Einige überdurchschnittlich positiv bewertete
Assoziationen zu »Hyperhysterie«
Baudrillard schrieb am 20.11. 2001 um 23:51:55 Uhr zu
Bewertung: 1 Punkt(e)
Der Einsturz des World Trade Center war unvorstellbar, aber er war nicht ausreichend, um daraus ein reales Ereignis zu machen. Ein Übermaß an Gewalt genügt nicht, um in die Realität zu gelangen. Denn die Realität ist ein Prinzip, und es ist dieses Prinzip, das wir verloren haben. Wirklichkeit und Fiktion sind nicht auseinander zu halten, und die Faszination des Attentates ist in erster Linie eine Faszination durch das Bild. In diesem Fall also addiert sich das Reale zum Bild wie eine Schreckensprämie, wie ein zusätzlicher Schauder. Es ist nicht bloß erschreckend, sondern auch wirklich geschehen. Nicht die Gewalt des Realen war zuerst da, gefolgt vom Gruseleffekt des Bildes, sondern es verhält sich eher umgekehrt: Am Anfang war Bild, und erst dann kam der Schauder des Realen. Gleichsam eine zusätzliche Fiktion, eine Fiktion, welche die Fiktion übertrifft.
(http://www.sueddeutsche.de/aktuell/sz/artikel94964.php: Jean Baudrillard: Der Geist des Terrorismus)
Baudrillard schrieb am 20.11. 2001 um 23:57:35 Uhr zu
Bewertung: 1 Punkt(e)
Es gibt keine Lösung für diese extreme Situation, vor allem nicht der Krieg, der nur ein Szenario des Altbekannten, also wieder dieselbe Sintflut von Streitkräften, geisterhaften Nachrichten, sinnlosen Luftschlägen, hohlen und pathetischen Ansprachen, Sternstunden der Technik und der Propaganda anbieten kann. Das ist denn auch der eigentliche Zweck dieses Krieges, ein wirkliches, furchtbares Ereignis, das einzigartig und unvorhersehbar ist, durch ein Pseudo-Ereignis der Wiederholung und des Altbekannten zu ersetzen. Der Krieg als die Fortsetzung der Abwesenheit von Politik mit anderen Mitteln.
(http://www.sueddeutsche.de/aktuell/sz/artikel94964.php: Jean Baudrillard: Der Geist des Terrorismus)
Baudrillard schrieb am 20.11. 2001 um 23:58:11 Uhr zu
Bewertung: 1 Punkt(e)
"Warum hat das Word Trade Center in New York zwei Türme? Alle großen Gebäude in Manhattan haben sich darauf beschränkt, sich in einer konkurrierenden Vertikalität gegenüberzustehen; daraus bestand ein architektonsiches Panorama nach dem Vorbild des kapitalistischen Systems: ein Dschungel von Pyramiden, in dem alle Gebäude einander zu übertreffen versuchen: Das System selbst zeichnete sich mit der berühmten sky-line von New York ab, die man bei der Ankunft vom Meer aus sah. Dieser Anblick hat sich innerhalb weniger Jahre völlig verändert. Das Abbild des kapitalistischen Systems ist keine Pyramide mehr, sondern eine Lochkarte. Die Gebäude sind keine Obelisken mehr, sondern haben sich, ohne einander länger herauszufordern, eng aneinandergepreßt wie die Kolumnen einer statischen Graphik. Diese neue Architektur verkörpert ein System, das nicht mehr konkurrenzhaft, sondern berechenbar ist, in dem die Konkurrenz zugunsten der Korrelation verschwunden ist. (New York ist die einzige Stadt der Welt, deren Geschichte mit erstaunlicher Genauigkeit und im vollen Umfang die jeweils aktuelle Form des Systems des Kapitals nachzeichnet: ihm entsprechend ist sie in unaufhörlicher Veränderung - wie keine europäische Stadt.) Dieser architektonsiche Graphismus ist der des Monopols: zwei Türme des WTC, zwei volkommene, parallele, einander flankierende Säulen von 400 Meter Höhe auf quadratischer Basis, vollkommen ausgewogene und blinde kommunizierende Röhren - die Tatsache, daß es zwei identische gibt, ist signifikant für das Ende aller Konkurrenz, das Ende jeder ursprünglichen Referenz. [...] Die zwei Türme des WTC sind das sichtbare Zeichen für die Abgeschlossenheit eines Systems im Rausch der Vordoppelung, während jeder der anderen Wlkenkratzer das Ursprungsmoment eines Systems ist, das sich durch die Krise und die Herausforderung ständig selbst übertrifft.
Es liegt eine besondere Faszination in dieser Verdoppelung. Wie hoch sie auch sind, und sie sind höher als alle anderen, die zwei Türme bedeuten dennoch einen Bruch mit der Vertikalität. Sie ignorieren die anderen Gebäude, sie sind nicht von deren Art, sei fordern sie nicht mehr heraus, weil sie sich nicht mehr mit ihnen vergleichen, sie spiegeln einander und dominieren durch das Prestige der Ähnlichkeit . Was sie wechselseitig spiegeln ist die Idee des Models, das sie füreinander sind, und ihre gleiche Höhe wird nicht mehr als ein Übertreffen gewertet - sie bedeutet nur noch, daß von nun an die Strategie der Modelle und der Austauschbarkeit im Herzen des Systems selbst - in New York ist wahrhaftig das Herz des Systems ..."
(Jean Baudrillard: Der symbolische Tausch und der Tod, München 1982, OT Paris 1976, 110-111)
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