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elfboi schrieb am 17.12. 2002 um 21:21:10 Uhr über

gats

GATS, Frauen & die Universitäten
Zu absurd für ein Drama - zu traurig für eine Komödie

Irene Zavarsky

I´m going to University


University here I come.
They´ve got a lot of male chauvinists
and I´m gonna shoot me some”



Die Umstrukturierung der Universitäten durch das UOG 1975 brachte einige entscheidende Verbesserungen für Frauen. Professorale Dominanz und strukturelle Intransparenz fanden ihr zumindest formales Ende mit der Einführung von entscheidungsbefugten Kollegialorganen auf allen Ebenen - besonders bei Personalentscheidungen eine wichtige Angelegenheit. Die neuen Gremien machten es den Männerseilschaften an den Universitäten etwas schwerer, ihre Mannschaften zügig auf den Gipfel zu bringen. Nichtsdestotrotz existierten informelle Strukturen weiter, und so demokratisch Gremien auch sein mögen - es bleibt immer Raum für Gespräche in der Lobby. Mit der Installierung des Arbeitskreises für Gleichbehandlungsfragen 1992, bei dem Frauen die Möglichkeit haben, Beschwerde gegen diskriminierende Berufungsverfahren einzulegen, wurde eine weitere strukturelle Krücke zur Förderung von Frauen an der Universität (vor allem im Bereich Lehre und Forschung) geschaffen.

Trotz all dieser unterstützenden Maßnahmen ist die Wirklichkeit alles andere als rosig: Zwar ist die Zahl der Studentinnen seit dem Wintersemester 70/71 von 29,94% auf 58,60% im Wintersemester 99/00 kontinuierlich angestiegen, auch bei den Assistentinnen (WiSe 75/76 13,8% - WiSe 99/00 26,73%) und Professorinnen (WiSe 75/76 2,7% - WiSe 99/00 6,26%) ist ein Anstieg von Frauen zu verzeichnen. Je weiter man/frau die akademische Leiter jedoch hinaufblickt, desto dünner ist der de facto Frauenanteil - ein Anstieg von 33 Professorinnen 1975 auf 100 Professorinnen 1999 kann wohl nicht als durchschlagender Erfolg verkauft werden - schließlich wären über 24 Jahre Zeit gewesen. Auch die Tatsache, dass es bis dato keine Rektorin in Österreich gibt, sollte zumindest zu denken geben. Die Gründe, warum trotz frauenfördernder Maßnahmen dieFeminisierung der Universitätnicht so klappt, wie Feministinnen sich das vorstellen, sind vielfältig: die altbekannten gläsernen Decken, die trotz demokratischer Strukturen existieren, hindern hauptsächlich Frauen am Vorwärtskommen. Informelle Ausschlussmechanismen, patriarchale Männerseilschaften, die nur zu gut funktionieren, Alltags- und struktureller Sexismus sind nur einige Beispiele für Knüppel, die Frauen zwischen die Beine geworfen werden.

Von Anfang an

Bezeichnend ist schon diegeschlechtsspezifischeWahl der Studienrichtungen. Der Anteil von Frauen in den geisteswissenschaftlichen Fächern - die altbekannten “HungerleiderInnenfächer”- ist eklatant höher als der in den “prestigeträchtigen” technischen Fächern, die auch mehr Aussicht auf gutbezahlte Jobs versprechen. Die Drop-Out-Rate ist bei Frauen höher als bei Männern - was sowohl ökonomische als auch soziale und gesellschaftspolitische Gründe hat. Steht in einer Familie die Entscheidung an, ob der Sohn oder die Tochter studieren kann, weil für beide das Geld nicht reicht, wird in den meisten Fällen die Entscheidung auf den Sohn fallen - weitergehend wird Frauen eher nahe gelegt, das Studium auf Kosten von Kind/Familie zu beenden. Die Einführung von Zwischenstufen im Studium - wie beispielsweise das Bakkalaureat - lässt die Schere zwischen den Bildungsniveaus von Männern und Frauen noch weiter auseinander klaffen.

Verschärft wurde die Situation durch die Einführung von Studiengebühren und die geplante Implementierung des Universitätsgesetzes 2002. Studiengebühren verschlimmern die ökonomische Situation vor allem von Studentinnen - das Universitätsgesetz soll die letzten demokratisch legitimierten Entscheidungsorgane entfernen.

Mit dem neuen Universitätsgesetz (UG 2002) liegen Entscheidungen, insbesondere Personalentscheidungen, in der Hand einer einzelnen Kurie - der ProfessorInnenkurie - und wenn wir uns erinnern, dass in Österreich im Moment nur 6,26% der ProfessorInnen Frauen sind, ist die Schlussrechnung, wieviel Frauen in Entscheidungsprozessen beteiligt sein werden, auch ohne Taschenrechner zu bewältigen. Außerdem wird durch die geplante Umstrukturierung der Frauenförderungsplan des bm:bwk für die Universitäten außer Kraft gesetzt, frauenfördernde Maßnahmen müssen in Zukunft im Zuge des Gender Mainstreamings von den einzelnen Universitätssenaten beschlossen und können nicht mehr zentral vom Bund verordnet werden. Einige Unis werden sich sicher freiwillig dem Gender-Mainstreaming “unterwerfen”, einige andere sicher nicht - wahrscheinlich wäre es gerade bei letzteren am notwendigsten, damit nachhaltige Veränderungen eintreten.

Über den Tellerrand hinaus

Auch an den Universitäten werden Forschungsbereiche und Institute schon längst teilweise von der Wirtschaft querfinanziert. Die Neuerung ist, dass diese Praktiken durch das GATS-Vertragswerk für die WTO-Mitgliedsstaaten bindend und für die Konzerne einfacher werden. Auch die Universitätsreform in Österreich steht unter diesen Vorzeichen.

Nun ist die Frage, warum Neoliberalismus oder im speziellen GATS gerade Frauen besonders trifft. Die Frage an sich ist nicht so schwer zu beantworten, wenn die Antwort auch etwas unkonkret bleiben muss, da wenig Literatur bzw. Studien zu diesem Thema vorhanden sind. Frauen sind von Umstrukturierungsmaßnahmen und Deregulierungsmaßnahmen à la GATS deswegen verstärkt betroffen, weil sie an sich schon am Ende der kapitalistischen Nahrungskette stehen und daher selbstverständlich auch als eine der ersten daran glauben müssen, wenn es ums Wegrationalisieren und verschlanken von Strukturen geht.

80% aller Frauen in der Europäischen Union arbeiten im Dienstleistungsbereich, hauptsächlich in Niedrig- Lohn-Bereichen mit schlechten Arbeitsbedingungen. Wenn GATS in Kraft tritt und wie geplant privatisiert und eingespart wird, sind diese Frauen die ersten, die ihre Jobs verlieren.

Es ist für WTO-Mitgliedsstaaten keine gezielte Frauenförderung in den für GATS geöffneten Bereichen mehr möglich. Bietet eine Bildungseinrichtung beispielsweise frauenspezifische Kurse an, kann dies vom Staat - im Zuge von frauenfördernden Maßnahmen - nicht unterstützt werden, ohne auch alle anderen Bildungseinrichtungen adäquat finanziell zu unterstützen, auch wenn diese keine frauenspezifischen Kurse anbieten.

Ist ein Bereich einmal privatisiert, steigen im Regelfall die Preise für die gewünschte Dienstleitung drastisch an. Krankenpflege, Altenpflege und Kinderbetreuung fallen nach der klassischen Rollenaufteilung bereits jetzt in den Zuständigkeitsbereich von Frauen - fällt die “leistbare” staatliche Unterstützung in diesen Bereichen weg, werden Frauen die Ausfallhaftung tragen müssen.

Wenn der tertiäre Bildungssektor GATS unterworfen wird, wird über kurz oder lang ein Zwei-Klassen- Bildungssystem entstehen. Die einen können sich die teureren privaten Universitäten leisten, die anderen müssen auf die weniger finanzkräftigen öffentlichen Universitäten gehen (staatliche Förderungen müssen zwischen allengerechtaufgeteilt werden). Frauen fallen eher in die zweite Gruppe - sie bekommen weniger Geld von den Eltern, weil mehr in die Bildung des Sohnes investiert wird bzw. sie verdienen durchschnittlich um 30% weniger als Männer. Billigere Universitäten können nur weniger prestigeträchtige Abschlüsse bieten, welche wiederum nicht die gutbezahlten Jobs winken lassen, weswegen am Monatsende wieder weniger Geld für Bildung überbleiben wird. Dieser Teufelskreis treibt Frauen entweder verstärkt in die ökonomische Abhängigkeit von Männern oder sie leben nahe am Existenzminimum.

Demokratie, die - weiblich?

Demokratie ist kein Wert an sich und bedeutet nicht automatisch gleiche Chancen für alle. Sie sichert Partizipationsmöglichkeiten, die, wenn sie nicht nur zu Illusionen führen, in manchen Fällen durchaus brauchbare Werkzeuge in die Hand geben. Demokratie kann ein Mittel zur Umsetzung von Chancengleichheit darstellen, ist jedoch nicht per se eine Garantie dafür - in diesem Kontext möchte ich sie auch hier verstanden wissen.

Die Frage nach GATS & Demokratie ist gerade im universitären Zusammenhang von Bedeutung. Mit der Umsetzung des UG02 fällt ein Großteil der bisher demokratischen Entscheidungsprozesse weg - Männerseilschaften und informelle Machenschaften gewinnen dadurch automatisch vermehrt an Bedeutung. In den wenigsten marktwirtschaftlich geführten Institutionen und Einrichtungen gibt es demokratische Entscheidungsorgane - ein “kompetentes Managementersetzt derartige Strukturen. Ein “kompetentes Managemententscheidet über Personalfragen, Lehr- und Forschungsinhalte, gutes Lobbying ermöglicht ein Einwirken auf diese Prozesse. Feministische Lehr- und Forschungsinhalte werden der Angebot-Nachfrage-Logik folgen müssen. Zwar werden sich GeldgeberInnen für feministische Lehrstühle finden - wie zum Beispiel die VolkswagenStiftung in Deutschland, die unglaubliche 9 Millionen Euro von 1997-2002 (bei einem jährlichen Umsatz von ca. 88 Milliarden Euro) in Frauen- und Geschlechterforschungsprojekte investierte - jedoch sind die Förderungen projektbezogen und von der Willkür der MäzenInnen abhängig.

Gender Mainstreaming - eine Lösung?

Der vielstrapazierte Begriff desGender Mainstreamings” wird von vielen Feministinnen kritisch beäugt - zu Recht: bedeutet er doch oft die ersatzlose Streichung von frauenfördernden Maßnahmen mit der Begründung, Gender Mainstreaming würde ohnehin bereits geschehen. Spätestens seit der vierten Welt- Frauenkonferenz in Peking 1995 geistert dieses Schlagwort durch die Institutionen - auch die Europäische Union hat es aufgegriffen und verteilt es großzügig auf den Deckblättern diverser Gesetze und Verordnungen. Selbst die WTO verwendet das zusammengesetzte Wörtchen - wenn auch sehr zaghaft - in manchen Texten. Realpolitisch bedeutet Gender Mainstreaming oft nur ein Label, mit dem Gesetze verziert werden, um KritikerInnen den Wind aus den Segeln zu nehmen - das dominante androzentristische Nomen- und Wertesystem wird dadurch nicht in Frage gestellt. Keine wirklich wirksame Waffe also gegen GATS & Co.

Was tun?”, fragte Lenin und machte die Revolution

Wir stellen nicht einzelne Auswirkungen desfreien Spiels der Kräftesondern das ökonomische System an sich in Frage. Es kann nicht sein, dass eine kleine Minderheit der Weltbevölkerung auf Kosten einer großen Mehrheit lebt. Die ÖH hat auch in diesem Bereich Informationsarbeit zu leisten und sich mit Organisationen und Gruppen im globalen Widerstand zu vernetzen.


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