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wuming schrieb am 15.7. 2007 um 00:02:41 Uhr über

Kontrollgesellschaft

Integration durch Sprache
Grußwort von Innenminister Dr. Stegner anlässlich der Fachtagung »Integration durch Sprache« am 19. Januar 2007 in Neumünster.

Es gilt das gesprochene Wort.

Der Leiter für Innenpolitik bei der süddeutschen Zeitung, Heribert Prantl, beschreibt unsere Gesellschaft als Paternostergesellschaft. »Der gesunde, gewandte und leistungsfähige Mensch kann aus den Fahrkörben jederzeit ein- und aussteigen. Die anderen, die mit Kinderwagen, die mit Krücken, die Alten und die Schwachen, die müssen draußen bleiben, die werden nicht befördertWer aber die Anforderungen an Mobilität und Flexibilität nicht erfüllt, scheint selbst schuld zu sein, der habe berechtigt keinen Anspruch auf einen Job, eine angemessene Bezahlung und eigentlich auch noch nicht einmal auf Hilfe vom Staat.

Mein Verständnis vom Staat setzt vorher an. Wir müssen möglichst viele Menschen in die Lage versetzen, diesen Paternoster ohne Hilfe zu benutzen und wir müssen neben dem Paternoster einen modernen Fahrstuhl anlegen, in dem man auch mit einem Kinderwagen dorthin gelangen kann, wo andere ohne Probleme mit dem Paternoster - also auf den gängigen Wegen - gelangen können.

Ohne diese zwei geschilderten Ansätze grenzen wir aus, berauben wir gerade junge Leute um eine Perspektive und wir gefährden den sozialen Zusammenhalt unserer Gesellschaft.

Demokratie setzt mündige und selbstbestimmte Bürgerinnen und Bürger voraus. Mit zunehmender Ausgrenzung entziehe ich unserem System diese Grundlage.

Spätestens seit Pisa wissen wir, dass bereits unser Schulsystem stark nach der Herkunft von Schülerinnen und Schülern selektiert und die Arbeitslosenstatistiken zeigen dann deutlich die geringen Chancen für Migrantinnen und Migranten.

Wenn ich den aktiven mündigen Menschen zum Ziel habe, der in der Lage ist, ein selbst bestimmtes Leben zu führen und dabei finanziell unabhängig zu sein, der sich für die Gesellschaft einsetzt, mitwirkt in Vereinen,Verbänden oder Parteien, kurz, der oder die in unserer Gesellschaft integriert ist, dann muss ich das Handwerkszeug dafür bereitstellen, dann muss ich an den Schrauben drehen, die eine solche Teilhabe erst ermöglichen. Oder um im Fahrstuhlbild zu bleiben: Ich muss die Gebrauchsanweisung für den Paternoster vermitteln und Zugangsschranken abbauen.

Wie kann dies geschehen?

Wenn ein »Nationaler Integrationsplan« mehr sein will als ein Stapel Papier, sollte er nicht nur in Berliner Arbeitsgruppen, sondern auch vor Ort mitentwickelt werden. Diesen Prozess unterstützen wir in Schleswig-Holstein durch eine Reihe von Fachveranstaltungen und dich bin sehr froh, dass wir den Landesverband der Volkshochschulen als Partner dabei haben. Dank auch an den zweiten Mitveranstalter, dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge.

2006 haben wir zu den Handlungsfeldern »Von Anfang an deutsche Sprache fördern« und »Bürgerschaftliches Engagement und Integration« eingeladen.

Auf der heutigen Veranstaltung geht es um das Handlungsfeld »Integrationskurse verbessern«. Und Verbesserungsvorschläge gibt es sicher reichlich, allein zu dieser Tagung hat jeder Zweite entsprechende Wünsche geäußert. Ich bin gespannt, inwieweit sie den Veränderungsvorschlägen ähneln, die Herr Dr. Hauschild vom Bundesinnenministerium gleich im Anschluss vorstellen wird.

Bei aller notwendigen Verbesserung sollten wir jedoch nicht vergessen, dass die Einführung der Integrationskurse durch das Zuwanderungsgesetz der rot-grünen Bundesregierung ein Meilenstein in der Integrationspolitik Deutschlands war.

Erstmals wurde für Ausländerinnen und Ausländer ein Rechtsanspruch auf Integration formuliert und das Prinzip Fördern und Fordern mit Leben erfüllt.

Wir fordern Engagement ein, den Paternoster, sprich die deutsche Gesellschaft zu verstehen und ihn zu betreten, sichern aber zugleich zu, das Engagement zu unterstützen und die Zutrittsbeschränkungen abzubauen.

Ziel müsste sein, auch andere auf Dauer nach Deutschland kommenden Zuwanderergruppen in dieses Prinzip einzubinden (Gemeint sind vor allem die Spätaussiedler, für die bislang nur das Prinzip des Förderns, nicht aber des Forderns gilt).

Das Prinzip des »Förderns und Forderns« sollte in einer ausgewogenen Balance stehen und darf nicht als Ausgrenzungsinstrument missbraucht werden. Die Forderung des Staates nach ausreichenden Deutschkenntnissen bei den Zuwanderern ist legitim.

Wir dürfen aber nichts Unmögliches verlangen. Manchmal muss es halt der moderne Fahrstuhl sein: Auch jemand, der oder die die Prüfung nicht besteht muss die Möglichkeit haben, das sein oder ihr Aufenthalt verlängert wird.

Aufgrund des unterschiedlichen Bildungsstandes, der unterschiedlichen familiären oder wirtschaftlichen Situation wird nicht jeder Zuwanderer und jede Zuwanderin in der Lage sein, nach einer vorgegebenen Stundenzahl die Zertifikatsprüfung erfolgreich abzugeben.

Insofern ist es richtig, den Nachweis ausreichender Deutschkenntnisse erst bei der Verfestigung des Aufenthalts durch eine Niederlassungserlaubnis zu verlangen.

Der Nationale Integrationsplan und durch das bundesweite Integrationsprogramm sollen hier die bisherigen Integrationsangebote verbessern und Arbeit vor Ort ergänzen und unterstützen.

Über 130 Anmeldungen zur heutigen Fachtagung zeigen: Es gibt ein großes Interesse in Schleswig-Holstein, sich mit Fragen der Integration zu beschäftigen und vor allem einen starken Willen, die örtlichen Angebote so auszugestalten, dass der Integrationsprozess beschleunigt wird.

Besonders wichtig sollte uns sein, auf die Interessen der ländlichen Räume aufmerksam zu machen. Viel zu oft werden Integrationskonzeptionen an Ballungszentren ausgerichtet. Der Situation in Landkreisen mit einem geringeren MigrantInnenanteil werden diese Konzeptionen meist nicht gerecht.

Wir brauchen flexible Systeme, die auf die Bedürfnisse vor Ort reagieren. Eine Maßgabe, die für die Integrationsförderung insgesamt gelten sollte:

Sie sollte mehr auf die Verhältnisse vor Ort zugeschnitten beziehungsweise zuschneidbar sein. Unter anderem darum wird es heute gehen.

Die Arbeiten am Nationalen Integrationsplan sind voll im Gange. Vertreterinnen und Vertreter aus Wissenschaft und Forschung, aus der Praxis, von Migrantenorganisationen und Trägerverbänden und der Kommunalen Spitzenverbände, der Länder und anderer Bundesbehörden wirken in den Arbeitsgruppen mit. Im Rahmen des bundesweiten Integrationsprogramms werden bis dahin voraussichtlich auch die Empfehlungen zur Verbesserung der Sprachförderung vorliegen.

Vertreterinnen und Vertreter aus Schleswig-Holstein bringen in beiden Projekten unsere Erfahrungen und Vorstellungen ein.

Vielleicht haben auch Sie im SPIEGEL vergangener Woche die Vision über die »Buntesrepublik« 2067 gelesen. In dieser Vision sagt der Migrationshintergrund nichts mehr aus über die Chancen in der Gesellschaft. Migranten fühlen sich in Deutschland immer noch türkisch, afghanisch, russisch - von ihren Wurzeln her. Aber sie fühlen sich immer auch deutsch.

Von dieser Vision sind wir noch ein ganzes Stück entfernt. Mit dem Nationalen Integrationsplan, dem bundesweiten Integrationsprogramm, der Deutschen Islamkonferenz, dem Bleiberecht und vor allem mit den vielen lokalen Aktivitäten können wir uns dieser Vision aber nähern.

Laut Benjamin Franklin bringt die Investition in Wissen die größten Zinsen. Lassen Sie mich diese Weisheit dahingehend ausweiten, dass Investitionen in Menschen die größten Zinsen bringt. Und stellen Sei sich vor was uns entgehen würde, wenn wir bis 2067 warten würden.




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