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Yahwe Mutabo schrieb am 16.10. 2005 um 22:28:05 Uhr über

Fernseher

Jetzt haben wir endlich auch einen! So einen wie bei Chlodwig zu Hause. Chlodwig, das ist ein Klassenkamerad von mir - er ist der Schlechteste in der Klasse, aber er ist sehr nett. Der Schlechteste ist er, weil er nicht so gut im Rechnen, in Grammatik, in Geschichte und Erdkunde ist. Am besten ist er noch im Zeichnen, da ist er der Zweitschlechteste, nämlich der Max ist Linkshänder.

Papa wollte erst nichts davon wissen, er hat gesagt, das lenkt mich nur ab bei den Hausaufgaben und dann bin ich der Schlechteste in der Klasse. Und dann hat er gesagt, es ist ganz schlecht für die Augen und es gibt überhaupt keinen Meinungsaustausch mehr in der Familie und man hat keine Zeit mehr, Bücher zu lesen.

Und dann hat Mama gesagt, schließlich und endlich wäre das doch keine so schlechte Idee, und da hat Papa sich entschlossen und hat einen Fernseher gekauft.

Heute sollte er geliefert werden, der Fernseher. Ich bin schon ganz ungeduldig gewesen; Papa, dem sieht man nichts an, aber er ist auch ungeduldig gewesen, vor allem seit er Herrn Bleder davon erzählt hat, das ist unser Nachbar und der hat keinen Fernseher.

ENDLICH HAT DER LASTWAGEN vor unserem Haus gehalten und wir haben den Mann aussteigen sehen, der den Fernseher trägt, und der war sehr schwer.

»Ist das hier richtig?«, hat der Mann gefragt. Papa hat gesagt, ja, aber er soll einen Moment warten, bevor er ihn reinträgt ins Haus.

Papa ist nahe an die Hecke herangetreten, die unseren Garten von den Bleders trennt, und er hat gerufen: »Bleder, schau mal her

Herr Bleder, der muss uns schon vom Fenster aus gesehen haben, er ist sofort rausgekommen. »Was willst du denn schon wieder?«, hat er gesagt. »Kann man denn nicht mal Ruhe in seinen vier Wänden haben

»Schau mal her, das ist mein Fernseher!«, hat Papa gerufen. Herr Bleder, der ist näher gekommen und er hat sich Zeit gelassen, aber ich kenne ihn schon, er war ganz schön neugierig.

»Pöh«, hat er gesagt, der Herr Bleder, »das ist ja nur ein kleiner Bildschirm

»Ein kleiner Bildschirm«, hat Papa gesagt, »ein kleiner Bildschirm? Du spinnst wohl, wie? Das ist ein 54er-Bildschirm! Du bist nur neidisch, ja, das bist du

Da hat Herr Bleder angefangen zu lachen - aber das war nicht echt.

»Neidisch - ich?«, hat er gelacht. »Wenn ich mir einen Fernseher kaufen wollte, hätte ich das schon längst getan! Ich habe ein Klavier, mein Lieber! Ich habe Platten mit klassischer Musik! Ich besitze Bücher! . . .«

»Was du nicht sagst!«, hat Papa gerufen. »Du bist einfach nur neidisch - Punkt- »Ach ja?«, hat Herr Bleder gefragt. »Jawohl«, hat Papa geantwortet. Und da hat der Mann, der den Fernseher trug, gefragt, ob es noch lange dauert, nämlich das Gerät ist schwer und er hat noch andere Lieferungen zu machen. Wir hatten den ja vollkommen vergessen, den Mann!

Papa hat ihn ins Haus geführt, der Mann war ganz verschwitzt im Gesicht und der Fernseher sah wirklich sehr schwer aus.

»Wo soll ich ihn hinstellen?«, hat der Mann gefragt. »Mal sehen«, hat Mama gesagt. Die ist aus der Küche gekommen und sie sah sehr zufrieden aus.

»Moment, Moment!«, hat sie gesagt und sie hat einen Finger an den Mund gelegt und sie hat angefangen nachzudenken. »Gnädige Frau«, hat der Mann gesagt, »entscheiden Sie sich, das Ding ist schwer

»Auf das kleine Tischchen da drüben«, hat Papa gesagt.

Der Mann ist schon hingegangen, aber Mama hat gesagt, nein, den Tisch braucht sie, um den Tee zu servieren, wenn sie ihre Freundinnen eingeladen hat.

Der Mann ist stehen geblieben und er hat sehr geschnauft. Mama hat sich immer noch nicht entscheiden können zwischen dem runden Tischchen, das ein bisschen wacklig ist, und der kleinen Kommode, aber da kann man keine Sessel davorstellen, und dem Sekretär - der ist ungünstig wegen der Fenster.

»Na, entscheidest du dich endlich?«, hat Papa gefragt. Er ist schon ungeduldig gewesen. Mama ist wütend geworden, sie hat gesagt, sie erträgt es nicht, gedrängt zu werden, und sie lässt nicht zu, dass man in diesem Ton mit ihr redet, schon gar nicht vor Fremden.

»SCHNELL - ODER ICH LASSE ihn fallen!«, hat der Mann gerufen. Und Mama hat in aller Eile auf den Tisch gezeigt, den Papa schon vorgeschlagen hat. Der Mann hat den Fernseher auf den Tisch gestellt und hat »Uffgemacht. Ich glaube, der ist ungeheuer schwer, der Fernseher.

Der Mann hat den Stecker in die Steckdose gesteckt und er hat an allerlei Knöpfen gedreht und der Bildschirm ist hell geworden, aber es sind keine Cowboys zu sehen gewesen und auch keine dicken, hässlichen Catcher wie auf Chlodwigs Fernseher - nur Sterne und Pünktchen.

»Geht das nicht besser?«, hat Papa gefragt. »Ich muss die Antenne anschließen«, hat der Mann geantwortet. »Aber Sie haben mich schon so lange aufgehalten - ich komme noch mal wieder, wenn ich die anderen Sachen ausgeliefert habe. Das dauert nicht langeUnd der Mann ist gegangen.

Ich fand es schade, dass der Fernseher noch nicht geht. Mama und Papa auch, glaube ich. »Also damit das klar ist«, hat Papa zu mir gesagt, »wenn ich dich auffordere, deine Hausaufgaben zu machen oder schlafen zu gehen, musst du aufs Wort gehorchen

»Ja, Papa«, hab ich gesagt, »außer es läuft ein Cowboyfilm!« Papa ist wütend geworden, ganz rot im Gesicht. Er hat gesagt, Cowboyfilm hin oder her, wenn er zu mir sagt, Schluss, dann muss Schluss sein.

Und da hab ich angefangen zu weinen. »Also nein!«, hat Mama gesagt. »Warum schreist du ihn denn so an, den armen Kerl, du bringst ihn ja zum Weinen

»Aha«, hat Papa gesagt. »Nimm du ihn noch in SchutzMama, die hat sehr langsam geredet wie immer, wenn sie wirklich ärgerlich ist. Sie hat zu Papa gesagt, man muss Verständnis aufbringen und er ist bestimmt auch nicht einverstanden, wenn man ihn daran hindert, eins dieser schrecklichen Fußballspiele anzusehen. »Schreckliche Fußballspiele!«, hat Papa geschrien. »Genau für diese schrecklichen Fußballspiele - wie du es nennst - hab ich den Fernseher überhaupt gekauftMama hat gesagt, das kann ja lustig werden - und da war ich ihrer Meinung, nämlich Fußballspiele sind prima!

»Ausgezeichnet«, hat Papa gesagt, »jedenfalls hab ich den Fernseher nicht gekauft, um diese Tipps aus der Fernsehküche zu sehen, obwohl du die für deine Küche ganz gut brauchen könntest

»Ich kann Tipps für meine Küche brauchen?«, hat Mama gefragt.

»O ja, du könntest sie brauchen«, hat Papa geantwortet, »vielleicht lernst du dann Makkaroni zu machen, ohne sie anbrennen zu lassen, wie gestern Abend

Da hat Mama angefangen zu weinen, sie hat gesagt, so was Undankbares hat sie noch nie erlebt und sie wird zu ihrer Mutter zurückfahren, das ist meine Oma.

Ich, ich hab die Sache wieder hinbiegen wollen. »Die Makkaroni gestern Abend, die waren doch gar nicht verbrannt«, habe ich gerufen, »das war doch das Püree, vorgestern Abend

Aber das hat nichts genützt, weil alle zu sehr gereizt waren. »Misch dich nicht in Dinge, die dich nichts angehen«, hat Papa gesagt und da hab ich wieder angefangen zu weinen und ich habe gesagt, ich bin sehr unglücklich über diese undankbaren Worte und dann werde ich eben die Cowboyfilme bei Chlodwig sehen.

PAPA HAT UNS ANGESCHAUT, Mama und mich, und er hat die Arme zur Decke gehoben und ist ein bisschen auf und ab gelaufen im Wohnzimmer und dann ist er vor Mama stehen geblieben und hat zu ihr gesagt, was er beim Püree am meisten schätzt, ist, wenn es ein bisschen angebrannt ist. Und Mamas Küche ist bestimmt besser als die Fernsehküche.

Mama hat aufgehört zu weinen, sie hat ein paar Mal geschluckt und sie hat gesagt, sie findet Fußball ja eigentlich auch sehr interessant. »Aber nein, aber nein!«, hat Papa gesagt und sie haben sich in den Arm genommen.

Ich, ich habe gesagt, was die Cowboys angeht, da kann ich auch drauf verzichten, und Papa und Mama haben mich gedrückt und wir waren alle zufrieden.

Wer nicht zufrieden war, das war der Mann von der Fernsehfirma. Der hat sich sehr gewundert, nämlich als er wiederkam, um die Antenne anzuschließen, haben wir ihm den Fernseher zurückgegeben und haben ihm gesagt, die Programme gefallen uns nicht.


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