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Bettina Beispiel schrieb am 15.1. 2011 um 00:03:11 Uhr über

MKULTRA

MKULTRA (auch MK ULTRA) war ein umfangreiches, geheimes Forschungsprogramm der CIA über Möglichkeiten der Bewusstseinskontrolle. Es lief von 1953 bis in die 1970er Jahre im Kontext des Kalten Kriegs. Ziel des Projekts war, ein perfektes Wahrheitsserum für die Verwendung im Verhör von Sowjetspionen zu entwickeln, sowie die Möglichkeiten der Gedankenkontrolle zu erforschen. In Teilen überschnitten sich die Arbeiten auch mit den Forschungen anderer US-Programme zu biologischen Waffen.

Das Programm umfasste unter anderem tausende von Menschenversuchen, bei denen ahnungslose Testpersonen, meist willkürlich unter Krankenhauspatienten und Gefängnisinsassen ausgewählt, unter halluzinogene Drogen wie LSD gesetzt wurden. Zahlreiche Versuchspersonen trugen bei den Experimenten schwerste körperliche und psychische Schäden davon, teilweise bis hin zum Tod.[1]

Ein großer Teil der Experimente des Projekts verstieß gegen amerikanische Gesetze. Mitte der 1970er Jahre beschäftigten sich mehrere Untersuchungskommissionen des US-Kongresses mit der Aufarbeitung des Programms[2].

Ken Kesey verarbeitete seine Erfahrungen als Testperson in dem BuchEiner flog über das Kuckucksnest“.[3]

MK steht nicht, wie häufig behauptet, fürMind Kontrol“, sondern ist lediglich ein von der CIA verwendetes Kürzel, das von der Technical Service Division geleitete Projekte bezeichnet.
Anfänge und Zielsetzung [Bearbeiten]

MKULTRA begann im April 1953 - in Nachfolge der Projekte Artischocke und BLUEBIRD - auf Befehl des CIA-Direktors Allen Dulles. Dies war vor allem eine Reaktion auf von Sowjets, Chinesen und Nordkoreanern gegen US-Kriegsgefangene im Koreakrieg eingesetzten Gedankenkontrolltechniken, was unter dem Namen „Brainwashing“, zu deutsch: „Gehirnwäsche“, bekannt wurde. Eine wichtige Motivation bildeten auch die stalinistischen Schauprozesse der 1930er Jahre und der Prozess gegen den ungarischen Kardinal József Mindszenty im Jahr 1949, bei denen die Beschuldigten offenbar unter Drogeneinfluss und Folter Geständnisse unterschrieben hatten und sich vor Gericht selbst Taten bezichtigten, die sie nicht begangen hatten.

Oberstes Ziel war dieVorhersage, Steuerung und Kontrolle des menschlichen Verhaltens“. Eines der wenigen öffentlich bekannt gewordenen Beispiele für solche Techniken ist die Verhörmethode, die die Britische Armee bei Gefangenen in Nordirland verwendete. Sie wurde als „UDIT“ (Ulster Depth Interrogation Techniques) bezeichnet und durch den Psychologen T. Shallice der Universität London nach Berichten und Daten des britischen Innenministeriums 1972 veröffentlicht.[4]

Neben dem Willen, ähnliche Methoden auf die eigenen Gefangenen anzuwenden, hatte die CIA auch Interesse daran, fremde Machthaber mit derartigen Techniken manipulieren zu können. Später soll es mehrere Pläne gegeben haben, den kubanischen Staatschef Fidel Castro zu beeinflussen.
Umsetzung [Bearbeiten]
Aktivitäten [Bearbeiten]
Freigegebenes MKULTRA-Dokument zur illegalen Drogenvergabe [5]

MKULTRA wurde hauptsächlich in den USA und Kanada, aber auch in Europa betrieben. Der wissenschaftliche Leiter war Donald Ewen Cameron, die Gesamtleitung hatte Sidney Gottlieb.

MKULTRA umfasste nach Angaben des damaligen CIA-Direktors Admiral Stansfield Turner 149 Unterprojekte, wovon mindestens 14 sicher Menschenversuche waren, weitere 6 Projekte Versuche an unwissenden Menschen sowie 19 Projekte eventuell mit Menschenversuchen. Erforscht wurden die Wirkungen von Drogen (vor allem LSD und Mescalin), Giften, Chemikalien, Hypnose, Psychotherapie, Elektroschocks, Gas, Krankheitserregern, Erntesabotage, künstliche Gehirnerschütterung, Operationen usw. Die Experimente liefen an 44 Universitäten, 12 Krankenhäusern, 3 Gefängnissen und 15 nicht näher bezeichnetenForschungseinrichtungen“.[6] Es ist erwiesen, dass zahlreiche Versuchspersonen bei den Experimenten schwerste körperliche und psychische Schäden bis hin zum Tod (siehe unten Die Olson-Affäre) davontrugen. Die Praxis von Entführungen zu Versuchszwecken, zumindest für das MKULTRA-Projekt, bestätigte die CIA später selbst.[7][8] Auch Fälle von Kindesmissbrauch sind bekannt.[9]
Beteiligung ehemaliger KZ-Ärzte [Bearbeiten]

Im Rahmen des Projekts Paperclip setzten die USA zahlreiche deutsche Wissenschaftler ein, darunter auch ehemalige deutsche KZ-Ärzte, die erwiesenermaßen in großem Stil an den Experimenten mitwirkten. Sie durften ihre durch das Kriegsende unterbrochenen Menschenversuche im Rahmen von MKULTRA auch in Deutschland fortführen.[10][11] Dazu gehörten unter anderem:

* Kurt Blome hatte mit Bakterien und Viren, wie Pesterregern an Menschen experimentiert.
* Walter Paul Schreiber infizierte KZ-Insassen mit Fleckfieber und Malaria und spritzte Phenol als Hinrichtungsmethode.

Der MKULTRA-Bakteriologe Frank Olson war oft beruflich in Europa und wurde Zeuge von derartigen Menschenversuchen ehemaliger Nazi-Wissenschaftler. Es wird vermutet, dass diese Erlebnisse eine schwere persönliche Krise auslösten, die schließlich zu seinem gewaltsamen Tod führten (siehe unten Die Olson-Affäre).
Protokoll eines tödlichen Experiments [Bearbeiten]

Der körperlich gesunde Tennislehrer Harold Blauer litt nach seiner Scheidung unter Depressionen, zu deren Behandlung er das New York State Psychiatric Institute aufgesucht hatte. Dort starb er am 8. Januar 1953, nachdem er mehrfach hohe Dosen einer synthetisch hergestellten Variante der Droge Meskalin im Rahmen von MKULTRA-Experimenten erhalten hatte. Seine Ex-Frau erstattete nach seinem Tod Anzeige, im Verlauf des Prozesses vertuschten die Behörden die wahre Todesursache. Das folgende Protokoll[12] beschreibt den Verlauf der tödlichen Infusion, die zu einem Kreislaufkollaps und Herzversagen führte.

* 9:53 Uhr Injektion beginnt, ruhelose Bewegungen, Protest gegen die Injektion.

* 9:55 Uhr Injektion endet.

* 9:59 Uhr [...] sehr ruhelos, muss von der Schwester festgehalten werden, nicht ansprechbar [...] wildes Rudern mit den Armen, heftiges Schwitzen [...]

* 10:01 Uhr [...] Patient richtet sich im Bett auf, komplette Versteifung des Körpers [...] schnarchendes Atmen 32/min, Puls 120/min [...] Zähne zusammengebissen, Schaum vor dem Mund [...] rollende Augenbewegungen [...]

* 10:04 Uhr [...] Verkrampfung der Rückenmuskulatur [...]

* 10:05 Uhr [...] steife Extremitäten, Pupillen leicht erweitert, reagiert nicht auf Licht [...]

* 10:09 Uhr [...] allgemeine Errötung des Gesichts und der Brust [...] weiterhin starkes Schwitzen [...] Tremor der unteren Extremitäten, Schaum vor dem Mund [...]

* 10:10 Uhr [...] weiterhin schnarchende Atmung 28/min, unregelmäßig [...] versteifter Kiefer [...]

* 11:05 Uhr [...] vereinzeltes Aufbäumen, heftige Arm- und Beinbewegungen [...] redet wirr vonMurphy“, meist zusammenhangslos, vorübergehend ansprechbar [...]

* 11:12 Uhr [...] gesteigerte Unruhe, unterbrochene Versteifung [...]

* 11:17 Uhr [...] redet nicht mehr [...] fällt ins Koma, immer noch unruhig [...]

* 11:30 Uhr starke, schnarchende Atmung [...]

* 11:45 Uhr [...] ruhiges, tiefes Koma.

Laut Protokoll endete das Experiment um 12:15 mit Blauers Tod.
Aktenvernichtung [Bearbeiten]

Die meisten offiziellen Dokumente zu dem Projekt wurden 1972 unter dem damaligen CIA-Direktor Richard Helms vorsätzlich und illegal vernichtet. Helms war bis zu seiner Berufung zum CIA-Direktor der maßgebliche Verantwortliche für MKULTRA innerhalb der CIA. Es ist daher nicht möglich, das gesamte Projekt mit seinen ungefähr 150 individuellen Forschungsprojekten und den zugehörigen CIA-Programmen zu rekonstruieren. Es existieren jedoch genügend Akten, um die wesentlichen Strukturen und zahlreiche Programme zu rekonstruieren. Mehrere staatliche Untersuchungskommissionen beschäftigten sich mit MKULTRA (siehe Offizielle Untersuchungen). Ein Teil der erhaltenen Dokumente wurde mittlerweile der Öffentlichkeit zugänglich gemacht (siehe Weblinks).
Offizielle Untersuchungen [Bearbeiten]

Es gab in den USA mehrere offizielle Untersuchungskommissionen zu MKULTRA. 1975 untersuchte die von Präsident Gerald Ford eingesetzte Rockefeller-Kommission die Vorgänge, was unter anderem zur Aufdeckung der sogenannten Olson-Affäre führte. Im Jahr 1977 befasste sich das Church-Komitee des amerikanischen US-Kongresses mit der Aufklärung, eine wichtige Rolle im Ausschuss spielte dabei Senator Edward Kennedy. Zahlreiche Opfer der Menschenversuche wurden dabei als Zeugen gehört.

Bei einer Sitzung des Untersuchungsausschusses sagte Edward Kennedy im August 1977[13]:

Der Deputy Director der CIA gab an, dass über 30 Universitäten und Institutionen an „intensiven Test- und Forschungsprogrammen“ beteiligt waren, die Drogenversuche an unwissenden Menschenaller sozialen Schichten, aus den USA und anderen Ländern“ umfassten. Zahlreiche Tests beinhalteten die Gabe von LSD anunwissende Personen in Alltagssituationen“. Mindestens ein Todesfall, der von Frank Olson, war eine Folge der Experimente. Die Behörde gab selbst zu, dass die Tests kaum einen wissenschaftlichen Sinn hatten. Die für die Beaufsichtigung der Experimente eingesetzten Agenten hatten keinerlei wissenschaftliche Qualifikation.
Die Olson-Affäre [Bearbeiten]

Im Jahr 1975 fand die Rockefeller-Kommission zur Untersuchung illegaler CIA-Aktivitäten innerhalb der USA Hinweise auf mysteriöse Umstände beim Tod des MKULTRA-Wissenschaftlers Frank Olson im Jahr 1953. Offiziell starb Olson nach einem selbstverursachten Sturz durch die Glasscheibe eines geschlossenen Fensters im 10. Stock[14] (je nach Quelle differieren die Angaben vom 9. bis zum 13. Stock[15]) eines New Yorker Hotels. Sein Tod wurde von der CIA gegenüber der Familie als durch eine psychische Krise ausgelöster Selbstmord ausgegeben.[14] Der Bakteriologe Olson war an der Entwicklung von biologischen Waffen wie Anthrax beteiligt und besaß umfangreiche Kenntnisse über die Menschenversuche im Rahmen von MKULTRA.

Laut des ARD-DokumentarfilmsDeckname Artischockesah Olson auf seiner letzten Europareise im August 1953 in Berlin, wie Menschen bei Experimenten so lange gefoltert wurden, bis sie starben. Gegenüber Kollegen hatte er sich tief erschüttert über die Praktiken im Rahmen von MKULTRA gezeigt. Private Aufzeichnungen deuten darauf hin, dass er einen Ausstieg aus dem Projekt erwog.

Die 1975 untersuchten CIA-Dokumente ergaben, dass Olson bei seinem Tod unter dem Einfluss der halluzinogenen Droge LSD stand, die ihm von der CIA als „unfreiwilliger Testpersonverabreicht worden war. Dies löste einen Skandal in den USA aus. Die Familie Olsons plante, die CIA zu verklagen, unter anderem weil sie offensichtlich 22 Jahre lang über die wahre Todesursache belogen worden war.[14] Die US-Regierung unter Gerald Ford legte durch die Zahlung von 750.000 US-Dollar an die Witwe und eine persönliche Entschuldigung des Präsidenten die Angelegenheit rasch bei, um eine drohende gerichtliche Untersuchung des Falls abzuwenden, bei der eventuell Geheimdokumente über MKULTRA an die Öffentlichkeit geraten wären. Die Witwe erhielt vom damaligen CIA-Direktor William Egan Colby eine Reihe von Dokumenten, die die Selbstmordversion unter Drogeneinfluss stützten. An der Vorbereitung dieser schnellen Lösung der Affäre waren Richard Cheney, damals Stabschef des Weißen Hauses, sowie der damalige Verteidigungsminister Donald Rumsfeld maßgeblich beteiligt.

Olsons Sohn Eric ließ den Leichnam seines Vaters 1993 exhumieren und von einem Expertenteam obduzieren, wobei sich deutliche Hinweise auf Mord ergaben. Der Bezirksstaatsanwalt von Manhattan, Stephen Saracco, eröffnete daraufhin ein Ermittlungsverfahren.[16] Die CIA und das US-Justizministerium blockierten jedoch die Ermittlungen. Nach monatelangen Verhandlungen erkämpfte Saracco das Recht auf eine Vernehmung mehrerer Zeugen durch eine Grand Jury. Er plante unter anderem, den 1975 amtierenden CIA-Direktor William Colby vorzuladen. Dieser starb jedoch kurz nach Bekanntwerden der geplanten Vorladung bei einem Ausflug mit seinem Kanu. Sein Haushalt befand sich in einem Zustand, der auf einen eiligen Aufbruch schließen ließ.[17] Entgegen seinen sonstigen Gewohnheiten hatte er keine Schwimmweste getragen und auch seiner Frau nichts von seinem geplanten Ausflug erzählt.

Das Verfahren im Fall Olson wurde schließlich nach über achtjähriger Ermittlungsdauer ohne Klageerhebung eingestellt. Von vielen Seiten wurde die Vermutung geäußert, dass die CIA Olson als potentielles Sicherheitsrisiko ermordet hatte.[17][18] Einige ehemalige Kollegen haben sich ausdrücklich gegen die Selbstmordthese ausgesprochen.[10] Als einer der möglichen Gründe wird angeführt, dass die USA die Entwicklung von biologischen Waffen stets bestritten hatten und befürchteten, im Propagandakrieg mit der Sowjetunion durch mögliche Enthüllungen Olsons einen Rückschlag zu erleiden. In diesem Zusammenhang wurde auch darüber spekuliert, ob Olson über den eventuellen Einsatz von biologischen Waffen im Koreakrieg informiert war.[10] Der chinesische Premierminister Zhou Enlai hatte den USA den Einsatz vorgeworfen, diese hatten den Vorwurf aber vehement dementiert.


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