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Rothschild

Quelle: Oxford University / Prof. Dr. Nial Ferguson

und: Deutschland Radio.

"BuchTipp
Sonn- und Feiertag12:50

17.11.2002
Propheten des Geldes.
Die Geschichte der Rothschilds von
Nial Ferguson

Wie haben sie das bloß gemacht? Das ist die immer wiederkehrende Frage in Niall Fergusons »Geschichte der Rothschilds«. Der deutsche Dichter Heinrich Heine, dem Hause Rothschild mal freundschaftlich, mal kritisch verbunden, lieferte nicht nur die Idee zum Untertitel mit seinem Ausspruch »Geld ist der Gott unserer Zeit, und Rothschild sein Prophet«, sondern auch den Zipfel einer Antwort. Er sah die jüdische Bankiers-Familie aus Frankfurt als Revolutionäre, weil sie die Vorherrschaft des Bodens und damit der Aristokratie durch die Herrschaft des Geldes und damit der Demokratie abgelöst hatten. Die Frage ist, wie haben die Rothschilds es aus dem Frankfurter Judenghetto, wo Mayer Amschel Rothschild Ende des 18. Jahrhunderts seine Bankgeschäfte begann, bis zu Europas führendem Emissionshaus für Staatsanleihen gebracht? Um den ungeheuren Reichtum der Familie deutlich zu machen, zitiert Ferguson zahlreiche Zeitzeugen, darunter einen französischen Journalisten, der 1841 schrieb: Es gibt nur eine einzige Macht in Europa, das sind die Rothschilds.

Und der 38-jährige Historiker aus Oxford bestätigt, dass die reichste Dynastie der Geschichte über Krieg und Frieden in Europa im 19. Jahrhundert zumindest mitentschied, indem sie Geld gab oder es vorenthielt. Also: Wie haben Sie das bloß geschafft? Niall Ferguson:

»Das Haus Rothschild war sehr herausragend und einmalig, weil es sozusagen eine Mischung war zwischen einer Familienfirma und einer multinational agierenden Gruppe. Das war sehr wichtig, weil es möglich war, mit den Stärken einer Familienfirma zu arbeiten. Diese Teilhaber, die berühmten 5 Söhne von Mayer Amschel, sie waren in den wichtigsten Metropolen Europas ansässig. Nathan war in London, James war in Paris, Carl war in Neapel, Salomon in Wien und der älteste, Amschel, lebte und arbeitete am Stammsitz in Frankfurt am Main. Und das war neu, diese Möglichkeit, Finanzgeschäfte teilweise als Familiengeschäfte und auch als internationale Geschäfte zu führen. Zudem war es eine erfolgreiche Gelegenheit, die Finanzmärkte Europas und später die Finanzmärkte der Welt zu vereinigen. Das ist, kurz gesagt, vielleicht die wichtigste Erklärung

Als von Globalisierung noch lange nicht die Rede war, meint Ferguson, legte die jüdische Familie aus Frankfurt schon die Grundlagen dafür. Der rasante Aufstieg der Rothschilds begann, als die - wie Heine sie nannte - »fürstlichen Säcklmeister« sich nicht mehr nur darauf beschränkten, den bodenständigen Adel in Finanzfragen zu beraten, sondern darangingen, Anleihen im großen Stil zu organisieren und sich als Emissionshaus für Staatsanleihen einzurichten. Nicht nur das: Anfang der 1840er Jahre hatten sich die Rothschilds als wichtigste Geldgeber des kontinentalen Eisenbahnbaus etabliert und damit den Schritt aus dem Bereich der Staatsinvestitionen zu den Industrieinvestitionen getan.

Zusammenhalt, Moral, Fleiß steht auf dem Familienwappen der Rothschilds und darauf haben die Mitglieder sich in ihren Depeschen und Briefen immer wieder gegenseitig eingeschworen. Niall Ferguson hat sie als erster gelesen. 35 bislang hermetisch verschlossene Kisten mit Korrespondenz allein in London. Weitere Papiere in Frankfurt, Paris und Moskau, wohin das Archiv des Wiener Hauses nach dem 2. Weltkrieg ging. Fünf Jahre lang hat er die teilweise auf jiddisch und hebräisch geschriebene Korrespondenz ausgewertet.

»Ich bin kein Jude. Und ich bin kein Geschäftsmann. Ich bin Historiker und meine persönlichen Finanzen sind normalerweise sehr chaotisch. ... Aber ich glaube, wenn man 13 000 Briefe liest, dann hat man am Ende doch ein gewisses Verständnis für diese Menschen. Für mich war klar: Die Rothschilds waren sehr stolz darauf, dass sie eine außerordentliche Familie waren. Sie betrachteten sich als die königliche Familie des Judentums. Und dieses Gefühl von Außerordentlichkeit hat mich sehr beeindruckt

Je erfolgreicher sie geschäftlich waren, desto schärfer wurden die Rothschilds angegriffen, und zwar von links wie von rechts. »Pariakönige der Welt« schimpften die Brüder Goncourt sie, »blutsaugende Bande« ein englischer Arbeiterführer. Einige der im 19 Jahrhundert gebrauchten Anschuldigungen wurden später von den Nationalsozialisten benutzt, um Stimmung gegen die Juden zu machen. Die Rothschilds aber hatten sich entschieden, auf Attacken nicht zu antworten und stattdessen zu helfen, wo es ihnen notwendig schien. Zum Beispiel mit gelegentlichen Spenden für den nach Frankreich emigrierten deutschen Dichter Heinrich Heine, der sich mit seinen Schriften über die Familie aber nicht wirklich dafür bedankte. Niall Ferguson:

»Heine ist ganz typisch für die Schriftsteller, die über die Rothschild Familie im 19. Jahrhundert geschrieben haben. Man könnte auch Balzac nennen, Proust, Disraeli in England, Thackery in England und Zola in Frankreich. Und die Beziehungen zwischen Schriftsteller und Bankier war oft gespannt. Man beneidete die Rothschilds um ihren Reichtum. Besonders schwierig war es offensichtlich, mit einem Mann wie James Rothschild eine normale Beziehung zu haben. Die Beziehung war immer ambivalent. Der einzige Schriftsteller, der James wirklich verstand und gut mit ihm auskam, war Balzac. Für Heinrich Heine war es schwieriger. Ich glaube, Heine konnte es nicht ertragen, dass James so reich war. Unmöglich reich

In der Tat war der Reichtum der Rothschilds angesichts der unsäglichen Armut, in der die große Mehrheit der Europäer im 19. Jahrhundert ihr Leben fristete, nicht nur für Heinrich Heine eine Provokation. Vielleicht um die Neider zu beschwichtigen, vielleicht aus ehrlich gefühlter sozialer Verantwortung, gaben die Rothschilds - wie Ferguson schätzt - 10 bis 15 Prozent ihres Einkommens grundsätzlich weiter an Bedürftige.

Was die Geschäfte der Rothschilds angeht, die florieren auch heute noch weiter - in einem etwas kleineren Maßstab. Aber weltweit, von London über Zürich bis Sydney. Das Rezept, wie sie es geschafft haben, hat en detail Niall Ferguson geliefert.

An dieser Stelle soll allerdings nicht unbemerkt bleiben, dass die 1500 Seiten starke Rothschild Historie nicht ganz mühelos zu lesen ist. Einerseits aufgrund ihrer immensen Faktendichte, andererseits, weil der Autor offenbar zuletzt von dem Ehrgeiz getrieben wurde, den Werdegang der Familie als spannende Geschichte zu erzählen. Zu viele nur Spezialisten zugängliche finanzhistorische Details, sowie die schiere Menge der aufgelisteten Geburten und Heiraten, hinterlassen beim Lesen gelegentlich Benommenheit statt eines vitalen Bildes der Rothschilds. Trotzdem: Die Lebensgeschichte, die in diesem Buch steckt, ist stärker als das stilistische Raffinement des Biographen. Sie durchdringt mit Leichtigkeit jede trockene Faktensammlung."






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