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Petra Schuseil schrieb am 22.4. 2021 um 15:46:56 Uhr über

krematorium

Frauen brennen besser. Besuch im Krematorium Zürich.
Veröffentlicht am 8. Februar 2015 von Petra Schuseil.
Samstagmorgen um 9 Uhr saß ich im Bus in Richterswil. Um 10.00 Uhr war ich nahe Zürich-Höngg beim Käferberg angekommen. Mit den öffentlichen Verkehrsmitteln landet man zu Füßen des majestätischen Geländes. Um 10.10 Uhr hatte ich mein Besucherticket für die Führung durchs Krematorium bezahlt. Hier meine Eindrücke und die Fakten im Newstickerstil. Das Krematorium Zürich Nord gehört neben Stockholm zu den größten Europas. 60 Besucher sind gekommen. Jung und Alt. Männer und Frauen. In zwei Gruppen wurden wir geführt. Ich hatte die Freude in der Gruppe von Herrn Zimmermann zu sein, dem Leiter des Krematoriums. Wir waren fast 2 Stunden unterwegs: Begrüßt wurden wir in der großen Trauerhalle. Der Rundgang führte zum Kühlraum, dann zum ganz persönlichen Abschieds-/ Aufbahrungsraum, in dem sich die Hinterbliebenen von ihrem Verstorbenen verabschiedenen können. Dann ging es zu den Öfen: ein leerer Sarg wurde verbrannt, die Knochenasche wird in die Urne gefüllt. Diese kommt zur Versand- und Verpackungsstation. Abschließend sahen wir eine kleine Ausstellung der verschiedenen Urnen und Metallteile, die sich in einem Körper befinden können. Ein toter Körper wird im Sarg bei 5 Grad in einem Kühlhaus aufbewahrt bis zur Einäscherung. Körper im Verwesungsstadium (Verstorbene, die erst 2-3 Tage nach ihrem Tod in der Wohnung gefunden werden) und verletzte Körper (Personenunfälle, Suizid) werden tief gekühlt. Wir durften als Besucher leise durch das Kühlhaus gehen. Etwa 30 Särge standen da. Als Hinterbliebener kann man alle Schrittevom Abholen des Toten, Einkleiden des Verstorbenen bis hin zur letzten Station, dem Ofen, miterleben und gestalten. Jeder Tote wirdgepflegt“. Es findet keine rituelle Waschung statt. Alles was gewünscht wird, wird dem Toten angezogen: der schwarze Anzug genauso wie das Fußballtrikot. Bevor Angehörige sich
von dem Verstorbenen verabschieden, wird der Tote hergerichtet. Es tritt immer wieder Körperflüssigkeit aus, so dass regelmäßig geprüft wird, wie es um den „Toten steht“. Dann wird ggfs. weggewischt oder neu eingekleidet. Die übliche Kleidung ist übrigens das Totenhemd, das einem Nachthemd ähnelt (hätte ich mir mal zeigen lassen sollen!! – daran hab ich nicht gedacht). Eine Kremierung dauert bis zu 3 Stunden. Der Sarg wird in den 650 Grad heißen Ofen gefahren. Ein Körper hat unendlich viel Energie, so dass sich ein Ofen bis auf 1000 Grad aufheizen kann. Die verbliebene Knochenasche wird eine Etage tiefer aufgefangen. Sie fällt hinunter in eine Art Schublade. Alle Metallteile werden mit einem Magnet entfernt (Sargnägel sowie künstliche Gelenke), dann wird die Knochenasche zerbröselt aber nicht gemahlen (wenn die Asche zu fein ist und man sie ausschütten will, zerstäubt sie vielleicht im Wind und hängt womöglich in den Augen und den Kleidern). Vom Menschen bleiben etwas 1,7 bis 2,4 kg Knochenasche übrig. Alle anderen Körperteile verbrennen, verdunsten, lösen sich auf. Anscheinend die Holzasche auch aufgrund der enormen Hitze. Eine unglaublich große Filteranlage ist den Öfen übrigens angeschlossen, die den Rauch und die Verbrennungsgase säubern, entgiften, filtern, so dass fast saubere Luft in den Himmel steigt. Frauen brennen besser als Männer. Gesunde besser als Kranke. Es werden auch verstorbene Kinder, Babys und Embryos verbrannt. Es werden auch Organabfälle aus Krankenhäusern in einem Sarg verbrannt. Zwischen November und April finden leider die meisten Suizide statt. Bis zu drei Personen werden wöchentlich eingeliefert. Angeblich gehört die Schweiz zu den Ländern mit der höchsten Selbstmordrate. (Das will ich gleich mal recherchieren). Das Krematorium verschickt Urnen in die ganze Welt. Die Postpakete sind verschnürt und versiegelt und warten auf Abholung. Herr Zimmermann hat uns auch die eine oder andere Anekdote erzählt, aber auch warum er diesen Beruf ausführt und wie es ihm damit geht. Er wollte etwas tun mit Sinn. Bodenständig muss man sein, gut getragen sein in der Familie und im Freundeskreis, Hobbies nachgehen. Mit der Zeit gewinnt man professionelle Distanz und doch ist man empathisch mit den Trauernden. Ethik ist ein wichtiger Wert. Die Arbeiten in einem Krematorium sind vielfältig, deshalb erledigen alle Mitarbeiter im Turnus alle Arbeiten. Mal vorne bei den Trauernden und in den Abschiedsräumen, mal hinter den Kulissen oder am Ofen. Führungen wie diese finden nicht nur öffentlich statt. Schulklassen melden sich an oder Konfirmandengruppen. Wer auch immer als Gruppe diese Führung erleben will, muss sich nur anmelden. Mein Fazit: Es hat mir unglaublich gut gefallen. Ich bin beeindruckt von der Größe und Großzügigkeit des ganzen Gebäudes. Wenn ich richtig aufgepasst habe, können bis zu 30 Trauerfamilien gleichzeitig von ihren Verstorbenen Abschied nehmen. Genau so viele Räume gibt es. Wer sich für den Beruf dort im Krematorium interessiert, kann einen Schnuppertag oder zwei anfragen. Voraussetzung sind ein technischer Beruf oder eine soziale Vorbildung. Der Vormittag hat mich gefordert. Den Nachmittag habe ich in Ruhe und mit einem Spaziergang verbracht, um alle Eindrücke zu verarbeiten.
Mein letzter Wunsch steht fest: Ich lasse mich einäschern. Jetzt hab ich gesehen, was passiert und wie es passiert. Verwechslungen sind ausgeschlossen und alle Mitarbeitenden haben viel Respekt und Achtung vor den Toten. Auch aus Umweltgründen, die den Boden und Mutter Erde sauber halten. Wir haben gelernt, dass ein verwesender Körper für die Erde belastend ist, wegen der Gifte in uns usw.


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