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:-( schrieb am 25.10. 2005 um 01:31:54 Uhr über

Life

Der rätselhafte Tod der Sinologin Violetta

Am 29. Juni 1999, berichtete der Münchner Merkur auf Seite 1 in
seinem Lokalteil von einem Suizid in der Münchner Universität:

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Wenige Tage später, am 1. Juli 1999, erschien in der Süddeutschen Zeitung eine etwas dubiose Todesanzeige. Die Öffentlichkeit steht seitdem vor einem Rätsel. Wie und weshalb trauern Professoren, Mitarbeiter und Studierende des Instituts für Ostasienkunde »namenlos« um eine Halbtagssekretärin.

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Zwei Tage später erschien nochmals eine Todesanzeige in der Süddeutschen Zeitung. In dieser erfuhr die Öffentlichkeit in seltsamen Deutsch und unter einem besonders kryptischen Bibelzitat, daß Violetta Zhang von der »Familie und Anverwandten« zur Ruhe gelegt werden würde.
Daß Violetta Zhang schon am Tage vorher beigesetzt worden war, wurde ebenso verschwiegen wie der Ort und die Uhrzeit:


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Daß jemand freiwillig aus dem Leben scheidet und dann christlich beerdigt wird, ist heute eigentlich nichts Besonderes. Schließlich bringt sich in Deutschland im Durchschnitt alle 45 Minuten jemand um. Die Zahl der Menschen, die hier durch eigene Hand sterben, ist wesentlich höher als die der Toten im Straßenverkehr.

Es war sicher nur ein Zufall, daß ausgerechnet bei der Untersuchung dieser Toten im Ostasieninstitut ein Redakteur und ein Kamerateam von RTL 2 aus Berlin anwesend waren. Sie filmten auch am Tatort in der Kaulbachstraße mit einer Drehgenehmigung des Münchner Polizeipräsidiums, und wahrscheinlich auch einer Einladung des Hausherrn vom Ostasieninstitut.

Drei Tage später sendet »Die Redaktion« von RTL 2 einen Teil dieser Bilder in der Reportage »Die Todes-Ermittlerin«:
»Für ihren Einsatz benötigt Todesermittlerin Stefanie L. * aus München starke Nerven. Wenn sie mit ihrer Arbeit beginnt, sind die Täter längst über alle Berge. Kripo und Gerichtsmedizin müssen jetzt aus vielen grausamen Details die Tat rekonstruieren. Puzzleteil an Puzzleteil legen, um dem Mord oder dem Überfall eine Geschichte zu geben. Stefanie L * weiß, Gefühle darf sie sich in ihrem Job nicht leisten
Im Bericht selbst ist dann zu sehen, daß am Montag morgen um 9 Uhr 07 bei der Kriminaloberkommissarin Stefanie L * vom K 112 der Kriminalpolizeidirektion 1 in München ein Anruf eines »Kollegen« eingeht, der schon zu dieser Zeit erklärt, im Ostasieninstitut habe ein »Suizid« stattgefunden. An ihrem Schreibtisch hantierend spricht Frau L * in die Kamera: »Wir haben da jetzt einen Einsatz bekommen. Es handelt sich hier um einen Suizid. Die Kollegen der Polizeiinspektion rufen immer bei uns an - und ich muß dann die Daten hier aufnehmen
Diese Aufnahmen scheinen authentisch zu sein. Zumindest wirken sie nicht nachgestellt. Der Reporter Claudio Goosmann spricht nun direkt zu seinen Zuschauern: »Jedesmal, wenn die Todesursache unklar ist, tritt das Dezernat Todesermittlung auf den Plan. Für die Beamten heißt es dann, jede Spur sorgfältig sichern, denn das kleinste Indiz könnte, wenn es sich um einen Mord handelt, den Täter überführen.«
Die nächsten Bilder zeigen Frau L * und einen Kollegen an der Arbeit. Sie untersuchen das Büro der Toten des Ostasieninstituts. Während sich der Kollege in Gummihandschuhen eifrig Notizen macht, hantiert die Kriminaloberkommissarin an einer weiblichen Leiche. Die Tote hat lange blonde Haare, trägt schwarze Jeans und ein dunkles Sweatshirt. Sie sitzt halb aufrecht und unverkrampft auf einem Ledersofa. Der Kopf liegt an der Rückenlehne, Arme und Beine hat sie von sich gestreckt. Frau L * wickelt der Toten weiße Verbände von den Handgelenken ab. Die Kamera erfaßt die beiden in einer Halbtotalen von rechts. Im nächsten Bild zeigt sie ein kleines Waschbecken. Am seinem Rand ist so etwas wie ein Blutwassergemisch eingetrocknet. Das Waschbecken selbst ist erstaunlich sauber. Dann schwenkt die Kamera auf den Boden. Dort ist wahrscheinlich ein wenig Blut und Wasser in den Teppich eingesickert. Der Blutfleck ist etwa so groß wie eine Untertasse. Ein anderes Bild zeigt, daß um die Füße der Toten kein Blut auf dem Teppichboden zu sehen ist. Auch nicht am Sofarand, oder auf dem Sofa.


Kein Blut: Kriminaloberkommissarin Stefanie L *
wickelt der Toten die Verbände von den Handgelenken

»Noch weiß keiner, ob es sich hier um einen Mord handelt« sagt die Stimme im OFF. Frau L * aber bestätigt prompt noch einmal die Meinung der Streifenpolizisten, die vor ihr am Tatort waren: »Die Schutzpolizei hat uns hier zwei Briefe vorgelegt. Es handelt sich hierbei um - äh - Abschiedsbriefe der toten Person. Aufgrund der vorgefundenen Abschiedsbriefe, handschriftlich verfaßt, dürfte es sich hier um einen eindeutigen Suizid handeln. Das Motiv ist auch erwähnt. Darüber kann ich aber hier keine weiteren Angaben machen
Im Gegensatz zu Frau L * läßt die Reportage die Zuschauer im Umklaren, ob es nun Mord oder Selbstmord war. Frau L * allerdings beharrt darauf, daß sich die Tote in ihrem Büro selbst getötet hat. Ausdrücklich vermerkt sie in ihrem abschließenden Bericht an die Staatsanwaltschaft, daß die Leiche nicht obduziert werden soll. Auch die Familie der Toten setzt alles daran, daß die Hintergründe nicht weiter recherchiert werden. Wer dennoch den Ursachen nachgehen will, dem droht eine Unterlassungsklage mit einem Streitwert von 100.000,- Mark. Fast 6.000,- Mark hat die Familie sich das schon in einem Fall für Rechtsanwälte kosten lassen.

Doch Zweifel an der Todesursache können durch Drohungen nicht ausgeräumt werden. Im Gegenteil.
Nach Meinung der ermittelnden Polizei soll sich die junge Frau die Pulsadern mit einer Rasierklinge aufgeschnitten haben und daran verblutet sein. Diese simple Theorie ist jedoch nicht lange haltbar. Für namhafte Experten bleiben nach Sichtung des Films von Claudio Goosmann einige Fragen offen, die die ermittelnde Behörde ignoriert hat.
Hätte die junge Frau ihre Arterien genau getroffen, würde das Büro anders aussehen. Es schießt zuerst das Blut heraus, bei zu großem und schnellen Blutverlust kommt es sehr bald zu einer Ohnmacht. Mit großer Wahrscheinlichkeit gerinnt mit nachlassendem Druck das Blut und verschließt die Wunde. Das weiß jeder potentielle Selbstmörder und legt sich zum Sterben in eine Badewanne. Weil das warme Wasser Blut von der Wunde fortspült, kann es nicht gerinnen. Ohnmächtig wird er dort ausbluten.
Hätte sich die junge Frau am Waschbecken die Pulsadern aufgeschnitten und warmes Wasser darüber laufen lassen, wäre sie sehr bald ohnmächtig geworden. Sie wäre vor dem Waschbecken auf dem Boden gestürzt und gestorben. Dann wäre aber mehr Blut auf dem Teppich vor dem Waschbecken zu sehen.
Aber niemand kann sich an einem Waschbecken ausbluten lassen, anschließend Verbände um beide Handgelenke wickeln, dann drei Meter bis zum Ledersofa gehen, um dort zu sterben.

Bei der ermittelnden Polizei stellte man sich diese Überlegungen nicht. Auch andere Behörden blieben arglos, obwohl Mißtrauen zu ihrem Berufsethos gehören sollte. Die Tote wurde nicht einmal im Institut für Rechtsmedizin obduziert. Für nur 300,- Mark hätte die Staatsanwaltschaft auf einfache Weise weitere Erkenntnisse sammeln und damit Gerüchte verhindern können. Doch sie gab die Leiche sofort wieder frei. Der leitende Oberstaatsanwalt Manfred Wick erklärte auf Nachfrage lapidar, daß es in München »nicht üblich« sei, in einem derart klaren Fall von Selbsttötung einen Toten auch noch obduzieren zu lassen.

Da die Gelegenheit nun vorbei ist, von den (mehr oder weniger) ermittelnden Behörden befriedigende Antworten zu erhalten, stellen wir der Öffentlichkeit einige Fragen zu diesem rätselhaften Tod:
Kann jemand in der oben beschrieben Art Hand an sich selbst legen?
Wer war diese Angestellte mit dem chinesischen Familiennamen?
Was hat sie in ihren Abschiedsbriefen geschrieben?
Was ist an diesem »Suizid« im Ostasieninstitut in München so geheimnisvoll, daß jede
Recherche auch von staatlicher Seite abgeblockt wird?
Gab es für diese Angestellte berufliche Probleme am Münchner Institut für Ostasienkunde?
Gab es ähnliche Fälle mysteriöser Selbstmorde an diesem oder anderen Ostasieninstituten?
Würde die öffentliche Aufklärung dieses merkwürdigen Falles politische Beziehungen
und ihre Dienste tangieren?

Armin Witt

9. November 1999


* Der Name darf aufgrund eines Urteils Münchner Gerichte nicht länger genannt werden.

Lesen Sie zum Thema tote Chinesin in München den aktuellen Artikel aus der SZ vom 28. Jan. 2005, S. 38


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