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Runter: [2] Mitteilung von Schmidt (20.7.2013 16:07:39):
Ich hab es nicht geschafft
auch nur einen einzigen Tag meines Lebens angenähert vollständig zu dokumentieren. Obwohl das seltsamerweise so etwas wie ein Traum von mir war. Einfach da sitzen dürfen und schreiben, sonst keinerlei Bedürfnisse zu haben, doch vielleicht ein Stück Brot zwischendurch und einen Schluck Wasser. Ich wollte vierundzwanzig Stunden am Stück nur schreiben. Kläglich gescheitert bin ich. Vielleicht ist mein Tag doch irgendwie vorhanden, verstreut im fast Unauffindbaren, innerhalb meiner Kladden und neuerdings auch hier. Einer dieser so überaus seltenen Tage. Und nun wären einige Hinzufügungen möglich, an denen,,ich auf dem Winzerweg, dort wo noch niemals eine lag, heute eine dick nach Marihuana duftende gut 14 Millimeter lange Kippe fand, am Tag des gescheiterten Widerstands saß Schmidt auf der Bank des 17. Junis, auf einer der wenigen Dorfbänke in Hessen unter der Linde, die nicht von Zigarettenkippen und sonstigem Unrat umsäht sind, eine ganz reine Bank quasi, im kühlen Schatten. Hätte ich gestern irgendwie kundgetan daß ich genau gestern mit dem Rauchen aufgehört habe, gestern war also mein erster Tag, ein besonderer Tag der mir im Verlauf der vielen Jahre nur erst ein- oder zweimal gelungen ist, dann hätte ich heute unzweifelhaft an ein abgesprochenes Manöver mit dieser Graskippe geglaubt und meine Psychose hätte Nährstoff erhalten.
So aber muß es ein seltsamer Zufall sein der mir widerfahren ist. Ich bin der festen Überzeugung, es sind nicht die Inhaltsstoffe des Marihuanas die mich psychotisch haben werden lassen sondern es ist das Verbot diese Dinbge zu konsumieren und die beständige Furcht vor der Entdeckung und sozialen Herabwürdigung. Jetzt, da quasi jedermann von meiner Sucht weis, ist die Wirkung des Stoffes nicht mehr psychoseauslösend. Im Gegenteil, nun erst kann ich sie richtig wahrnehmen, sie schärft die Sinne für einen kurzen Moment und hinterlässt danach eine große Langeweile. Auch kichert man manchmal völlig ohne erkennbaren Grund. Ich kichere, weil ich noch lebe, und weil ich noch relativ schmerzfrei den Tag zubringe, und weil ich gestern mich sogar aufgerafft habe meine gesamte Bettwäsche zu waschen, und bei den momentanen Temperaturen von 31.5 Grad in meinen Räumen, wurde die Wäsche auch innerhalb des Nachmittags im Zimmer wieder trocken, etwas das im Winter Tage dauert.
Ich habe einen Wirsing ergattert und mich mit Ayran und Kefir eingedeckt. Das hilft bei der Hitze. Zu allem Überfluß ist im Vorratsschrank meine dort liegende Packung Palmin (Kokosfett) aufgegangen und das sonst feste Fett ist flüssig-milchig die ganzen Regale bis zum Boden gelaufen. Ich durfte also heute gründlich mit heißem Wasser rund um den Vorratsschrank putzen und jetzt sieht diese Stelle auf dem Küchenboden irgendwie so unglaublich sauber aus im Vergleich zum restlichen Küchenboden. Es ist ja keiner hier bei mir der sagt »Ja, wie siehts denn hier aus«. Und so geschieht eben das Nötige. Aber auch nicht mehr. Irgendwann wird meine gesamte Wohnung so riechen »wie bei alten Leuten«. Ich habe mich als Kind vor diesem Geruch sehr gefürchtet. Diese Leute waren so herrisch und man mußte sich vor ihnen schrecklich in Acht nehmen, sie wolltem einem immer Befehle erteilen. Und die beste Art dem auszuweichen, war, sie einfach nicht mehr aufzusuchen. Wie aber schafft man es einem Kind einen Wunsch nach Erledigung (eines regelmäßigen Einkaufs beispielsweise) nahezubringen. Zu meiner Zeit hätte das Winken mit einem Zweimarkstück genügt. Aber heute, da diese Teenager mehr Taschengeld besitzen als es sich ein Harzrentner erlauben kann so nebenbei auszugeben, winken Sie denen mal mit fünf Euro, die lachen da nur drüber...
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