Wisst ihr, was mich absolut wahnsinnig macht? Das ist da draußen gesellschaftlicher Konsens ist, dass man das Leben über das Leben stellt. Klingt paradox, oder? Aber, ihr werdet es gleich verstehen.
Erst einmal: das Leben an sich hat keinen Sinn. Uns wird kein Gott retten, es wird niemanden da oben geben, der uns belohnt, einfach nur, weil wir nach seinen Regeln leben. Das einzige, was wir wirklich hier auf dieser Welt haben, ist uns selbst und die Chance, unser Leben nach unserer maximal möglichen Zufriedenheit zu gestalten. Das ist alles, was uns bleibt. Das ist das einzig höchste Ziel, was wir haben können. Ist dieser Gedanke beunruhigend? Ja, vielleicht etwas, weil wir wissen: wir müssen für alles alleine kämpfen. Aber ist er nicht auch befreiend? Definitiv! Er gibt uns endlich die Möglichkeit, uns nur selber gegenüber Rechenschaft ablegen zu müssen. Das heißt: wir müssen einfach nur möglichst glücklich hier sein, nicht möglichst lange, nicht möglichst from, nicht möglichst gesellschaftlich verträglich.
Und dann kommen da diese Leute. Kennt ihr die? Die, von denen ich sprach, die das Leben über das Leben stellen. Die dreschen dann gerne so Phrasen wie: „Das wichtigste im Leben ist die Gesundheit.“ oder (fast noch absurder) „sicherheit geht vor.“. Warum gehen die Gesundheit oder Sicherheit (dessen übergeordnetes Ziel ja meist ist, das Leben zu sichern) vor, wenn die dafür notwendigen Maßnahmen mein Glück im Leben, manche nennen es auch lebensqualität, beeinträchtigen? Du würdest doch auch kein Stück Schokolade kaufen, dass dir nicht schmeckt, nur deswegen, weil sie lang haltbar ist. Allein der Gedanke wäre doch völlig wahnsinnig.
Aber was ist denn nun das im Leben, was wirklich vorgeht? Was steht eigentlich an allererster Stelle? Die Antwort ist: die Freiheit. Moment mal, habe ich nicht gerade noch gesagt, dass das höchste Ziel immer sein soll, möglichst zufrieden zu leben? Richtig. Aber was braucht es erstmal als übergeordnete Instanz, um selbstbestimmt sich dafür zu entscheiden, was einen zufrieden macht? Natürlich, was ist, wenn die Freiheit dich nicht glücklich macht? Du, das ist eigentlich völlig okay. Vielleicht macht es dich nicht zufrieden, über dich selbst entscheiden zu dürfen. Vielleicht magst Du es, keine Verantwortung für dich zu übernehmen und alles von anderen für dich entscheiden zu lassen. Das ist okay, aber du brauchst die Freiheit, diese Entscheidung auch treffen zu dürfen, und dich einfach umzuentscheiden, solltest du deine Meinung ändern. Das ist das, was ich damit meine, an erster Stelle steht die Freiheit.
Und jetzt stell dir mal vor, jemand kommt daher und sagt dir: „Es ist nicht gesund für dich, wenn du frei bist. Es ist nicht sicher genug für dich, wenn du die Verantwortung für dich selbst übernimmst.“. Klingt das nicht zumindest minimal komisch in den Ohren? Aber weißt du was? Es gib da draußen Leute, die dir genau das sagen. Aber die sagen es nicht so, sie formulieren es etwas um, damit du das gar nicht merkst. Damit das für dich irgendwie Sinn ergibt. Gerade der Gesundheitssektor z.b, der kann das sehr gut. Seien es Ärzte, Pfleger oder irgendwelche Ernährungsexperten aus dem Internet. Alle meinen am besten zu wissen, was du genau zu tun hast. Und ja nicht davon abzuweichen. Natürlich, für die meisten Menschen gilt, dass man rechtlich frei ist, darüber zu entscheiden, auf diese Leute zu hören oder nicht. Aber diese Leute wissen ganz genau, wie sie dich psychisch so manipulieren, dass du alles machst, was sie dir sagen. Es klingt wortwörtlich krank, aber ich lag schon in Kliniken, da musste ich unterschreiben, dass ich nicht mehr versichert bin, damit ich überhaupt das Gelände verlassen durfte, obwohl ich organisch soweit eigentlich komplett in der Lage war, mich frei zu bewegen und für mich auch keine erhöhte Gefahr vorlag als auch sonst. Klar, für mich ist das eine dumme Formalität, ich unterschreibe diesen Quatsch, wenn ich es will.
Aber wisst ihr eigentlich, was der dahinter stehende Effekt, ist? Die psychologische Botschaft dahinter, die auf einige sicherlich Eindruck machen wird, ist die: „Bleib hier, bleib unter unserer Kontrolle, geh nicht hinaus in die freie Welt. Halte dich von der freien Welt fern, die ist nicht gut für dich.“. Das sagen wir Pfleger und Ärzte, die nach Dienstschluss ein Privatleben in Freiheit führen, die alles machen, worauf sie gerade Lust haben und wahrscheinlich nicht mal die eigenen Medikamente schlucken würden, die sie anderen verabreichen. Und das Wort Schlucken ist eine sehr gute Metapher für all das. Man soll schlucken, was die anderen sagen, was sie mit dir machen. Denn es sind immer die anderen, die wissen, was für dich das Beste ist. Was gesund ist, was sicher ist. Apropos unterschreiben: das musst Du übrigens auch, wenn du dich freiwillig aus einer Klinik entlässt. Ich habe das noch nie gemacht, ich weiß nicht, was da drin steht, aber vermutlich ist das die offizielle Erklärung zur Bereitschaft zum eigenen Tod, was man dann unterzeichnet. Zutrauen würde ich das denen. Nicht, dass du eine erhöhte Sterblichkeit hättest, wenn du erstmal da bist, aber das ist noch mal ein anderes Thema.
Im psychiatrischen Kontext ist das übrigens nicht besser. Ich verstehe, dass man die Gesellschaft vor Fremdgefährdung schützen will, okay. Aber wusstet ihr, dass man auch in die Psychiatrie zwangseingewiesen werden kann, wenn man einfach nur sich selbst gefährdet? Wer bitte hat denn zu entscheiden, ob es relevanter ist, meine Eigengefährdung abzuwenden als mein Bedürfnis nach freier Lebensgestaltung? Und bist du nicht gefügig, dann bekommst du einen gesetzlichen Betreuer vorgesetzt, der dann mit dir, mit deinem Leben und alles, was dazugehört, einfach alles machen kann, was er gerade für richtig hält. Wieso dürfen eigentlich Raucher frei rumlaufen? Die gefährden nun wirklich sich selbst und nebenbei dann tatsächlich auch noch andere, also wäre hier der Tatbestand der Fremdgefährdung auch gleich noch mit erfüllt.
Aber gehen wir den Gedanken mal weiter. Angenommen, man würde mich wegen lebensbedrohlicher Schizophrenie einweisen. Der Scheiß ist nicht mal wirklich heilbar. Mit Medikamenten kann man das vielleicht etwas vermindern, aber die Garantie, dass für immer los zu sein, bekommt man nicht mal. Und selbst jede Form von zwangsmedikation würde absolut nichts bringen in diesem Fall. Wisst ihr was dann passiert? Dann würde man bis ans Ende seiner Tage in dieser Psychiatrie festsitzen, in einem Zimmer mit vergittertem Fenster und das einzige Highlight am Tag wird das nicht mal besonders appetitliche Mittagessen sein. Klar zu meiner Sicherheit, zu meiner Gesundheit. Aber warum brauche ich das noch, wenn das Leben dann praktisch nicht mal mehr einem Leben ähnelt? Wenn ich nur noch existiere? Wenn eben diese Lebensqualität nicht mehr vorhanden ist, welche Qualität hat dann noch das Leben? Ich verstehe das nicht.
Klar, ist vielleicht ein extremes Szenario. Die meisten werden früher oder später wieder rausgelassen, wenn sie irgendwann der Meinung sind, dass man zumindest unter bestimmten Umständen nicht immer vor Ort sein muss. Aber bist du dann frei. Nö. Du hast immer noch irgendjemanden dann über dich, der dich immer kontrollieren wird. Der immer aufpassen wird, dass du keinen Scheiß machst und ein konformes Leben nach seinen Vorstellungen führen wirst. Denn um dich selber kümmern? Ivo, das kannst du doch dann sicher nicht. Im besten Fall landest du sowieso gleich in einem Heim für psychisch Kranke, damit du gar nicht erst die Gelegenheit hast, irgendeinen Fehler zu machen.
Was ich damit sagen will: wirst du nicht de facto (offiziell gibt es das ja gar nicht mehr) entmündigt, dann gibt es immer noch psychologische Methoden, dir indirekt zu sagen: du hast das oder das zu machen. Sei es diese passiv aggressive Art, in der sie dir dann irgendeinen Zettel hinhalten, den du unterschreiben darfst, damit du wieder frei bist, oder am besten sagen die dir gleich: „Machst du das nicht, dann bist du in drei Tagen, tot.“. Aber selbst, wenn es so wäre, ist das immer noch meine Sache, ob ich jetzt lieber eingesperrt Leben und dafür etwas länger will, oder ob ich frei sein will, dafür aber halt etwas kürzer. Und das war jetzt nur ein Teil des Gesundheitssektors. Was meint ihr, wer sonst noch alles darauf Einfluss nehmen will, was für dich das Beste wäre? Es gibt da Leute, die dir sagen, dass du die Finger von hochspekulativen Finanzprodukten lassen solltest, eigentlich nur, damit du am Ende genauso endest, wie all die anderen auf finanzieller Ebene auch. Klar, ist ja angeblich so viel sicherer. Deswegen muss man das machen. Sicherheit geht vor und so. Und probiere ja niemals im Leben einen Hamburger, das achso toxische Fastfood, klar, Gesundheit und so. Wir haben es kapiert. Oder allein die Institution Familie, Leute, mit denen du irgendwie schon dein ganzes Leben lang zu tun hast und die deswegen ganz genau wissen, was für dich das allerbeste ist. Na klar. Schulabschluss, gute Noten schreiben, sicheren Job finden. Da haben wir es wieder, Sicherheit. Sicherheit geht vor, nicht wahr?
Wirklich, es regt mich auf, warum ist unsere Welt so? Warum wollen andere für dich entscheiden, was für dich an erster Stelle zu stehen hat und dann am besten noch gleich mit dazu, wie du das zu erreichen hast. Das ist doch komplett verrückt. Wir leben in einer freien Welt, sowas dürfte es einfach nicht mehr geben. Hier läuft was, schief.
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