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Ditti Krause schrieb am 15.9. 2003 um 21:49:19 Uhr über

Blumenverkäufer

»Ich habe die Fotos dabei«, sagt die Hundebesitzerin zu ihrer Freundin und wirft ihre Umhängetasche auf das Sofa. Der Hund ist inzwischen schon zur Freundin gelaufen und wedelt erwartungsvoll mit dem Schwanz. »Ich habe nichts für Dich«, spricht die Freundin den Hund an. »Er hatte schon sein Futter und braucht nichts zu naschen. Das ist nichts als eine dumme Gewohnheit, die mit der nötigen Bestimmtheit ignoriert werden muss«, führt die Hundebesitzerin aus. »Er bittet mich aber so liebevoll, daß ich ihm gerne etwas geben würde«, erwidert die Freundin, während der Hund vor ihr sitzt und sie regungslos anschaut. »Erstens hast Du nichts, wie Du selbst schon betont hast. Wenn der Hund etwas klüger wäre, hätte er diese Aussage längst zur Kenntnis genommen und sein Bitten aufgegeben. Zweitens ist der bettelnde Blick ja gerade sein Trick, an dem er selbst dann festhalten würde, wenn er die Aussichtslosigkeit seines Tuns begriffen hätte, um den Boden für einen zukünftigen Erfolg zu ebnen und Dich vor der nächsten Begegnung zwischen Euch zur Beschaffung von Hundekuchen zu bewegen«, erläutert die Hundebesitzerin. »Wenn der Hund so vorausschauend ist, ist er zweifellos sehr klug und in den Feinheiten der Psychologie zwischen Mensch und Tier recht bewandert«, entgegnet die Freundin. »Du kennst das Spiel doch schon lange. Wenn Du Dir immer wieder von neuem über Dein Verhalten Gedanken machst und es in Frage stellst, möglicherweise gar über eine Änderung des Rituals nachdenkst, so hat der Hund scheinbar Erfolg gehabt«, sagt die Hundebesitzerin etwas gereizt. Der Hund wechselt während des Gesprächs immer noch sitzend die Blickrichtung, je nachdem wer gerade das Wort ergreift. »Ich fühle aber seine Wärme«, erwidert die Freundin knapp. »Ach was! Das sind die artspezifischen Gene!«, ruft die Hundebesitzerin laut aus. Die Freundin winkt nur ab, um das Gespräch abzubrechen. Die Hundebesitzerin schaut nachdenklich zu Boden und wirft einen Blick auf ihren Hund, bevor sie leise hinzufügt: »Ich mag ihn auch. Aber er hatte eben schon genug FutterNachdem sie einen Moment schweigen, geht der Hund zum Sofa, auf dem seine Besitzerin sich niedergelassen hat, legt sich ihr zu Füssen und seinen Kopf zwischen seine Vorderpfoten. Dann hört er auf, mit dem Schwanz zu wedeln und ist ganz still. »Ist eigentlich davon auszugehen, daß jemand, der etwas von Pflanzen versteht, auch mit Hunden umgehen kann?«, unterbricht die Hundebesitzerin nach einigen Sekunden das Schweigen. »Was?«, fragt die Freundin verwundert zurück. »Oder allgemein mit Tieren?«, ergänzt die Hundebesitzerin ihre Frage. »Ja, vielleicht mit Blattläusen«, antwortet die Freundin lachend. »Ein Blumenverkäufer zum Beispiel?«, fährt die Hundebesitzerin unbeirrt fort, ohne die Antwort der Freundin zu beachten. »Ein Blumenverkäufer, der einen Hund hält, wird auch etwas von Hunden verstehen«, entgegnet die Freundin. »Ich weiß aber nicht, ob er einen Hund hat, und frage mich außerdem, ob ihn das Dasein als Blumenverkäufer als solcher zu einem Tierkenner machen kann«, bohrt die Hundebesitzerin hartnäckig nach. »Das ist offensichtlich abwegig, da Pflanzen und Tiere nicht ein und dasselbe sind«, erwidert die Freundin spitz. »Das dachte ich mir auch«, sagt die Hundebesitzerin zögernd und bleibt nachdenklich in ihren Überlegungen stecken. »Zeig mir doch lieber einmal die Fotos!«, fordert nun die Freundin, die sich plötzlich ungeduldig an den Grund des Besuchs der Hundebesitzerin erinnert. »Hier!«, sagt die Hundesitzerin, nachdem sie einen kleinen Packen Fotos aus ihrer Umhängetasche gezogen hat, und wirft sie ihrer Freundin auf das Bett, auf dem diese es sich auf dem Bauch liegend bequem gemacht hat. »Der Abstellraum wird doch noch ausgeräumt?«, kommentiert die Freundin fragend das erste Foto, das sie nun betrachtet. Die Hundebesitzerin beugt sich vor, um das auf dem Kopf stehende Bild sehen zu können. »Das ist nicht der Abstellraum«, entgegnet sie. »Nein?«, fragt die Freundin zurück. »Glaubst Du etwa, wir hätten in der Wohnung einen Abstellraum zur Verfügung«, antwortet die Hundebesitzerin brüsk und fährt fort: »Das ist das Wohnzimmer.« »Aber es sieht so dunkel aus«, entgegnet die Freundin verwundert. »Es ist ja auch im Keller und hat nur ein kleines Oberlicht als Fenster«, erläutert die Hundebesitzerin. »Und dieses Durcheinander?«, fragt die Freundin zurück, während sie in dem Stapel weiterblättert. »Der Vermieter sagt, angesichts der günstigen Miete, die er uns angeboten hätte, wären wir schon selbst dafür verantwortlich, auszuräumen und zu renovieren«, antwortet die Hundebesitzerin. »Im Bad wäre offensichtlich auch einiges zu tun«, sagt die Freundin, während sie ein Foto in Augenschein nimmt, das ein dickes rostiges Rohr zeigt, welches unter der Decke neben einer Neonröhre entlang läuft. »Das ist nicht das Bad«, erwidert die immer noch vorgebeugte Hundebesitzerin und fügt hinzu, »das ist immer noch das Wohnzimmer. Es hat ein Heizungsrohr für die Versorgung der Wohnungen in den oberen Stockwerken«. »Oh«, stöhnt die Freundin auf, während die Hundebesitzerin ihre Rede fortsetzt: »Das Bad müssen wir nicht renovieren.« »Ah, ein Lichtblick«, fährt die Freundin dazwischen. »Es gibt kein Bad. Aber eine Toilette im Flur neben dem Hauseingang im Erdgeschoss ist vorhanden«, beendet die Hundebesitzerin ihre Ausführungen. Die Freundin hat inzwischen immer mehr ihre Stirn in Falten gelegt und blättert die Fotos immer schneller bis zum Ende des Stapels durch. »Das ist ein Dreckloch«, fasst sie ihr Urteil zusammen. »Aber die Miete ist günstig«, wirft die Hundebesitzerin ein. »Die Miete, die Du mir gestern genannt hast, ist doch für eine zum Wohnzimmer deklarierte Abstellkammer mit rostigem Durchlaufrohr nicht günstig«, entgegnet die Freundin. »Doch, weil wir sie durch Drei teilen können«, erwidert die Hundebesitzerin. »Wie bitte?«, ruft die Freundin entsetzt auf. »Die Tochter unseres Kochs, die selbst gerade mit einer Lehre als Köchin begonnen hat, wird mit uns einziehen«, erklärt die Hundebesitzerin ihrer Freundin. »Wie wärs, wenn Du mich vorher fragen würdest, mit wem ich eine Wohnung teilen soll«, entgegnet die Freundin, wobei sie der Hundebesitzerin einen bösen Blick zuwirft. »Stell Dich nicht so an. Sie ist sehr freundlich. Außerdem hast Du gestern noch gesagt, Du willst unter allen Umständen ausziehen«, verteidigt sich die Hundebesitzerin. Die Freundin lässt seufzend ihren Kopf am der Hundebesitzerin zugewendeten Ende des Betts herabhängen und bleibt schweigend in dieser Position, ohne zu antworten. Die Hundebesitzerin lehnt sich in das Sofa zurück und blickt abwesend zum Fenster, durch das eine Straßenlaterne blaues Licht auf die auf dem Bett zerstreuten Fotos wirft, in die der geordnete Packen nach der Durchsicht zerfallen ist. Während die Hundebesitzerin ihre Füße auf das Sofa legt, streichelt die Freundin mit einem ausgestreckten Arm dem Hund, der sich müde auf die Seite gelegt hat, über das weiche Bauchfell. Nur sein zufriedenes Knurren durchbricht die Stille, die sich über das Zimmer der Freundin gelegt hat.


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