|
Geopräventives
Programm,
Videoüberwachung
oder
Sicherheitsprogramm
für Schulen
Überwachungsmonster
USA
Verdrängen statt
Vorbeugen
Immer im Bilde
Terroristenjagd per
Kamera
Bundesregierung
verstößt gegen
Datenschutz
Wie eine Seuche
Andrea Naica-Loebell 14.05.2003
Digitale Videoüberwachung breitet sich aus
Der neue Trend im Bereich der Videoüberwachung sind komplett digitale Systeme,
die eine Vielzahl von verschiedenen Anwendungen ermöglichen. Der Markt boomt
sowohl in den USA wie in Europa.
Überwachungskamera
Staatsbibliothek
München, Bild: Der
Grosse Bruder
Die Überwachung des öffentlichen Raumes mit Videokameras ist ein umstrittenes Thema.
Nichtsdestoweniger boomt das Geschäft, die Angst ist immer wieder ein Garant für gute
Umsätze. Weltweit wird diese Technologie immer öfter eingesetzt, das liegt auch an den
fallenden Preisen und den zusätzlichen Möglichkeiten der digitalen Videoüberwachung. In
den USA hat zudem der 11. September und die Furcht vor Terroristen der Branche
enormen Auftrieb gegeben.
In Parkgaragen, vor potenziell gefährdeten Gebäuden wie Ministerien, Konsulaten,
Polizeistationen oder Synagogen, aber auch in Shopping Malls, Einkaufspassagen und
Kaufhäusern wird jeder unserer Schritte von den kleinen technischen Spionen beobachtet.
Der Verkehr wird an der Bildschirmwand von Polizeibeamten überwacht und so mancher
Angestellte von Sicherheitsfirmen verbringt seine Einsatzstunden vor allem damit, auf
Monitore zu starren.
Der Verkauf von entsprechenden Videosystemen und dem dazu gehörenden Service erlebt
in diesen Zeiten der Wirtschaftsflaute zweistellige Zuwachsraten. Einem Bericht des
US-Marktforschungsinstitutes J. P. Freeman zufolge werden die Ausgaben für digitale
Überwachungsprodukte bis Ende 2005 in den USA auf 8,5 Milliarden Dollar angestiegen
sein. 2002 betrugen sie 5,7 Milliarden (vgl. The U.S. & Worldwide
CCTV & Digital Video Surveillance Market Report - Die Studie kann gedruckt für $4 500
bestellt werden).
Dieses Big Business wollen sich die großen Konzerne natürlich nicht entgehen lassen.
Panasonic, Sony und
Sanyo sind ebenso dabei wie andere Kamera-Hersteller. Spezielle
Anbieter für das Marktsegment sind seit mehr seit zehn Jahren CCS
International und Pelco. Und die Computerindustrie fehlt auch nicht,
allen voran IBM, das seit neuestem ein Packet aus Service und
System-Design für digitale und Netzwerk basierte Videoüberwachung anbietet. Gegenüber
der New York Times erklärte der Marketing-Vizepräsident von der
Kommunikationssparte bei IBM, Michael Maas:
Konzerne müssen ihre Kosten reduzieren und effektiver werden. Die
Digitalisierung von Sicherheit leistet genau das.
IBM bietet 3000 Berater an, die den Kunden helfen sollen, die neuen digitalen
Überwachungssysteme in ihre existierende Informationsverarbeitung zu integrieren. Das
ist nicht einfach, denn für die reale Sicherheit sind meist Wachdienste zuständig, die nicht
darauf eingestellt sind, mit der neuen Technologie umzugehen. Und es ist auch fragwürdig,
inwiefern sie in der schönen neuen Welt voller integrierter digitaler Überwachung noch
gebraucht werden. Mosro-1, der erste Sicherheitsroboter und seine
digitalen Sprösslinge werden wahrscheinlich ihre Funktionen weitgehend übernehmen.
Digitale Videoaufnahmen sind wesentlich einfacher in der Handhabung als die
herkömmlichen analogen. Sie können platzsparend auf der Festplatte oder auf CDs
gespeichert und sofort übermittelt werden, wenn ein Bild als Beweis gebraucht wird.
Überwachung und Zugangskontrolle sind dann aus einem Guss, auch weitere Scans - wie
etwa nach Waffen - sind als Teil des Systems denkbar. Noch steckt die Biometrie in den
Kinderschuhen, aber auch sie könnte künftig ihren Beitrag leisten.
Verglichen damit sind analoge Videokameras mit ihren klassischen Recordern technische
Dinosaurier. Der Preisverfall der digitalen Ausrüstung und ihr viel breiteres
Anwendungsspektrum wird wohl dafür sorgen, dass sie bald ausgemustert werden.
In Großbritannien ist Big Brother längst an der Macht, nirgends gibt es mehr Kameras im
öffentlichen Raum. National Car Parks, Betreiber von 580
Parkgaragen in Innenstädten und an Flughäfen hat seine digitalen Kameras vernetzt und
überwacht sie zentral von London aus. Die Londoner haben in ihrer Innenstadt inzwischen
zudem ein digitales Videoüberwachungssystem, welches das Mautsystem ergänzt und
zusätzlich eine Gesichtserkennungs-Software verwendet (vgl.
Terrorabwehr und Staureduktion).
Nicht nur in England ist die Sicherung von öffentlichen Plätzen und Gebäuden mit den
digitalen Augen ein großes Geschäft. Die Unternehmensberatung
Frost&Sullivan prognostiziert für den Markt von CCTV-Systeme
(closed circuit television systems) eine internationale Wachstumsrate von 12,7 Prozent
und einen Umsatz von 10,61 Milliarden Dollar im Jahr 2008. Für Europa sehen sie eine
Wachstumsrate von 10,4 Prozent und für 2008 einen Umsatz von 3,82 Milliarden Dollar
voraus.
Auch Frost&Sullivan setzen dabei auf eine voll digitale Zukunft:
Seitdem die Nachfrage größer und die Konkurrenz zahlreicher geworden ist,
hat die Industrie immense technologische Fortschritte erzielen können. Mithilfe
von Gesichtserkennung, digitaler Speicherung und intelligenter Software hat
CCTV gegenüber anderen Sicherheitssystemen deutliche Vorteile aufzuweisen.
Insbesondere der Umstieg von analogen auf digitale Systeme hat die
Produkteigenschaften verbessert; so ermöglicht beispielsweise die Integration
des Internets auf einfache Art die Überwachung aus der Distanz. Hersteller von
Sicherheitslösungen bieten neuerdings Systeme mit mehreren Funktionen an: je
nach Bedarf kann zwischen Zutritts-, Anwesenheitskontrolle und anderen
Überwachungsmöglichkeiten gewählt werden.
In Österreich sind zurzeit 165 000 Kameras im Einsatz, 100 000 davon in öffentlichen
Bereichen wie Sportstätten, Kaufhäusern, Gaststätten und Garagen, berichtete der
Standard. In der Schweiz sollen mindestens 40'000 optische Spione
in Sportstadien, auf Bahnhöfen und Ausfallstrassen, in Vorortszügen, vor Schulhäusern und
an Abfallsammelstellen installiert sein. Die Neue Zürcher Zeitung
zitierte den Datenschutzbeauftragte des Kantons Zürich, Bruno Baeriswyl, der meint, die
Videoüberwachung verbreite sich in der Schweiz »wie eine Seuche«.
Wie viele Kameras hierzulande im Einsatz sind, kann man nur ahnen. Auf jeden Fall
boomt das Marktsegment auch hier. Nach den Daten der Unternehmensberatung Mario
Fischer gab es im vergangene Jahr mehr als 10 Prozent Zuwachs für CCTV-Systeme in
Deutschland (vgl. Videoüberwachung, CCTV. Jahr 2002/2003,
Studie kann für 1450 Euro zzgl. MwSt. gedruckt bezogen werden). Der Zentralverband
Elektrotechnik- und Elektronikindustrie ( ZVEI) ist sehr engagiert,
um diesen Bereich zum Nutzen seiner Mitglieder weiter auszubauen. Für das "massive
Promoten von Videoüberwachung aus rein kommerziellen Gründen" kassierte er 2002
eine tadelnde Erwähnung beim Big Brother Award.
Im Sommer letzten Jahres soll es von der öffentlichen Hand nur 20 Überwachungsanlagen
im öffentlichen Raum mit zusammen vielleicht 50 Kameras gegeben haben. Das scheint
weit zu niedrig angesetzt zu sein, wenn man sich die Sammlung ansieht, die von
DerGrosseBruder, einer Gruppe von kritischen Privatleuten im
Internet, zusammen getragen wurde. Über ihr "Kartographierungsprojekte für
Überwachungskameras im Öffentlichen Raum in Deutschland" sind sie auch mit Sammlern
in anderen Teilen der Bundesrepublik verlinkt.
Bild: DerGrosseBruder
In Deutschland muss man private Geräte nicht anmelden, aber Läden müssen im
Eingangsbereich davon aufmerksam machen, dass sie ihre Verkaufsräume mittels Video
beobachten. Das Bundesdatenschutzgesetz regelt den gesetzlichen
Rahmen:
Die Beobachtung öffentlich zugänglicher Räume mit optisch-elektronischen
Einrichtungen (Videoüberwachung) ist nur zulässig, so weit sie zur
Aufgabenerfüllung öffentlicher Stellen, zur Wahrnehmung des Hausrechts oder
zur Wahrnehmung berechtigter Interessen für konkret festgelegte Zwecke
erforderlich ist und keine Anhaltspunkte bestehen, dass schutzwürdige Interessen
der Betroffenen überwiegen.
Noch gibt es in Deutschland bisher keine so breite kritische Öffentlichkeit zu dem Thema
wie z.B. in den USA. Aber das könnte auch daran liegen, dass viele unterschätzen, wie
viele Video-Augen uns überall aufzeichnen. Allerdings hat sich im vergangenen Jahr der
Arbeitskreis Videoüberwachung und Bürgerrechte als
Zusammenschluss von etwa 80 Wissenschaftlern verschiedener Fachrichtungen, Künstlern,
Berufstätigen aus Polizei, Justiz und Presse sowie Bürgerrechtler Berufstätige aus Polizei,
Justiz und Presse, Bürgerrechtlern u.a. gebildet.
Sie wollen sich »hochgradig interdisziplinäre und vernetzt« mit dem Thema "Überwachung
und Gesellschaft" auseinander setzen. Sie gehen davon aus, dass der Haupteffekt der
Überwachung die Erzeugung von Misstrauen ist:
Videoüberwachung gilt als Wachstumsmarkt. ... So sehr die
Videoüberwachung auf die Erzeugung sicherer oder auch Wiedergewinnung
unsicherer Räume zielt und sich damit ihre Legitimation verschafft, sie erzeugt
letztendlich eine Atmosphäre des Misstrauens, die sich räumlich durch die
Asymmetrie von Sehen und Gesehenwerden ausdrückt und zeitlich durch die
vollkommene Relativierung von Gegenwart durch die andauernde und lauernde
Erwartung eines künftigen Ernstfalls beschreiben lässt.
Kommentare:
Hurra, jetzt sind wir alle Filmstars (pocahontas, 14.5.2003 2:09)
Copyright © 1996-2003. All Rights Reserved. Alle Rechte vorbehalten
Heise Zeitschriften Verlag GmbH & Co.KG
last modified: 13.05.2003
Privacy Policy / Datenschutzhinweis
|