Die Koalition der Willigen
Florian Rötzer 09.03.2003
Nach einem Bericht des Institute for Policy Studies hat die US-Regierung die
Mehrzahl der auf 34 Mitglieder geschätzten Koalition mit Zwang, Druck,
Bestechung oder Drohungen von ihrer Irak-Politik »überzeugt«
So wie es derzeit aussieht, wird US-Präsident Bush, der dazu vom amerikanischen
Kongress ermächtigt wurde, ohne neuen Beschluss des Sicherheitsrats auf eigene Faust
die Invasion in den Irak starten. In seiner letzten Pressekonferenz macht er
unmissverständlich klar, dass der ihm als Präsident der globalen Supermacht es letztlich
egal ist, wie die UN sich verhält, wenn er etwas für die nationalen Interessen seines
Landes als wichtig erachtet. Mit den USA wird dann die stets angeführte Koalition der
Willigen in den Krieg ziehen - oder diese Vasallenstaaten werden zumindest das
Vorgehen der US-Regierung decken, so dass sie nicht so erscheint, als würde sie
selbstherrlich handeln.
Eine große Zahl von Ländern stünde hinter der Irak-Politik der US-Regierung, haben deren
Vertreter immer wieder verkündet. Kürzlich erklärte Vizeverteidigungsminister Wolfowitz
stolz, dass die Koalition jetzt größer als diejenige sei, die hinter dem Krieg stand, den Bush I
1991 gegen Hussein führte. Die Koalition trug nicht nur mit Truppen zum Krieg bei, Staaten
wie Deutschland und Japan, die sich militärisch zurückhielten, zahlten jedoch den Großteil
der Kriegskosten. Das dürfte dieses Mal sicherlich nicht geschehen, der Krieg wird überdies
mitsamt Besatzungszeit auch bei den optimalsten Szenarien wesentlich teurer kommen.
Damals war bekanntlich der Irak in Kuwait einmarschiert, was ein klarer Bruch des
Völkerrechts war. Heute würden die USA mitsamt ihren Alliierten das geltende Völkerrecht
mit einem Angriffsrecht brechen, der nicht von der Weltgemeinschaft legitimiert ist. Das
könnte besonders interessant bei den Staaten werden, die sich wie Großbritannien mit
Truppen beteiligen und gleichzeitig zu den Unterzeichnern des Internationalen
Strafgerichtshofs für schwere Vergehen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen
gehören. Die US-Regierung unter Bush hat hingegen - im Einklang mit Israel, China, Russland
und einigen Schurkenstaaten wie dem Irak die Einrichtung des Strafgerichtshofs wohlweislich
boykottiert und versucht weiterhin, diesen zu unterminieren.
Eine offizielle Liste der »Koalition der Willigen«, die sich hinter Bush eingeordnet haben, gibt
es nicht. 1991 haben sich der von den USA angeführten Kriegs-Allianz 33 Staaten
angeschlossen. Dieses Mal, so hat das Institute für Policy Studies in Washington nun
recherchiert, sind es bislang vermutlich 34 Staaten, auch wenn Vizeverteidigungsminister
Wolfowitz unlängst von insgesamt 48 gesprochen), sie aber wiederum nicht genannt hat):
Albanien, Armenien, Australien, Aserbeidschan, Bahrain, Bulgarien, Costa Rica, Dänemark,
Estland, Georgien, Großbritanien, Israel, Italien, Japan, Jordanien, Katar, Kroatien, Kuwait,
Lettland, Litauen, Mazedonien, Oman, Philippinen, Polen, Portugal, Rumänien,
Saudi-Arabien, Slowakei, Slowenien, Spanien, Tschechische Republik, Türkei, Vereinigte
Arabische Emirate und Ungarn.
Aber schon vor 12 Jahren bestand die Koalition keineswegs nur aus Freiwilligen, die sich ihr
aus eigener Überzeugung angeschlossen hatten. So soll, wie das Institute for Policy Studies in
der kürzlich veröffentlichten Studie "Coalition Of The Willing Or Coalition Of The
Coerced?" berichtet, die US-Regierung 1990 China angeboten haben, um ein Veto zu
verhindern, dass man nach dem Tienanmen-Massaker wieder stärker diplomatische
Beziehungen aufzunehmen und Wirtschaftshilfen zu geben. Einigen armen Länder, die einen
Sitz im Sicherheitsrat hatten, wurde angeblich billiges saudisches Öl, Wirtschafts- und
Militärhilfe angeboten. Und nachdem Jemen, seinerzeit wie jetzt Syrien das einige arabische
Land im Sicherheitsrat, als einziger Staat gegen die Resolution gestimmt hatte, soll ein
US-Diplomat dem Botschafter Jemens gesagt haben, dass dies die teuerste Nein-Stimme
gewesen sei, die er jemals gemacht habe. Die US-Regierung stellte ein paar Tage später die
Entwicklungshilfe ein.
" But America is not alone in this sentiment. There are a lot of countries who fully
understand the threat of Saddam Hussein. A lot of countries realize that the credibility of the
Security Council is at stake -- a lot of countries, like America, who hope that he would have
disarmed, and a lot of countries which realize that it may require force -- may require force
-- to disarm him." - Präsident Bush auf der Pressekonferenz am 6. März
Dieses Mal, so der Bericht, besteht die »Koalition der Willigen« fast ausschließlich aus
irgendwie Genötigten: "Nach unserer Untersuchung haben sich fast alle Länder durch Zwang,
Druck, Bestechung oder versteckte Drohungen angeschlossen, die direkt die Interessen dieses
Landes schädigen würden. Diese 'Koalition der Willigen' steht in direktem Konflikt zur
Demokratie. In den meisten Nationen, auch in denen, die den USA am nächsten stehen, lehnen
über 70 Prozent der Bürger eine militärische Aktionen der USA gegen den Irak ab."
Das sei, so das Institut, entgegen den Äußerungen der US-Regierung aber auch keine starke
Koalition. Die 34 Länder vertreten nur 10 Prozent der Weltbevölkerung. Und würde man die
Gegner des Krieges noch abziehen, die nach Umfragen durchschnittlich etwa 70 Prozent der
Bürger ausmachen, so entspräche die Koalition der Willigen drei Prozent der
Weltbevölkerung. Die Rechnung ist aber auch nicht sehr viel besser als die Rede von der
starken Koalition der Willigen.
Regierungen wie die von Spanien, Italien, Japan, Dänemark, Australien oder Portugal haben
sich nach Einschätzung des Berichts freiwillig eingereiht. Manche würde nur Folgen der
Supermacht fürchten, wenn sie sich nicht ihr gemäß entscheiden. Schließlich hat Bush schon
lange klar gemacht, dass man nur für oder gegen die USA sein kann. Die osteuropäischen
Länder wollen hingegen vornehmlich die Unterstützung der USA für ihren Nato-Beitritt nicht
verlieren und erhoffen sich weiterhin wirtschaftliche Vorteile, wenn sie die Irak-Politik der
US-Regierung tragen. Dabei geht es auch um amerikanische Stützpunkte und Militärhilfen
(umgekehrt drohen die USA damit, in Deutschland Stützpunkte zu schließen und an
französische und deutsche Firmen keine Rüstungsaufträge zu vergeben).
Die arabischen Staaten der Koalition sind Monarchien und politisch wie auch militärisch von
der Unterstützung der USA abhängig. Sie haben zwar zunächst eine Zusammenarbeit
abgelehnt, aber ihre Länder dann doch für die amerikanischen Truppen geöffnet. Jordanien
erwartet dafür angeblich eine weitere Milliarde an Hilfsgeldern. Die türkische Regierung
schwankt noch, aber hier wurde am deutlichsten, wie die US-Regierung die Unterstützung mit
Milliarden von Dollars einkauft. Überdies hat die Türkei ein eigenes militärisches Interesse,
Truppen in den Nordirak zu schicken.
Costa Rica befindet sich in Verhandlungen über ein Handelsabkommen mit den USA, die
Philippinen arbeiten mit den USA im Gegenzug zu militärischer Unterstützung für den Kampf
gegen Rebellen im eigenen Land und zu Hilfsleistungen zusammen.
Im Sicherheitsrat stehen sicher Spanien, Bulgarien und Großbritannien hinter der
US-Regierung. Die weiteren Mitglieder stehen unter starkem Druck. Besonders Angola,
Kamerun, Guinea, Mexiko und Chile sind wirtschaftlich auf die USA angewiesen, auch wenn
sie sich noch nicht entschlossen haben, wie sie abstimmen werden. Pakistan wird es sich nicht
erlauben können, nicht auf die Seite der USA zu treten, obgleich die Regierung innenpolitisch
damit mehr als die anderen Regierungen riskiert. China und Russland werden vermutlich nicht
für die Resolution stimmen, aber auch nicht von ihrem Veto-Recht Gebrauch machen.
Besonders zwischen den USA und Russland finden ausgiebige Verhandlungen statt.
»Die Behauptung der Bush-Regierung«, so das Fazit des Berichts, "dass sie eine 'Koalition
der Willigen' zusammen gebracht habe, steht im Zentrum ihres Kampfes um die öffentliche
Meinung, hinter dem Krieg zu stehen. Doch als globale Supermacht, der enorme militärische
und wirtschaftliche Ressourcen zur Verfügung stehen, haben die USA nicht die 'Willigen' zu
versammeln. Wir sehen im Zuge der Koalitionsbildung durch die USA Beweise für Zwang,
Druck und Handlungen, die auf Bestechung hinauslaufen. Und selbst mit dieser vorhandenen
Macht kann die Regierung nicht einmal die Identität der Mitglieder der Koalition mitteilen."
Kommentare:
Labour MP Alan Simpson (Der Fahrer, 10.3.2003 3:40)
Schade. (cui bono, 10.3.2003 3:19)
simpson, zum zweiten (frajo rolofs, 10.3.2003 3:05)
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last modified: 08.03.2003
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