Realejos

XLIII

Euphorieschub

Die Sensationen reißen nicht ab. Wie ein tollwütiger Fuchs fiel mich im Lift der Gedanke an, daß wir uns vielleicht nie mehr sehen würden. Schon zwei Stockwerke tiefer war mir klar, daß ich das nicht zulassen könnte. Im Erdgeschoß sah ich schon tausend Wege zu dir. Fette Wonne beim Betreten des Speisesaals, ich nehme das Wiedersehen schon vorweg.

Mein poetischer Jux von gestern realisiert sich: Die Ladies im Raum schein was zu wittern. Sie blicken irritiert her (eine verschüttet ihren Kaffee) und setzen ihre Gesichtsmuskeln in Arbeit. Klischeekonform reißt auch noch die Wolkendecke auf. Beim zweiten Eierfassen beobachte ich an mir schon diesen unwiderstehlichen Schlenkergang schwarzer Basketballer.

(Das Schicksal scheint es so zu wollen: Nach dem Frühstück besorge ich mir eine Pille und lege eine kleine Trainingseinheit ein. Ohne Zuschauer. Bis zur Mitteldistanz versenke ich die Dinger noch ganz ordentlich.)

Prolog: Anrufung der Freundin

Freundin! Schwester!
Du freundlich Verstehende,
Geduldreiche!
Sei unser Schutzgeist und Mittler!

Am Ende hast
Du
Uns den bösen Trank gemischt?
(ez hat mir sanfte vergeben)
Ach nein, unter Palmen wachsen ja keine Brangänen.
Du bist die letzte, der wir was
Vorwerfen könnten.

So sei eben aus freien Stücken
Unser guter Dschinn!
Wende auf uns deine lieben Künste,
Liebst du doch alle Arten
Von Tierlein.

Und nötiger noch, fürcht ich,
Haben wir dich, bedürfen deiner
Mehr noch als jenes Kaninchen, das
- auch schon narkotisiert und gefesselt -
Mit deinem Operationstisch
Zur Decke sprang.

XXIV

Präsenz

Fast ein ganzer Tag, 24 Stunden. Du bist in mir jetzt mit einer unheimlichen Wucht präsent. Ich merke selber, wie unpassend das Wort »Wucht« hier klingt, aber es trifft meine Erfahrung doch ganz genau. Mein Körper revoltiert inzwischen nicht mehr, ich bin vollkommen ruhig. Du füllst mich bis in jeden Winkel aus. Wenn in diesem Protokoll Worte fehl am Platz sind, dann die Pronomen der ersten Person: ich, mich, mir. Da ist ein Haus, in dem du wohnst. (Die Sensation ist erbarmungslos intensiv.)

XVI

Geschieht mir recht!

Wie hab ich mich immer über die
Prinzen, die liebeskranken, in den Märchen
Und Ritterbüchern
Lustig gemacht!
Wie sie in Schräglage gehen
Unter dem Entzug ihrer Droge ...

Heut könnt ich mich selber glatt
Einer medizinischen Fakultät
Vermachen!

Realejos

Drei Leute, vielleicht vier, wissen um eine bestimmte Bedeutung dieses Stichwortes. Der Blaster besitzt schon viele Funktionen, hier kommt vielleicht (natürlich überschaue ich nicht das ganze System!) eine neue hinzu: die eines momentan nicht anders herstellbaren Kommunikationskanals. Was also hier verhandelt wird, hat vor allem eine private Dimension. Allein mag der zur Rede stehende Vorgang auch von einem gewissen allgemeinen Interesse sein: insofern mag jeder User, der nur Lust dazu verspürt, mitlesen und sich seinen eigenen Reim darauf machen. Natürlich kann es von Haus aus im Blaster keinen Anspruch auf geschützte Bereiche geben: dennoch wäre ich dankbar, wenn Ihr, Freunde, uns diesen kleinen Bezirk ganz zu unserer Nutzung überlassen würdet. - Die Blastertexte sind ja im Allgemeinen nicht für eine lineare Lektüre gedacht; hier mag es allerdings sinnvoll sein, die Texte in der Reihenfolge ihrer Entstehung zu lesen. Bekanntlich gibt es dafür ein von Tanna (danke!) entwickeltes Instrument:

http://die.geocity.de/tanna/blaster/

Die folgenden Texte erzählen, so präzise es mir nur möglich ist, von einer Erfahrung, die mich getroffen, verwandelt und mir, praktisch von einem Tag zum anderen, wieder Gefühle und Sprache meiner Jugend wiedergegeben hat. Ich bin überhaupt nicht sicher, ob die Texte ästhetisch gelungen sind. Dazu mangelt es mir augenblicklich an der nötigen Verstandeskälte; aber dieses Risiko will ich gerne tragen. Daß sie vom gegenwärtigen mainstream des poetischen Geschäfts hübsch weit weg sind, ist mir völlig klar; aber mir geht es eben auch nicht um »das Geschäft«, sondern um ein Wunder.

XLIV

Irgendwo hapert´s immer

Ich fürcht
Meine Texte taugen rein gar nichts.
Früher, als schlicht nothing zu sagen war,
Produzierte ich perfekte Verse.
Jetzt ist Substanz da im Übermaß
Und jedes Formgefühl futsch.

L

Froschboje

Deine Gegenwart war n wohliges Schaumbad
Mit Sandelholzduft und Sprudeleffekt.
Jetzt rinn mirs Wasser davon
Und ich krieg n Stöpsel,
Den froschbojelosen,
Nirgends zu greifen.