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Warum Bin Ladin seine Schmutzwäsche verbrennen sollte
Michaela Simon 08.01.2003
Eine neue Riege von Schnüfflern trägt diesen Namen zu Recht
Die Avantgarde amerikanischer Kriegstechnologie, die »Defense Advanced Research Projects Agency« ( Darpa) hat mal wieder etwas ausgeheckt, das extrem exotisch klingt und höchstwahrscheinlich nie funktionieren wird: den People Sniffer
Von allen Körperteilen, so scheint manchmal, ist es die Nase, die am penetrantesten, man verzeihe das Bild, in aller Munde ist. Mindestens
einmal im Jahr, zum Frühlingsausbruch oder/und im Sommerloch, geistert die immer gleiche Pressemeldung von der Macht des Olfaktorischen über den Sexus durchs Land, ausgewalzt in sämtlichen Gazetten und garniert mit Sätzen wie: »Liebe geht durch die Nase...« oder »Der Spruch 'Ich kann dich nicht riechen' hat durchaus einen wissenschaftlichen Hintergrund...«
Durch sie und mit ihr und in ihr scheint einiges zu passieren und Wissenschaftler werden nicht müde, ihren Probanden alle möglichen durchgeschwitzten T-Shirts vor die Nase zu halten und auf die Reaktionen zu lauern. Nur zwei Exempel: Erstens, Frauen, welche die Pille nehmen oder menstruieren und damit nach dem Kriterium der Fortpflanzung uninteressant sind, fahren auf den Geruch verschwitzter Männershirts nicht ab (vgl. Die E-Nase). Zweitens, ein T-Shirt-Schnupper-Test in Texas (!) ergab, dass Männer den Duft von Frauen besonders aufregend finden, wenn die fruchtbare Zeit im Menstruations-Zyklus ansteht (vgl. Fruchtbarer Frauenduft).
Die Wissenschaft von der Nase hat diese vorn: Wir wissen, um beliebig etwas herauszugreifen, dass die beiden Nasenlöcher miteinander Fakten-Pingpong spielen und zwar mittels eines Informationsaustauschs im olfaktorischen Zentrum des Gehirns (vgl. Das rechte weiß, was das linke tut). Wir wissen, dass die Evolution für die Fruchtfliege eine elegante und schöne Lösung dafür gefunden hat, wie unterschiedliche Sinneseindrücke - Hören und Riechen - in einem einzigen, winzigen Organ aufgefangen und verarbeitet werden können, ohne dass sie sich in ihrer jeweiligen Funktion behindern (vgl. Lovesongs mit der Nase gehört). Wir vermuten, dass der Geruchssinn eine entscheidende Rolle bei der Evolution des Menschen gespielt hat (vgl. The Nose knows) - und in Zukunft, glaubt man der DARPA, eine nicht ganz unwesentliche Rolle bei der Terroristenfahndung spielen wird.
Jemandem auf der Spur sein, dieser Ausdruck soll dank eines People sniffer bald wörtlich zu nehmen sein, wie die New York Times in einem Artikel (»On the Scent of Terrorists«) berichtet, über dem indes, wie ein leichter Duft, ein feines ironisches Schmunzeln liegt.
Einen Teil des wissenschaftlichen Hintergrunds zu diesem neuen Instrument verdanken wir der Maus (nein, nicht der »Sendung mit der Maus«). Mäuse orientieren sich nämlich bei der Partnerwahl an Duftnoten im Urin, für deren Ausprägung bestimmte Gene verantwortlich sind. Anhand dieser Geruchsinformation können die Nagetiere »ähnlich« von »fremd« unterscheiden, wodurch einerseits der Familienzusammenhalt und andererseits die Partnerwahl im Sinne einer Inzuchtvermeidung gesteuert werden.
Bei den Genen, die hier eine Rolle spielen, handelt es sich um die des MHC-Komplex (Major Histocompatibility Complex), die eine wichtige Rolle beim Immunsystem spielen. Der MHC-Genkomplex des Menschen wird auch als Human Leucocyte Antigen (HLA) bezeichnet, dabei handelt es sich um eine Gruppe von Genen auf Chromosom 6 (Chromosom 17 der Maus), die die MHC-Moleküle kodieren (vgl. Die E- Nase).
Auf im Prinzip ähnliche Weise wie die Maus 1 es tut, soll die Schnüffelmaschine »spezifische Individuen anhand ihres Geruchstypus aufspüren und identifizieren« (Darpa).
Der Geruch der Fährte hielte tagelang, ein Verwischen durch Deodorants sei nicht möglich.
Nehmen wir einmal an, die CIA hätte eine getragene Djellabah von Ayman al-Zawahiri oder Mullah Omar gefunden, vielleicht könnte man die Gerüche in Darpas »Menschenschnüffler« eingeben und dann mit dem Instrument eine aufschlussreiche Reise ins Hinterland von Afghanistan oder dem Jemen machen.
NYT
Bevor es ins Hinterland geht, müssen allerdings noch einmal T-Shirts geschnüffelt werden: Die Genetikerin Carole Ober hat versucht
herauszufinden, ob die Hutteriten, eine relativ abgeschirmt lebende religiöse Glaubensgemeinschaft, ähnlich wie Mäuse ihre Partner so wählen, dass sich ihr spezifisches Resistenzspektrum auf ideale Weise erweitert. Dazu mussten Frauen an T-Shirts riechen, die von Männern zwei Tage lang getragen worden waren. Die Wahl fiel auf die Männer, deren Immunsystem mit dem des Vater der Frau übereinstimmten, was zunächst nicht mehr heißt, als dass Menschen anscheinend per Geruch tatsächlich einen genetischen Status identifizieren können.
Doch bis die Spürhunde losgeifern, werden sicher noch einige Meldungen zum Thema »Sex und Pheromone«, sprich einige Frühlinge und Sommer ins Land gehen.
Kommentare:
Der Stasi hatte diese Praxis doch schon mit einem Archiv (kamka, 8.1.2003 17:16)
die haben nicht nur rumgespielt (kmekc, 8.1.2003 16:57)
Leseempfehlung für die DARPA (noocyte, 8.1.2003 14:06)
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last modified: 07.01.2003
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