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wugatsga schrieb am 15.5. 2003 um 22:19:12 Uhr über

Bourdieu



Kampf gegen das Elend der Welt
Der französische Soziologe Pierre Bourdieu

Mit seinem Werk "Die feinen
Unterschiede", das 1979 in
Frankreich, 1982 auch in
Deutschland erschien, wurde er
berühmt. Darin entschlüsselte
er die französische
Geschmackskultur und erklärte
auf ebenso spannende wie
aufklärerische Weise die Funktionsmechanismen des
klassenspezifischen »Habitus«, jene Einflußgröße, die
die Menschen in ihrem Eßverhalten, in ihrer
Freizeitgestaltung oder auch in ihrem Schönheitsideal
steuert und die primär stets darauf zielt, den Abstand zur
nächst tieferen Klasse zu markieren. Seitdem gilt er als
»Meister der Lebensstilanalyse«.

Inzwischen erreichen seine Bücher Auflagen, von denen
Wissenschaftler ansonsten nur träumen können - ob nun
»Das Elend der Welt«, eine gemeinsam mit einer Reihe
von Kollegen erarbeitete monumentale Sozialrecherche
der französischen Unterschichten, die Streitschrift "Über
das Fernsehen", in der er die wirklichkeitsgenerierende
Macht der Medien geißelt, oder seine »Gegenfeuer«,
eine Sammlung von Einsprüchen und Widerreden aus
den 90er Jahren.

Er lehrt am renommierten »Collège de France« und
wurde 1993 mit der "Médaille d'or des Centre National
Recherche Scientifique" (CNRS) geehrt, der höchsten
Wissenschaftsauszeichnung, die Frankreich zu bieten
hat: der weltweit bekannte Soziologe Pierre Bourdieu.
Ein Wissenschaftler mit sozialkritischer Orientierung und
ein Intellektueller, der mit seinen politischen
Stellungnahmen und Offensiven in den 90er Jahren
immer wieder für Schlagzeilen gesorgt hat.



Sozialer Raum und
Klassenhabitus
nach Pierre
Bourdieu









Rezension: "Über
das Fernsehen"



Vita und Werk


Pierre Bourdieu -
Links


Pierre Bourdieu:
Die Demokratie
braucht Soziologie


Pierre Bourdieus »Gegenfeuer« in den 90er Jahren

Dabei war und ist Frankreichs bedeutendster Soziologe
stets bemüht, Europas Intellektuelle für seinen Kampf
gegen die modernen Weltmächte des
»Neoliberalismus«, gegen die Ideologie der
»Flexibilisierung« und des »Ökonomismus« zu
mobilisieren. Im Herbst 1993 ruft Pierre Bourdieu zu
einer »Internationalen der Intellektuellen« auf. Sie sollen
sich mehr Gehör in der Öffentlichkeit verschaffen, nicht
nur ihr Prestige, sondern auch ihre Kompetenz in die
Politik einbringen. Seine Motive legt Bourdieu in einem
Interview dar: "Menschenrechtsverletzungen,
Fremdenfeindlichkeit, Nord-Süd-Gefälle,
Ghettoisierung der Intellektuellen, Skandale um
verseuchte Blutkonserven, die Ohnmacht der
Wissenschaftler, die Invasion der Werbung, des
Marketings - die Liste kann fortgesetzt werden. All das
erschreckt mich so, daß ich etwas tun muß, selbst wenn
ich keine Illusionen habe."

Flankiert wird sein Appell von der ebenfalls
im Herbst 1993 auf Bourdieus Initiative hin
gegründeten europäischen Zeitschrift
»Liber«. Sie versteht sich als ein erster
Schritt, den Intellektuellen eigene, autonome
Medien zu verschaffen und als eine
Plattform, um dem von Bourdieu
angeprangerten Neokonservatismus
entgegenzutreten.

Auch in der Folgezeit entfaltet Pierre
Bourdieu weitere verlegerische Aktivitäten.
In einem Interview sagte er einmal: "Man
müßte es fertigbringen, Wissenschaft und
Militanz zu versöhnen, den Intellektuellen
die Rolle von Militanten der Vernunft
wiederzugeben, die sie etwa im 18.
Jahrhundert hatten." Genau dies
beabsichtigt die Buchreihe »Raison d'agir«
Gründe zum Handeln«), die Bourdieu ab
1996 gemeinsam mit Kollegen herausgibt.
Die schmalen Bändchen, die den Umfang
eines längeren Essays haben und knapp
zehn Mark kosten, werden ein großer
Erfolg. Bourdieus kritische Analyse des
Fernsehens beispielsweise verkauft sich
über 100.000mal, das Buch seines Kollegen
Serge Halimi "Les Nouveaux Chiens de
garde" über die französischen Medien und
deren von politischer und ökonomischer
Abhängigkeit diktierte Informationspolitik
bringt es auf 150.000 Exemplare.

Neben seinen verlegerischen Offensiven
mischt sich Pierre Bourdieu aber auch ganz
konkret in die Tagespolitik ein. Im Dezember
1995 hält er eine flammende Rede vor
streikenden Eisenbahnern in der "Gare de
Lyon" in Paris. Was er dort vorträgt, läßt an
Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig: "Was
heute auf dem Spiel steht, ist die
Wiedereroberung der Demokratie gegen
die Technokratie. Es muß Schluß sein mit
der Sachverständigen Tyrannei vom Typ
Weltbank, die ohne Widerrede die
Entscheidungen des neuen Leviathan,
genannt 'Finanzmarkt', aufzwingen, und die
statt zu verhandeln, zu 'erklären'
gedenken."

Seitdem ist Pierre Bourdieu immer wieder in
öffentlichen Stellungsnahmen gegen die
»Geißel« des Neoliberalismus, gegen ein
gesamteuropäisches »Tietmeyer-Denken«,
das die Globalisierung und allumfassende
Macht der Märkte zur allein seligmachenden
Philosophie erklärt habe, zu Felde gezogen.
Und wo immer Arbeitslose, Einwanderer
oder Gewerkschafter in Frankreich mobil
machten, konnten sie sich der Solidarität
und Sympathie des Soziologen sicher sein.

Daran änderte sich auch nach dem Wahlsieg
der Linkskoalition in Frankreich nichts.
Vielmehr plädierte er ein knappes Jahr nach
deren Amtsantritt in der Zeitung »Le Monde«
für eine wirkliche Linke, "une gauche de
gauche", weil die Linke in Frankreich ebenso
wie im übrigen Europa doch nur die Politik
der Rechten betreiben würde - freilich mit
größerem Erfolg.

Bourdieus unermüdliche Initiativen und die
Aktivitäten der 1996 um ihn entstandenen
Gruppierung »Raison d'agir« hatten zuletzt
hartnäckig das Gerücht geschürt, der
streitbare Soziologe wolle gar in der jetzt
anstehenden Europawahl kandidieren. Doch
soweit ging der »intellektuelle Volkstribun«
(Frankfurter Rundschau) dann doch nicht.





Neoliberalismus

RealAudio: Eine
Wirtschaftstheorie
zerstört die
Gesellschaft -
Pierre Bourdieu im
Gespräch





















Pierre Bourdieu
Europa - Der
Beitrag der
Intellektuellen

Gegen das
Maastricht-Europa

Kapitalismus als
konservative
Restauration


Vita

Pierre Bourdieu wird 1930 in Denguin/Basses Pyrénées
geboren. Nach dem Studium der Philosophie an der
Elitehochschule »École normale supérieure« in Paris
arbeitet er zunächst als Lehrer, bevor er 1958
wissenschaftlicher Assistent an der philosophischen
Fakultät in Algier wird. Später lehrt er in Paris, dann in
Lille. Seit 1981 ist er Professor und Inhaber des
Lehrstuhls für Soziologie am »Collège de France«.
Daneben leitet er seit 1975 die Forschungsreihe "Actes
de la recherche en sciences sociales". Bourdieu, der
verschiedentlich Lehraufträge im Ausland - u.a. in
Princeton, Harvard und Chicago oder am
Max-Planck-Institut in Berlin - wahrnahm, gilt als der
renommierteste französische Soziologe.

Zu seinen bekanntesten Veröffentlichungen gehören
neben »Die feinen Unterschiede« die Analyse der
akademischen Eliten in »Homo Academicus« (1984) und
»La Noblesse d'État« (1989), eine auf fast
zwanzigjähriger Forschungsarbeit basierende
Untersuchung über die Bedeutung der französischen
Elitehochschulen für die Rekrutierung der
administrativen Bürokratie.





Ein Interview mit
Pierre Bourdieu





Bourdieu-Forum


Buchtips

Pierre Bourdieu: Die feinen Unterschiede.
Kritik der gesellschaftlichen Urteilskraft
Suhrkamp Verlag 1987
ISBN 3-518-28258-1, Preis 34,80 Mark

Pierre Bourdieu: Die verborgenen
Mechanismen
der Macht.
VSA 1992
ISBN 3-87975-605-8, Preis 32,80 Mark

Pierre Bourdieu: Homo academicus.
Suhrkamp Verlag 1992
ISBN 3-518-28602-1, Preis 29,80 Mark

Das Elend der Welt.
Zeugnisse und Diagnosen alltäglichen
Leidens an der Gesellschaft
Von Pierre Bourdieu u.a.
Universitätsverlag Konstanz 1997
ISBN 3-87940-568-9, Preis 68 Mark

Pierre Bourdieu, Paul Barets: Mobilisierung
gegen
den Neoliberalismus.
Das Tagebuch der Streiks in Frankreich
November/Dezember 1995
VSA 1997
ISBN 3-87975-922-7, Preis 8 Mark

Pierre Bourdieu: Über das Fernsehen.
Suhrkamp Verlag 1998
ISBN 3-518-12054-9, Preis 14,80 Mark

Pierre Bourdieu: Gegenfeuer.
Wortmeldungen
Universitätsverlag Konstanz 1998
ISBN 3-87940-635-9, Preis 18 Mark





nächste Sendung:
Mittwoch, 25. August 1999, 22.30 Uhr WDR Fernsehen







1999 Westdeutscher Rundfunk
Stand: 31.05.1999 06:30




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