>Info zum Stichwort Märchen | >diskutieren | >Permalink 
Charch schrieb am 1.9. 2000 um 01:18:12 Uhr über

Märchen

Lerri das Lesepferd
Ein Bauer brachte einmal einen Bullen zum Markt. Der Viehhändler zahlte ihm viel Geld dafür. Und dann sagte der Händler: »Hier, nehmt diesen Gaul noch als Geschenk von mir dazu
Es war ein prächtiges, starkes und noch nicht sehr altes Reitpferd und der Bauer wunderte sich sehr, warum der Pferdehändler das Tier verschenken wollte: »Das verstehe ich nicht!«, sagte er zu dem Pferdehändler, »Es ist doch ein gesundes und kräftiges Tier! Warum wollen Sie es mir schenken?«.

Der Händler schnaubte ärgerlich und sagte nur: »Nehmen Sie es oder nehmen Sie es nicht! Sie werden schon noch sehen, warum ich den Gaul loswerden will

»Einem geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul!«, sagte sich der Bauer, steckte sein Geld ein und zäumte das Pferd, um es heimzuführen. »Bestimmt, so dachte er, werden meine Kinder ihre Freude daran haben.«.
Dann führte er das Tier zur Stadt hinaus, der Händler rief ihm noch nach: »Übrigens, das Pferd heißt Lerri!«.

Außerhalb der Stadt wollte der Bauer das Pferd einmal als Reittier ausprobieren, so hielt er es an und schwang sich hinauf, um ein Stück zu reiten.
»Hüh, Lerri!«, rief er, aber das Pferd bewegte sich kein Stück.
»Nanu!«, rief der Bauer, »Ein Reitpferd, das sich nicht reiten läßt? Was ist denn das?«.
Da hob das Pferd unter ihm den Kopf, blickte ihm mit einem Auge ins Gesicht und sprach mit einer merkwürdigen Stimme: »Quatsch, Reitpferd! Ich bin kein Reitpferd, ich bin ein Lesepferd! Und jetzt laß den Blödsinn und steig' gefälligst von mir `runter! - Aber ein bißchen plötzlich, bitte!«.

Der Bauer war so verblüfft und erschrocken, daß er schnell von Pferd herunter glitt.
»A..., a..., aaa...aber wieso k.... k.... kannst du denn sprechenfragte er stotternd.
Das Pferd sah ihn an und meinte, mit einem leisen Wiehern, das wie ein Lachen klang: »Das ist doch nun wirklich egal, oder? Daß ich sprechen kann ist zweitrangig! Ich kann lesen und ich will lesen! Und zwar sofort!«.

»Jjjj...jastotterte der Bauer und fügte dann aufgeregt hinzu: »I...ich kann gar nicht richtig sprechen! Ich bin ganz verwirrt!«.

»Nun stell dich mal nicht so ansprach Lerri, »schließlich können wir Pferde eine ganze Menge tun! Wir können Pflüge, Kutschen und schwere Wagen ziehen, wir können Hürden überspringen, an der Lounge gehen und im Zirkus auftreten! Es gibt Acker-, Wagen-, Reit- und Springpferde! Und ich bin nun mal ein LESEPFERD!«.

Der Bauer hatte sich sehr schnell wieder gefangen:
»Na gut! Ich habe verstanden, daß du lesen kannst und lesen möchtest! Aber dazu müssen wir erst mal auf meinem Bauernhof sein! «

»Ahaantwortete Lerri, das Lesepferd, »Das hört sich gut an, du hast also Bücher Zuhause
»Na ja, sicher! Ich selbst besitze Bücher, meine Frau hat Bücher und meine beiden Kinder, Tina und Thomas haben auch ganz viele Bücher!«.
»Uiuiuiuiui!«, voller Vorfreude strahlte Lerri über sein ganzes Pferdegesicht. Dann fragte er: »Habt ihr vielleicht auch Pferdebücher Zuhause?«.

»Na, klarantwortete der Bauer eifrig! Wir haben sogar eine große Menge Pferdebücher daheim!». Dann zählte er eine Reihe von Titeln auf, wieJan und das Wildpferd', ‚Fury', ‚Ferien auf Lipiza', ‚Flicka', ‚Der weiße Mustang' und noch viele andere, und als ihm nichts mehr einfiel, nannte er sogar noch das «Eselchen Grisella", obwohl das - streng genommen - gar kein Pferdebuch war.

Lerri das Lesepferd war glücklich! »Das ist ja wunderbar, Bauer! Du mußt in einem wahren Paradies leben, mit den vielen Büchern, vor allem mit den Pferdebüchern!«.
»Najameinte der, »das stimmt schon! Wir haben zwar tagsüber sehr viel Arbeit, aber sonst lesen wir sehr gerne und sehr viel!«.

»Das ist ja toll! Nimm mich mit, Bauer zu dir nachhause!«, rief Lerri begeistert.

»Hm!«, meinte der Bauer und betrachtete das Pferd von oben bis unten, »ich nehme dich gerne mit nachhause...!«.
»Und?«, fragte Lerri, das Lesepferd neugierig, »Darf ich dann auch all die Bücher lesen
»Ja, das darfst Du - aber ein bißchen mußt du auch dafür tunerwiderte der Bauer.
»Was? Ich? Dafür tun?«, kreischte Lerri das Lesepferd.

»Jaantwortete der Bauer, »und zwar kannst du dich von meinen beiden Kindern, reiten lassen!«.

»Bauerantwortete Lerri entrüstet, »Was verlangst du von mir?«.
»Gar nichts besonderesantwortete der, »Wenn ich dich richtig verstanden habe, liest du sehr gern!«.
Lerri nickte mit dem Kopf und wieherte: »Na klar, Bauer!«. »Siehst du, und bei uns muß jeder etwas dafür tun, damit er Spaß haben kann! - Die Kinder müssen zur Schule gehen, meine Frau und ich arbeiten auf dem Bauernhof - und du könntest die Kinder auf dir reiten lassen! Dafür bekommst du dann jede Menge «Lesefutter»!«.
»Ooooch!« meinte das Pferd, »Kann ich nicht lieber auch zur Schule gehen
»Quatsch, Pferde gehen nicht zur Schuleantwortete der Bauer.
»Na gutversuchte Lerri weiter zu verhandeln, »aber ich kann mich anderweitig nützlich machen- Er überlegte einen Moment und strahlte dann den Bauern an: »Ich könnte zum Beispiel den Hühnern etwas vorlesen, damit sie noch mehr Eier legen! - Du hast doch Hühner auf deinem Bauernhof?«.
»Ja, ja!«, antwortete der Bauer und faßte sich grübelnd an die Stirn, »Sicher, wir haben eine ganze Menge Hühner auf dem Hof! Aber ich wüßte nicht, daß sich auch nur eines von ihnen für vorgelesene Geschichten interessiert!«.
»Dann könnte ich doch den Kühen etwas vorlesen, bestimmt geben sie dann noch bessere Milch!«, bot sich das Pferd an.
»Nein, nein, neinantwortete der Bauer, jetzt schon etwas ungeduldig, "Unsere Kühe geben ganz wunderbare Milch und nicht eine hat sich bisher darüber beschwert, daß sie keine Geschichten vorgelesen bekommt! - Also, lieber Lerri, wenn du bei uns auf dem Bauernhof leben und lesen willst, dann
mußt du Tina und Tom ab und zu auf dir reiten lassen!".

Lerri zog eine Schnute: »Ist das dein letztes Wort?«.
»Jaerklärte der Bauer entschlossen und verschränkte die Arme vor der Brust.

»Na gut!«, antwortete das Lesepferd seufzend. »Dann erkläre ich hiermit daß ich bereit bin, deine Kinder auf mir reiten zu lassen, wenn ich nur ganz viel lesen darf!«.

Das versprach der Bauer natürlich und er freute sich, denn er hatte das eigensinnige Pferd längst sehr lieb gewonnen. Lerri war dann auch ganz zufrieden darüber, daß sie sich geeinigt hatten und er trug den Bauern sogar auf seinem Rücken nachhause.

Copyright by Charch









   User-Bewertung: +3
Nicht vergessen: Wenn Deine Texte von anderen als schlecht bewertet werden, erhälst Du in Zukunft weniger Bewertungspunkte. Daher unser Tipp: möglichst gut verständliche Texte schreiben!

Dein Name:
Deine Assoziationen zu »Märchen«:
Hier nichts eingeben, sonst wird der Text nicht gespeichert:
Hier das stehen lassen, sonst wird der Text nicht gespeichert:
 Konfiguration | Web-Blaster | Statistik | »Märchen« | Hilfe | Startseite 
0.0322 (0.0217, 0.0090) sek. –– 824080769