Seit Juli 2005 fahre ich eine BMW K 75 RT Baujahr 1993 - zwölf Jahre ist das Gerät nun schon alt. Ich habe es mit 45.000 km gekauft, jetzt geht es stramm auf die 60.000 zu - ich bin in etwas mehr als vier Monaten etwa 13.000 km mit dem Bock gefahren, und es gefällt mir ausnehmend gut.
Die K 75 ist die »verkleinerte« Variante der berühmten K 100, einer großartigen Innovation der Motorradtechnik. Die Entwicklungsingenieure von BMW, die sich bis zur »K-Serie« auf die Weiterentwicklung des steinalten Boxer-Motors beschränkt hatten, kamen auf die geniale Idee, einen Vierzylinder-Reihenmotor nicht wie üblich stehend und quer zur Fahrtrichtung, sondern liegend zur Fahrrichtung einzubauen, und zwar so, daß die Kurbelwelle des Motors ohne Umlenkung in einer Linie über Kupplung und Getriebe in den Kardanstrang zum sogen. Endantrieb in der Hinterradaufhängung geführt wird. Der imense Vorteil dieser Bauart liegt in einem sensationell niedrigen Schwerpunkt, der die Strassenlage und das handling der Maschine enorm verbessert. Trotz eines Gewichts von minimal 240 kg und eines Neupreises von weit über 15.000 DM erfreute sich die K 100 rasch großer Beliebtheit vor allem bei älteren Motorradfahrern. Zur guten Strassenlage und zum sensationellen handling kamen weitere Innovationen hinzu, wie ein erstmals konsequent ergonomisches Design, kaum übertrefflicher Windschutz bei den verkleideten Modellen, ein leistungsstarker Motor mit harmonischem Drehmomentverlauf und schließlich das sensationelle erste ABS für Motorräder, daß die hohe Gefahr eines Sturzes durch »Überbremsen« des Vorderrades ein für alle Mal in die Geschichte verwies.
Die K 75 ist die auf drei Zylinder verkleinerte Variante mit 75 PS (gegenüber den 90 und später 101 PS der K 100). Sie wurde unverkleidet, in einer Sportlichen Variante und als Reisetourer - »RT« - angeboten. Gerade die RT war als Behördenmaschine sehr beliebt. Die Polizeibehörden von halb Europa fuhren die K 75 RT in den achziger und neunziger Jahren, unter anderem wegen ihrer leichten Handhabbarkeit und ihrer großen Zuverlässigkeit. Laufleistungen über 100.000 km sind die Regel, die größte Gesamtlaufleistung ist von einer K 100 RS aus den Niederlanden bekannt, die über knapp 600.000 km bereits gelaufen ist und immer noch fährt.
Ich habe mich im wesentlichen für diese Maschine als erstes Motorrad entschieden, weil ich nicht mehr als 4.000 € ausgeben wollte, und auf ABS großen Wert legte. Da gab es zu BMW kaum eine Alternative - ausser den K-Modellen wäre lediglich noch eine Vierventil-Boxer-Maschine in Frage gekommen.
Die K 75 RT ist ein sehr ungewöhnliches Motorrad. Sie wirkt vor allem durch die großflächige Verkleidung und den wuchtigen Motor enorm groß und schwer. Den Spitznahmen »fliegender Ziegelstein« hat sie nicht von ungefähr bekommen. Auch das kantige Design, daß eher an einen »Staubsauger« (ihr zweiter Spitznahme), als an ein Motorrad erinnert, ist sehr gewöhnungsbedürftig. In dem Bewußtsein eines fahrfertigen Gewichts (vollgetankt) von 260 kg nötig sie dem Fahrer zunächst ungeheuren Respekt ab.
Doch schon bei der Sitzprobe auf dem aufgebockten Motorrad gefällt die nahezu perfekte Ergonomie, und der schiere Eindruck von Solidität: das Motorrad wirkt, wie für die Ewigkeit gebaut.
Der Motor springt sofort an - die Einspritzanlage braucht nur selten etwas Nachilfe mit dem »choke«, nach wenigen Umdrehungen springt der Motor an. Der für viele biker wichtige »sound« ist jedoch eher enttäuschend. Der Motor kreischt nicht, brummt nicht, vibriert nicht - er säuselt. Erst im oberen Drehzahlbereich äussert er sich vernehmlich - für mich Inbegriff vorbildlicher Laufkultur.
Die große Überraschung für jeden, der erstmals eine K 75 (oder K 100) fährt, ist die schier unglaubliche Leichtigkeit, mit der sich dieses Schwergewicht über die Strasse bewegen lässt. Mann meint, das Ungetüm hätte von seinen 260 kg locker 100 kg durch Starten des Motors abgenommen. Unbeindruckt von Bodenwellen, Bordsteinen und ähnlichen Hindernissen fährt sie zuverlässig genau dort hin, wo sie der Fahrer haben will. Leicht und präzise lässt sie sich in Schräglage auch in engem Geläuf dirigieren. Der drehfreudige Motor, der im 5. Gang ab ca. 40 kmh bis ca. 210 kmh (nach Tacho) gezogen werden kann, stellt dem gut abgestuften Getriebe stets genügend Kraft zur Verfügung, so daß sich völlig entspannt fahren lässt. Lediglich die hakelige Schaltung (typisch für BMW) ist gewöhnungsbedürftig.
Dieses völlig entspannte Fahrgefühl und die jederzeit spürbare Souveränität des Fahrwerks machen die K 75 RT zu einer idealen Reisemaschine, auf der man auch weite Distanzen entspannt zurücklegen kann. Es ist ein Moped, auf dem man es den ganzen Tag aushalten kann. Und dazu ungeheuer sparsam. Selbst flott gefahren, ist die K 75 trotz ihres hohen Gewichts nicht über 6 l (allerdings Super) zu bringen. Mit einem 20l-Tank ergibt sich eine Reichweite von fast 400 km !
Die Verkleidung der RT bietet einen guten Wind- und Wetterschutz. Selbst die (heizbaren!) Griffe liegen im Windschatten der Rückspiegel, und eine elektrisch stufenlos verstellbare Scheibe leitet den Fahrtwind auf Wunsch so effektiv über den Fahrer, daß man theoretisch bis über 130 kmh mit offenem Visier fahren kann. Die Abwärme des wassergekühlten Motors wird in die Verkleidung und zur Tankabdeckung hin geleitet, was die »Saison« deutlich nach vorne und hinten verlängert. Bis ca. 5 Grad Aussentemperatur fährt man in ganz normaler Schutzkleidung ohne Innenfutter etc. Nur bei hochsommerlichen Temperaturen (über 30 Grad) wird diese leider nicht abstellbare Heizung lästig.
Last not least gelten die BMW K-Modelle als sehr individuelle Motorräder, mit denen man sich überall sehen lassen kann in der »Szene«.
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