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Robin Hart schrieb am 27.4. 2001 um 19:14:44 Uhr über

Mittelalter

Der Orden des heiligen Lazarus - Die Lazarener im MA

Frühchristliche Anfänge des Lazarus-Ordens
Nach alten Überlieferungen soll die Geburtstätte des Lazarusordens ein Lepra-Hospiz außerhalb der Mauern Jerusalems gewesen sein, welches vom Hohepriester Johannes Hyrcanus (135-105 v. Chr.) gegründet wurde. Nach Unterlagen aus dem Jahre 1343, die Johannes, Herzog von Berry (späterer französischer König Johann II), zugerechnet werden, soll das Gründungsdatum der Bruderschaft im Jahre 72 n. Chr. liegen. Die meisten Historiker sehen jedoch das Jahr 369 n. Chr. als einigermaßen fundiertes Gründungsdatum des Ordens an. Danach soll der Heilige Basilius der Große, Erzbischof von Caesarea, durch die Gründung eines Leprahauses in der Nähe von Caesarea die Grundsteine für den späteren Lazarusorden gelegt haben. Seit dem 5. Jahrhundert existierten Lepra-Hospitäler in Akkon und Caesarea, die von armenischen Mönchen nach der Regel des Heiligen Basilius geführt wurden. Das spätere Haupthaus wurde dann im Jahre 530 bei Jerusalem gegründet. Dieses Hospiz diente nicht nur der Aufnahme und Pflege von Leprakranken, sondern widmete sich generell der Wohlfahrt der Pilger im Heiligen Land. Da das Leprosorium sich in der Nähe von Bethanien, dem Ort, an dem Christus Lazarus von den Toten erweckt haben soll, befand, wurde es Lazarus-Hospital genannt. Dieses Hospital soll sich angeblich an eben jener Stätte befunden haben, an der auch das alte, von Johannes Hyrcanus gegründete Haus stand. Zu dieser Zeit standen die Lzarener-Brüder unter der Protektion des Patriarchen von Jerusalem.

Gründung des »Militärischen und Hospitalischen Ordens des Heiligen Lazarus von Jerusalem«
Nach der Eroberung Jerusalems durch die christlichen Kreuzfahrer gründete bzw. reorganisierte ein gewisser »Bruder Gerard« das Hospital des heiligen Johannes zu Jerusalem und wurde damit Begründer des Johanniterordens, einem zumindest anfangs reinen Pflegeorden mit weitreichenden caritativen Aufgaben. Bruder Gerard soll nach der Eroberung Jerusalems ebenfalls entscheidend am Ausbau und der Reorganisation des Lazarus-Hospitals beteiligt gewesen sein. Aus diesem Grunde geben einige Autoren das Jahr 1099 als Gründungsjahr des Lazarusordens an. In den folgenden Jahrzehnten wurden die Ritter des Johanniterordens, des Templerordens und des Heilig-Grab-Ordens, die an Lepra oder vergleichbar schweren Krankheiten litten, dem Lazarus-Hospital unterstellt. Da die Krankheit in den meisten Fällen nur sehr langsam fortschritt und das Hospital sowohl gegen die Ungläubigen als auch gegen maraudierende Plünderer geschützt werden mußte, wandelte sich die Gemeinschaft der Ordensritter, die Lazarener, Lazariten oder auch Lazaristen genannt wurden (von dieser Bezeichnung leitet sich auch der Begriff Lazarett ab), vom reinen Pflegedienst zum Ritterorden mit militärischen Aufgaben. Deswegen legen andere Quellen das Gründungsdatum des »Militärischen und Hospitalischen Ordens des Heiligen Lazarus von Jerusalem« in das frühe 12. Jahrhundert. Sicher scheint, daß die Mönche des Lazarus-Ordens nach der Eroberung Jerusalems die Augustiner-Regel annahmen und sich unter die Protektion des römischen Papstes stellten. Aus diesem Grunde herrscht noch immer Uneinigkeit darüber, ob der Lazarus-Ritterorden als Nachfolger des nach der Regel des Hl. Basilius lebenden frühchristlichen Lazarus-Ordens - und damit als ältester Ritterorden - gelten kann oder nicht.
Sowohl in der Regel der Johanniter als auch der Tempelritter wurde festgelegt, daß Mitbrüder, die an Lepra erkrankten, den Orden verlassen und in den Lazarus-Orden eintreten sollten. Der Großmeister des Lazarus-Ordens mußte zumindest in den ersten beiden Jahrhunderten der Ordensgeschichte immer selbst ein Lepröser sein, und nach einigen Autoren sollen sich die meisten Großmeister und sonstigen Ordensgrößen aus den Reihen der Johanniter rekrutiert haben. In Ausnahmefällen wurden auch nicht an Lepra erkrankte Brüder in den Orden aufgenommen. Ähnlich wie im Johanniter-Orden gab es bei den Lazarenern Ordensbrüder, die Ritter waren, und Laien-Brüder, die als Sergeanten bezeichnet und aus der Schar der Lepra-Patienten rekrutiert wurden.

Der Lazarus-Orden im Heiligen Land
Der Lazarener-Orden wurde von den christlichen Königen des Jerusalemer Königreiches sehr geschätzt und unterstützt, insbesondere von König Balduin IV, der selbst an Lepra erkrankt war. Im Jahre 1142/43 nannte der neue Orden unter dem Patronat Königin Melisendes eine eigene Kirche und ein eigenes Ordenshaus bei Bethanien sein eigen. In der Zeit um 1155 gab es bereits neue Ordenshäuser in Tiberias und Askalon, nach einigen Quellen auch in Beirut. Die Ordensritter hatten einen guten Ruf als Streiter Gottes, so erhielten sie beispielsweise die Aufgabe, die Festungen Kharbet el Zeitha und Madjel el Djemeriah zu verteidigen. Wo auch immer die Christen gegen die Ungläubigen kämpften, war auch ein Kontigent der sogenannten »Lebenden Toten« vom Orden des Heiligen Lazarus dabei. Nach dem Fall von Jerusalem im Jahre 1187 war Saladin so beeindruckt von der Arbeit des Ordens, daß er das Lazarus-Hospital unter seinen persönlichen Schutz nahm und den Armen der Stadt erlaubte, Jerusalem durch das Lazarus-Tor zu verlassen und im Hospital Zuflucht zu suchen. Während des Waffenstillstandes zwischen Saladin und den Kreuzfahrern errichtete der Orden im Jahre 1191 seinen neuen Hauptsitz in Akkon, wo ein befestigtes Hospital und eine Ordenskirche erbaut (bzw. übernommen, s. o.) wurden. Außerdem übernahmen die Lazarener den Lazarus-Turm und die Lazarus-Kirche bei Caesarea. Mit dem Wiederaufflammen des Krieges zwischen den Christen und den Moslems verdienten sich die Lazarener wiederholt Lorbeeren für besondere Tapferkeit in der Schlacht. Viele Ordensritter fanden in der Schlacht von Gaza 1244 den Tod. Der klägliche Rest der Ordensritter begleiteten Ludwig IX von Frankreich auf seinem Ägypten-Feldzug und seinen Syrien-Expeditionen (1250-1254). Im Jahre 1255 erkannte Papst Alexander IV den Orden unter der Augustiner-Regel an. Urban IV sicherte den Lazarenern 1262 die selben Privilegien wie den anderen Ritterorden zu. Seit 1265 bestand dann sogar eine kuriale Anordnung Clemens IV, wonach alle Leprakranken der Aufsicht des Lazarus-Ordens unterstellt wurden. Als im Jahre 1291 Akkon an die Moslems fiel, mußte der Lazarener-Orden das Heilige Land verlassen. Nach dem Fall von Akkon verlegte der Orden seinen Sitz nach Zypern und später nach Sizilien, wo entsprechende Hospitäler errichtet wurden. In späteren Zeiten entwickelten die Lazarener ähnliche Aktivitäten wie die Johanniter und widmeten sich mit ihrer Flotte der Sicherung des Mittelmeeres gegen die türkische Flotte und maraudierende Piraten.

Der Lazarus-Orden in Europa
Schon bevor der Orden das Heilige Land verlassen mußte, hatten einige Brüder sich in Europa niedergelassen. Sie gründeten Hospitäler und Ordenshäuser in ganz Europa. Die berühmtesten waren die Häuser in Boigny und in Capua. Das Schloß Boigny bei Orléans wurde dem Orden von Ludwig VII von Frankreich im Jahre 1154 geschenkt, der von der Arbeit des Ordens im Heiligen Land beeindruckt war und dieses Werk in seinem eigenen Land fortgesetzt sehen wollte, da Lepra zu dieser Zeit in Frankreich weit verbreitet war (allein in Frankreich soll es zu dieser Zeit 800 Leprosorien gegeben haben). Er übergab das Schloß 12 Ordensbrüdern, die ihm aus dem heiligen Land nach Frankreich gefolgt waren. Das Haus in Capua wurde im Jahre 1211 gegründet und von Friedrich II unterstützt. In England entstand während der Herrschaft Heinrichs II ein Ordenssitz in Burton Lazars (1135), gegründet von Roger de Mowbray; in Schottland wurde der Hauptsitz des Ordens unter Alexander II in Linlithgow um 1230 etabliert. In der Schweiz entstand ein Konvent in Seedorf (1134), in Deutschland wurde das Hospital der Hl. Magdalena in Gotha gegründet und es entstand auch ein Ordenssitz in Ungarn. Bis auf das Haus in Capua waren die restlichen Ordenshäuser dem Priorat von Boigny untergeordnet. Jedes Ordenshaus war autonom und wurde zum größten Teil von den leprakranken Insassen getragen, die bei Eintritt in den Konvent ihre weltlichen Güter dem Ordenshaus vermachten. Im 14. Jahrhundert gelang es - vor allem auch durch die Arbeit des Lazarus-Ordens in den Leprosorien - die Verbreitung der Lepra in Europa zurückzudrängen. Dadurch wurde der Lazarus-Orden immer mehr zu einer rein militärischen Organisation. Im Jahre 1498 versuchte Papst Innozenz VIII (und später auch Papst Julius II, 1505), den Orden des Heiligen Lazarus aufzulösen und dem Johanniter-Orden anzugliedern. Nach fast einem halben Jahrhundert des passiven Widerstandes gaben die Lazarener schließlich im Jahre 1557 nach und wurden fortan vom Großmeister der Johanniter geleitet (aber nur in Deutschland wurden einige Einrichtungen der Lazarener von den Johannitern übernommen). Durch diese Zwistigkeiten kam zu einer Spaltung des Lazarus-Ordens in zwei eigenständige Priorate: das Priorat von Capua, dem auch die sizilianischen Ordenshäuser angehörten, und das Priorat von Boigny mit seinen untergeordneten europäischen Ordenshäusern. In England und Schottland wurde der Orden im Jahre 1554 aufgelöst, in Frankreich blieb er jedoch erhalten. Der Lazarus-Orden in Capua wurde im 16. Jahrhundert mit dem St.-Mauritius-Orden zusammengelegt, während er in Frankreich mit dem Orden-Unserer-Lieben-Frau-vom-Berg Carmel fusionierte.

Tracht
Die Lazarener trugen anfangs wie die Augustiner-Mönche ein schwarzes Habit und einen schwarzen oder dunklen Mantel ohne weitere Insignien. Seit Anfang des 12. Jahrhunderts, (wahrscheinlich seit der Zeit, als Raymond du Puy, der zweite Großmeister der Johanniter, Großmeister der Lazaristen geworden war) sollen die Lazarener in Palestina und später auch in Europa dann ein einfaches oder ein getatztes grünes Stoffkreuz auf der Brust des schwarzen Habits bzw. auf der linken Schulter ihres Mantels getragen haben, um sich von den Angehörigen der anderen geistlichen Ritterorden zu unterscheiden. Die grüne Farbe des Kreuzes wird unterschiedlich interpretiert: während einige Autoren dies als Herausforderung an die moslemischen Feinde verstanden wissen möchten (grün war die traditionelle Farbe des Propheten Mohammed), sehen andere Quellen diese Farbwahl im Gegenteil als Zeichen des Respekts und der Dankbarkeit gegenüber der bereits erwähnten Großzügigkeit, die Saladin den Lazaristen und ihren Anhängern erwiesen hatte. Andererseits soll grün auch die traditionelle Farbe von Hospitälern gewesen sein. Aus einer Regel des Ordenshauses in Seedorf aus dem Jahre 1314 weiß man, daß die Brüder zu dieser Zeit ein einfaches quadratisches grünes Kreuz trugen. Durch den Bericht über den Besuch König Karls VI (1419) in Boigny ist bekannt, daß zu dieser Zeit nicht nur die Ordens- und Laienbrüder das grüne Kreuz trugen, sondern auch die Domestiken und Diener des Ordens. Im 15. Jahrhundert veränderte sich die Form des dann getragenen lateinischen oder griechischen Kreuzes graduell, indem die Balken des Kreuzes mehr oder weniger stark geteilt wurden. Nach der Fusion mit dem Johanniter-Orden nahmen die Lazarener die Kreuzform der Johanniter an und konnten entweder das weiße oder das grüne Kreuz tragen. Später wurden die beiden Kreuzfarben dergestaltkombiniert, daß die Lazarener ein weißes Malteserkreuz mit einer grünen Bordüre trugen (nach anderen Quellen soll dieses grün-weiße Kreuz allerdings nur der Großmeister getragen haben).

Weiterführende Literatur:
· The order of St. Lazarus. A short history. Chevalier Cracroft-Brennan, 1996.
http://www.kwtelecom.com/chivalric/lazarus/history.html
· The Order of Saint Lazarus. A Short History. Alan Weaver-Hazelton, 1981
· A brief History of the Order of Saint Lazarus. Jean de Beaugourdon, 1983
· Order of St. Lazarus of Jerusalem. Ch. Moeller, 1910. In: The Catholic Encyclopedia. http://www.newadvent.org/cathen/09096b.htm
· Der Aussatz. Werner Grochol, 1994. In: Krisen, Ketzerereien, Krankheiten im ausgehenden Mittelalter. Eine poluläre Medizingeschichte. Frieling Verlag, Berlin, 145-154




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