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Michel und Bruno und ein Schatten von mir, am 27.6. 2009 um 17:39:55 Uhr
Neuanfang

Vor einigen Jahren habe ich meine Wohnung in aachen ( Roermonerstr. ) verlassen. Ich war kurz davor einen Fehler zu begehen, der sich nicht revidieren liesse. Nach drei Jahren ohne Strom und schwer depressiv, habe ich einen Rucksack gepackt und den Haustürschlüssel in den Briefkasten geworfen. Scheiss auf den Vermieter.
Ich bin dann »Schwarz« mit der Bahn nach Dordtmund gefahren und von da aus zu Fuss den Dordtmund-Ems-Kanal, bis nach Münster gelaufen. Ich sollte vielleicht erwähnen, dass es Februar war. Im schönen Münster habe ich dann ein Konzertplakat für Poison Idea gesehen und beschlossen, bis zum Konzert in Münster zu bleiben. Im Winter draussen zu Schlafen, war weiss Gott kein Zuckerschlecken. Allerdings war es auch nicht wirklich kälter als zuvor in meiner Wohnung. Zum Glück habe ich auf dem Hof eines Gebraucht und Schrottwagenhändlers ( Haverkamp ) einen alten Ami-Postwagen entdeckt, in dem ich dann übernachten konnte. Der Händler entdeckte mich zwar eines morgens, hatte aber nichts dagegen auszusetzten. Gott gelobt sei das katholische Münster. Ich began mich nach und nach in Münster zu verlieben. Das Konzert war nur noch am Rande interessant.
Ich lernte immer mehr Leute von der »Strasse« kennen. Tüdel war mal Professor für Germanistik, er hatte die Trennung von Frau und Kindern nie überwunden. Er fing an zu Trinken, wurde Alkoholiker, verlor die Anstellung, konnte das Haus nicht mehr bezahlen und wurde obdachlos. Viele der Menschen, die ich auf der Strasse traff, hatten ganz ähnliche Schicksale hinter sich wie Tüdel. In sein Herz geschlossen hatte mich Alfred, ein mitte vierzig jähriger Schwuler Obdachloser, der auf der Salzstrasse in Münster die »Draussen« ( Obdachlosenzeitung ) verkaufte. Er war es auch, der die Berber mit Haschisch ( Naja, übelster Eier-Marok, aber besser als nichts und billig. ) versorgte. Alfred kam stündlich bei mir vorbei und fragte wie die »Geschäfte« liefen und warf mir gelegentlich einen Brocken Dope in den obligatorischen Pappbecher. Noch heute wenn ich in Münster bin, besuche ich Alfred auf der Salzstrasse und wir halten einen kleinen Plausch. Wer in Münster ist, sollte Alfred die Draussen abkaufen, dass nur am Rande bemerkt.
Ich war der Junge aus Aachen, anscheinend eine Vorstufe zum Jungen von nebenan. Bisher kannte ich nur Leute von der Strasse in Münster, was sich aber schon bald ändern sollte.
Eines sonnigen Tages ging ich den Kanal entlang und sah auf den Rampen der Lagerhäuser ( Bevor hier Yuppie-Cafe`s enstanden; der Kanal ist heute eine Zumutung. ) einen Haufen Skater, Mädels und Freaks sitzen. Als ich näher kam, sah / roch ich das sie fette Grasjoints rauchten. Ich bin also auf sie zugegangen und habe den Erstbesten gefragt, ob ich etwas Gras kaufen könne. Kolja blickte mich an und meinte nur : »Vergiss es, Aller! Setz dich, rauch mit und nimm dir ein Bier. Ich bin Kolja.« Ich hatte Münsters buntesten Hund kennengelernt. Als er im folgendem Gespräch herausfand, dass ich draussen schlief, meinte er nur : »Nee, du pennst nicht draussen. Du kommst gleich mit zu mir und wirst in Zukunft auf meinem Sofa schlafenGott gelobt sei das freakige Münster. Ich hatte also Anschluss an Münsters Skater und Partyszene gefunden. Morgens auf dem Amt mein Tagesgeld abholen, danach in die Stadt zum schnorren und Abends PARTY. Langsam gehörten die Depressionen der Vergangenheit an. Nach und nach entwickelte ich mich wieder zu der Frohnatur, die ich in meiner Jugend einamal gewesen war. Naja, gemessen an dem Sellenzustand, den ich kurz zuvor noch mein eigen nannte.
In der neuen Clique lernte ich dann auch Bunny ( Janina ) kennen. Ich frage mich noch bis heute, wie man sich als Frau freiwillig Bunny nennen lässt. Tja, ihr Problem. Wir verstanden uns auf Anhieb, was wohl auch mit ihrer depressiven Grundstimmung zu tun hatte. Leider beging ich in meinem ungewohnten Überschwang einen kolossalen Fehler, den ich bis heute bereue. Es knistere gehörig zwichen uns. Ich liebte ihren skurillen Sinn für Humor, ihre grünen Augen, ihr lächeln, eigentlich alles. Doch ich Idiot dachte damals, dass ich mich besser nicht mit ihr einliesse, weil ihre latente Depression mich eventuell wieder mit herunterziehen könne. Als ich meinen Fehler eingesehen hatte, war sie natürlich wieder vergeben.
Sie ist seit Sabrina bisher die einzige Frau, die mich wirklich interessiert hatte. Warum stehe ich mir eigentlich ständig selbst im Weg rum? Ich brauche keine Pro-Forma-Ausrede, warum mir nichts gelingt. Ich scheine selbst mein grösstes Hindernis zu sein. Egal, Chance vertan. C'est la vie. Mea culpa, mea maxima culpa. Es versteht sich von selbst, dass mich das ganze natürlich wieder ordentlich zurück warf. Um den selben Fehler nicht nochmal zu begehen, liess ich mir auf den inneren linken Unterarm ein Tattoo stechen. Ein Skelett das, anstatt an einem Baum oder ähnlichem, an einem Fragezeichen aufgeknüpft baumelt. In der einen Hand eine Flasche Bier, in der anderen eine Schere. Der Sinn sollte klar sein.

Ihr kennt das Spiel ja schon, ein wenig Erpressung, bei positiver Bewertung, gibt's die Fortsetzung meiner Erlebnisse aus Münster.


Meine Playlist aus der Zeit :

Primal Scream : Kill all the Hippies
http://www.youtube.com/watch?v=2SNHtKfDxlg

Rose Tattoo : Nice boys don't play Rock n Roll
http://www.youtube.com/watch?v=nkdUmMPlzb0

Life of Agony : Angry Tree
http://www.youtube.com/watch?v=CVweUweovLc

Turbonegro : I got erection
http://www.youtube.com/watch?v=JHcFWcnS94E




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