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prediger schrieb am 9.1. 2007 um 11:23:01 Uhr über

Seltsam

Dr. Seltsam, wie er meist genannt wird, ist ein satirischer Film von Stanley Kubrick aus dem Jahre 1964 (Originaltitel: Dr. Strangelove or: How I Learned to Stop Worrying and Love the Bomb).

Inhaltsverzeichnis [Verbergen]
1 Handlung
2 Schauspieler
3 Red Alert und Fail-Safe
4 Sonstiges
5 Filmmusik
6 Auszeichnungen
7 Medien
7.1 DVD
7.2 Literatur
7.3 Weblinks



Handlung
Der Film schildert, wie der US Air Force-General Jack D. Ripper (Sterling Hayden) versucht, auf eigene Faust einen Atomkrieg mit der Sowjetunion auszulösen, indem er den ihm unterstellten B-52-Bombern den Angriffsbefehl erteilt. Dies tut er, um eine sowjetische Verschwörung aufzuhalten, die, wie Ripper überzeugt ist, die „wertvollen Körpersäfte“ der Menschen in den USA zu zersetzen versucht.

Durch das umsichtige Handeln des US-Präsidenten (Peter Sellers), der die Sowjetführung kontaktiert, wird sein Plan allerdings weitgehend vereitelt. Die Sowjets gestehen dabei jedoch ein, daß sie eine „Weltvernichtungsmaschine“ konstruiert haben, die einen atomaren Angriff automatisch und unaufhaltsam beantwortet, indem sie alles Leben auf der Erde mittels atomaren Fallouts vernichtet. Trotz der Zusammenarbeit der Regierungen, und obwohl der britische Austausch-Offizier Captain Lionel Mandrake (Peter Sellers) den Rückrufcode für die Bomber herausfindet, gelingt es nicht, die Gefahr zu beseitigen:

Der Bomber „The Leper Colony“ (dt. soviel wieDie Aussätzigen“) wird weder abgeschossen, noch erreicht ihn aufgrund eines beschädigten Funkgeräts der Rückruf. Seine Besatzung führt daher letztlich den Angriffsbefehl aus (der Pilot reitet dabei in einer berühmten Szene auf der Bombe Richtung Boden). Das hierdurch absehbare Ende der bisherigen Zivilisation sorgt im US-Hauptquartier jedoch nur kurz für Bestürzung. Schnell kristallisiert sich unter der Leitung von Dr. Seltsam (Peter Sellers) ein Plan heraus, wie das Überleben eines kleinen Teils der amerikanischen Nation in Bergwerksstollen doch noch gesichert werden kann. Um auch nach dem auf 100 Jahre angelegten Projekt die militärische Überlegenheit sicherzustellen, wird ein Zuchtprogramm für Menschen angedacht. Angesichts der Aussicht, hieran teilzunehmen, finden etliche Charaktere Gefallen an der Situation. Am Ende des Films erhebt sich Dr. Seltsam aus seinem Rollstuhl und ruft: »Mein Führer, ich kann wieder gehen


Schauspieler
Der Star des Filmes ist Peter Sellers. Er spielt drei Rollen, wobei er einen Teil der Dialoge improvisierte:

Group Captain Lionel Mandrake, ein vernünftiger, wohlmeinender britischer Austauschoffizier
Merkin Muffley, der amerikanische Präsident, bescheiden, besonnen und offenkundig leicht überfordert
Dr. Seltsam, ein deutscher Wissenschaftler (sein Name im Original ist Strangelove (Abstrakte Liebe, hier durchaus mit verzerrt zu übersetzen)). Dieser Charakter scheint teilweise auf Herman Kahn, John von Neumann, Wernher von Braun, Henry Kissinger, den ehemaligen Harvard-Dozenten und damaligen US-Verteidigungsminister Robert Strange McNamara sowie Edward Teller zu basieren.
Ursprünglich sollte Sellers auch die Figur des Major Kong spielen, jedoch fiel er aufgrund einer Beinverletzung aus. Unklar ist ob Sellers die Verletzung vortäuschte (wie in dem biografischem Film The Life and Death of Peter Sellers angedeutet). Tatsache ist, dass er keinen Gefallen daran hatte, mehr als drei Rollen zu spielen, obwohl dies ursprünglich anders vereinbart war.
Weitere wichtige Schauspieler des Filmes:

Slim Pickens, als Major Kong Kapitän des alles entscheidenden Unglücksbombers, ist ein texanischer Vorzeigecowboy vollster tiefamerikanischer Inbrunst (die Legende behauptet, dass Kubrick dem für diese Rolle engagierten Westerndarsteller Slim Pickens nicht sagte, dass sie eine Komödie drehen, und dessen patriotische Ansprachen an seine Besatzung somit zumindest von Pickens ernst gemeint sind)
George C. Scott, der als US Luftwaffengeneral die Flucht nach vorne antreten will und mit allem Verfügbaren nachsetzen will. Dieser Charakter basiert fast sicher auf Curtis LeMay, dem damaligen Chef der strategischen Bomberflotte.
James Earl Jones hat in diesem Film als Bombenschütze sein Schauspieldebüt.

Red Alert und Fail-Safe
Dr. Seltsam basiert auf dem Roman Red Alert, den Autor Peter George 1958 unter dem Pseudonym Peter Bryant veröffentlichte. In Deutschland ist das Buch bislang nur als Heftroman erschienen und zwar 1961 beim Verlag Erich Pabel. Peter George arbeitete dann zusammen mit Kubrick und dem Satiriker Terry Southern am Drehbuch für Dr. Seltsam. Red Alert ist wesentlich ernster als Dr. Seltsamdie Figur des Dr. Seltsam kommt überhaupt nicht vor –, aber die Handlung ist sehr ähnlich. Es war Southern, der die satirischen und schwarzhumorigen Elemente in das Drehbuch einbrachte.

Im selben Jahr und vom selben Studio (Columbia) wurde der Film Fail-Safe des Regisseurs Sidney Lumet, basierend auf dem gleichnamigen Roman von Eugene Burdick, veröffentlicht. Fail-Safe behandelt das gleiche Thema wie Dr. Strangelove – ein unbeabsichtigter Atomkrieg –, aber ohne den schwarzen Humor und die satirischen Elemente von Dr. Strangelove.


Sonstiges
In der Originalfassung fragt General Turgidson, als Dr. Seltsam auftritt, „Strangelove? What kind of a name is that? That ain't no Kraut name is it, Stainesey?“ Der Angesprochene erwidert, „He changed it when he became a citizen. Used to be Merkwürdigeliebe.“ Das merkwürdige Verhalten des Armes von Dr. Seltsam (der Arm schnellt bei allen möglichen und unmöglichen Anlässen zum Hitlergruß hoch, und muss mühsam durch den anderen Arm gebändigt werden) ist eine seltene und dabei recht gute Darstellung einesautonomen Gliedes“, wie es in der Psychopathologie beschrieben wird[1].

Die Paranoia General Rippers war die Anspielung auf eine Verschwörungstheorie bezüglich der Fluoridierung des Trinkwassers in den USA. Aus diesem Grunde trank er in dieser Handlung nur noch destilliertes bzw. Regenwasser, vermischt mit reinem Alkohol, was seinen Verstand und schließlich die Welt zerstörte. Die Fluoridierung ist für General Ripper demnach auch der Grund, warum die Sowjets nur Wodka trinken.

In der Szene, in der Major Kong die Liste des Notfallpäckcheninhalts vorliest, sagte Schauspieler Slim Pickens ursprünglich „Shoot, a fella could have a pretty good weekend in Dallas with that stuff!“. Als der Film Anfang 1964 herauskommen sollte, hielt man die Textpassage für unpassend, da Präsident Kennedy nur wenige Wochen vorher in Dallas ermordet wurde. Die Szene wurde neu synchronisiert und nun spricht Kong von einem netten Wochenende in Vegas, man kann das Wort Dallas jedoch noch an der Lippenbewegung erkennen.

Ursprünglich war ein anderes Ende vorgesehen: Die Offiziellen sollten sich eine Tortenschlacht im Warroom liefern. Die Szene wurde auch gedreht. Beim Schnitt entschied man jedoch, diese Szene zu streichen. Nun endet der Film mit Dr. Strangeloves Ausruf „Mein Fuehrer, I can walk!“.

Die im Film behandelte Weltuntergangsmaschine (doomsday device) steht im Zusammenhang mit der realen sowjetischen 50- bis 60-Megatonnen-Detonation der Zar-Bombe im Jahre 1961 auf der Insel Nowaja Semlja, der größten vom Menschen jemals verursachten Explosion. Siehe dazu auch Kernwaffentechnik.

2003 erstellte die Bundeszentrale für politische Bildung in Zusammenarbeit mit zahlreichen Filmschaffenden einen Filmkanon für die Arbeit an Schulen und nahm diesen Film in ihre Liste mit auf.

Zuständig für das Design desWar Room“, in dem sich Politiker und Generäle zu Anfang des Filmes einfinden, war Ken Adam. Er wirkte auch bei zahlreichen James Bond-Filmen mit und entwarf dort u.a. die Geheimwaffen und die Kommandozentralen der Bösewichte. Das Motiv desWar Room“ mit den riesigen Monitoren, dem großen Tisch und der charakteristischen, einem Heiligenschein nachempfundenen Beleuchtung wurde in späteren Filmen und Serien (vorwiegend Komödien und Zeichentrickserien) oft aufgegriffen.

Kubrick plante in den 1990ern eine Fortsetzung des Films, bei der er jedoch nur noch als Produzent fungieren wollte, ähnlich wie er es für A.I. geplant hatte. Regie sollte Terry Gilliam führen. Die Vorbereitungen bzw. Dreharbeiten zu A.I. und Eyes Wide Shut verschoben das Projekt jedoch immer wieder, so dass es nicht mehr zustande kam.

Wie viele andere Kubrick-Filme wurde Dr. Seltsam oft parodiert, u.a. in Die Simpsons, als Homer Simpson auf einer Atombombe reitet. Die deutsche Synchronstimme von Major Kong (dem Bombenreiter) ist übrigens Heinz Rühmann.

Abgesehen von Mrs. Foreign Affairs, die auf dem Playboy-Cover erscheint und im Schlafzimmer von General Turgidson diesem von General Rippers Angriffsbefehl informiert, wird der Film ausschließlich von Männern bevölkert. Dabei sorgen sowohl bildlich als auch verbal ständige Anspielungen auf unterdrückte Triebe und Allmachtsphantasien für eine sexuelle Aufladung des Geschehens. Bereits die dem Vorspann unterlegte Betankung in der Luft ist eine deutliche sexuelle Anspielung. General Jack D. Rippers Name erinnert nicht nur zufällig an den berühmten Prostituiertenmöder und der Vorname des Präsidenten Merkin Muffley bezeichnet im Slang ein Schamhaartoupet. Sämtliche Protagonisten scheinen ihre Triebe zu unterdrücken und entwickeln daraus für sich verschiedene Bewältigungsstrategien. Die theoretische Konstellation von zehn Frauen pro Mann in den Schutzräumen beschäftigt und interessiert die Herren im War-Room mehr als logistische Aspekte dieser Evakuierung. Und wenn sich Dr. Seltsam mit den Worten Mein Führer, I can walk aus seinem Rollstuhl erhebt, finden Allmachtsphantasien und Triebstau in einer finalen Symbiose zusammen.

Anfangs sollte dieser Film eine ernsthafte Auseinandersetzung mit der nuklearen Bedrohung werden, doch je intensiver sich Kubrick mit der Materie beschäftigte, desto wahnsinniger erschien ihm dieses Thema. Durch die Einbeziehung von Komik-Autoren gelang es, die beklemmende Mischung aus tatsächlich vorstellbarem Wahnsinn in all seiner bestechenden Logik und absurde Komik zu einer ewig gültigen Bestandsaufnahme menschlicher Allmachtsphantasien werden zu lassen.

Die in einem früheren Stadium erwogene Idee, das Geschehen als von Außerirdischen gefundene Dokumentation der Zerstörung der Welt zu präsentieren, ließ Kubrick bald wieder fallen. In 2001Odyssee im Weltraum hatte er eine ähnliche Idee, entfernte jedoch kurz vor der Premiere den Off-Erzähler wieder.

Ken Adams’ Produktionsgestaltung ist in erster Linie für den War Room bekannt. Dass er auch beispielsweise das Flugzeuginnere gestaltete, fällt gar nicht auf, zu realistisch wirkt es. Eines Tages soll er einen Anruf von Kubrick erhalten haben, der ihm mitteilte, das FBI interessiere sich für die Quellen, die Adams für seinen Entwurf konsultiert hat. In den USA war das Innere der B52-Bomber ein strenges Geheimnis, Adams informierte sich in einer britischen Fliegerzeitschrift darüber, wie es in solch einem Flugzeug aussah.

Nach einer Anekdote, bat Präsident Reagan nach seiner Vereidigung, man möge ihm jetzt den War Room zeigen. So sehr hatte sich der Film, der als erster Film bereits in den 1960er Jahren Inhalt einer Kongressdebatte war, in das kulturelle Gedächtnis eingegraben, dass diese Begebenheit gemeinhin als tatsächlich stattgefunden wahrgenommen wird.


Filmmusik
Eine klassische Interpretation von Try a Little Tenderness (Im Original von Otis Redding) wird in der Eröffnungsszene gespielt, während im Vordergrund die Titel erscheinen und im Hintergrund eine Luftbetankung eines B-52 Bombers durchgeführt wird. Die Szenerie erweckt, unterstrichen durch die an Hollywood-Romanzen erinnernde Interpretation, Erinnerungen an den Liebesakt von Libellen, und unterstreicht damit zugleich die Verharmlosung der nuklearen Bedrohung.
When Johnny Comes Marching Home Again, ein Lied aus dem Amerikanischen Bürgerkrieg, in dem die Rückkehr der Überlebenden gefeiert wird. Eine Instrumentalversion begleitet die Szenen, die in der B-52 spielen.
We’ll Meet Again von Vera Lynn, ein optimistisches, sentimentales Lied aus dem Zweiten Weltkrieg, begleitet die Zerstörung der Erde durch Atombomben am Schluss des Filmes.



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