

Ich hab Angst vor morgen. Wenn ich in der Schule bin. Wenn ich den John sehe.

So ging es mir früher auch! Wurde es zu perfekt, gleich war da eine Angst. Überlass alles dem John. Er ist der Ältere. Morgen, wenn du gerade gar nicht an ihn denkst, da wird er auf einmal bei dir sein.

Bitte der Herr, wir schließen!

Da ist er, der Tsunami. Wenn ich jetzt gehen werde, die Stufen hoch, hinaus, schwarz wird alles um mich sein, sechs irre Schimmel werden mich umreiten, den Alexander werde ich verlieren













   User-Bewertung: +7
Ganze Sätze machen das Assoziieren und Blasten interessanter!

Dein Name:
Deine Assoziationen zu »Bezirk«:
Hier nichts eingeben, sonst wird der Text nicht gespeichert:
Hier das stehen lassen, sonst wird der Text nicht gespeichert:
 Konfiguration | Web-Blaster | Statistik | »Bezirk« | Hilfe | Startseite 
0.0250 (0.0153, 0.0082) sek. –– 822276111