Wie im Fernsehen
Warnung: Fernsehen
senkt die
Hemmschwelle
Kinder brauchen
Gewaltdarstellungen
Schon eine Stunde
Fernsehen täglich
fördert die
Aggressivität
Gewalt und Medien
Das falsche Spiel mit
der Gewalt
Weniger Zeit mit
Medien, weniger
Aggressivität
Lass dich nicht nieder, wo man böse Lieder singt
Florian Rötzer 07.05.2003
Nach einer Studie amerikanischer Psychologen sollen auch aggressive
Songtexte die Aggressivität der Zuhörer verstärken - sogar langfristig
Medien wie Fernsehen sollen die Aggressivität fördern ( Und Fernsehen macht -
vielleicht - doch aggressiv). Nämliches wird auch von Computerspielen gesagt, die auf
Gewalt basieren ( Brutale Spiele(r)?). Was genau die Gewaltbereitschaft fördert oder
gar verursacht, ist schwierig festzustellen und keinesfalls wissenschaftlich zweifelsfrei
zu erweisen. Dass Musik tief und unmittelbar in die Emotionen eingreifen kann, ist
jedem klar. Jetzt wollen Psychologen herausgefunden haben, dass nicht nur die Bilder
oder die Musik selbst aggressiv machen können, sondern auch Worte, zumindest
Liedtexte, die Gewalt zum Thema haben.
Die Umwelt beeinflusst uns. Das ist kaum erstaunlich, auch nicht, dass auch das, was wir
wahrnehmen, uns formt. Genauer lässt sich freilich nur schwer feststellen, was welche
Wirkungen verursacht. Es sind einfach zu viele Komponenten, die für das Verhalten oder die
Persönlichkeit eine Rolle spielen.
Dass Medien, in deren Welten wir immer mehr Zeit während der Arbeit und der Freizeit
verbringen, uns verändern und formen, ist eigentlich banal. Auch wenn kaum konkret auf
bestimmte Folgen von Medien oder Medieninhalten hingewiesen werden kann. Da Medien
ebenso wie die Chemie oder andere Wirtschaftszweige, die unsere Umwelt verändern,
kommerziell interessant sind, verhängt man keine Moratorien und beschränkt sich höchstens
auf Untersuchungen einfacher Ursache-Wirkungs-Verhältnisse, die auch auf der nur
körperlichen Ebene nur begrenzt Risiken deutlich machen. Langfristige und kumulativ
wirkende Folgen fallen hier in aller Regeln heraus.
Im Bereich der Medien ist man noch nicht einmal zu Technikfolgeabschätzungen bei
Einführung vorgestoßen, die Übergänge sind zugleich zu schnell und zu fließend, die Folgen
»nur« kognitiv, wenn auch möglicherweise das Gehirn in Teilen ganz materiell anders
»verdrahtend«. Medien kneten, um McLuhan zu paraphrasieren, unsere Gehirne ebenso durch
und um, wie dies erlernte Fähigkeiten wie die Sprache oder Drogen wie Cannabis oder
Alkohol tun. Untersucht werden bei Medien vor allem bestimmte vermutete
Wirkungsmechanismen, die gesellschaftlich - zumindest teilweise oder für bestimmte
Personengruppen - unerwünscht sind. Andererseits interessiert natürlich auch, wie sich
Menschen über Medien zu Werbe- oder Propagandazwecken beeinflussen lassen. Eigentlich
aber testet jedes Medium und jeder Medieninhalt, was schon immer die Aufgabe der Kunst
war, wie es im Gehirn gewissermaßen ankommt.
Seeleneinschreibungen
Jetzt also haben US-Psychologen von der Iowa University und dem Texas Department of
Human Services untersucht, wie sich Songtexte auf das Verhalten niederschlagen, wenn sie
Gewalt zum Inhalt haben oder performativ zeigen. Hier hat man wie auch sonst argumentiert,
dass die Wahrnehmung von Gewalt nicht zur Nachahmung führen müsse, sondern auch
kathartisch wirken könne. Recht viel weiter als Aristoteles ist man also grundsätzlich noch
nicht gekommen. Auch Platon war bekanntlich schon der Meinung, dass es sehr wohl in einer
Gemeinschaft darauf ankommt, was die Menschen zu sehen und zu hören bekommen,
weswegen der Philosoph als Staatendenker auch zur Zensur griff, um gefährliche Schauspiele,
Texte oder Lieder zu verbannen, während er seiner Ansicht nach Passenderes vorschlug, mit
dem sich eine Gemeinschaft von früh auf ein bestimmtes Verhalten durch permanente Vor- und
Aufführungen eintrainieren sollte. Das nämlich schreibt sich in die Seelen ein.
Die Wissenschaftler haben für ihre Untersuchung "Exposure to Violent Media: The Effects of
Songs with Violent Lyrics on Aggressive Thoughts and Feelings", die sie in der Mai-Ausgabe
des Journal of Personality and Social Psychology veröffentlicht haben, über 500 Studenten
in fünf unterschiedlichen Experimenten jeweils einen Song mit oder ohne aggressiven Inhalt
von Rockmusikern wie den Beastie Boys, Cypries Hill, Violent Femmes oder Tool hören
lassen. Anschließend mussten sie bestimmte psychologische Tests absolvieren oder
Fragebögen ausfüllen. Die Wissenschaftler versuchten die Wirkung der Musik selbst und eine
unterschiedliche Ansprechbarkeit auf Aggressivität der Versuchspersonen auszuschließen. So
suchte man beispielsweise Titel zum Vergleich aus, die sich möglichst nicht musikalisch,
sondern nur hinsichtlich der Textinhalte unterscheiden, nahm unterschiedliche Musikstile zum
Vergleich und führte unterschiedliche Tests durch.
You see a bunch of assholes that lived
in this part of building here.
But we systematically removed them like
you would any kind of termite or roach.
...
Consequences dictate our course of action
and it doesn't matter what's right.
It's only wrong if you get caught.
If consequences dictate my course of action,
I should play GOD and just shoot you myself.
Tired of waiting.
Tired!
Shoot ya, beat ya, fuck ya,
Shoot you in your fucking head.
»Jerk-Odd« von Tool. Ausschnitt aus einem Songtext, der als aggressiv eingestuft
wurde und gegen den Text von »Four Degrees« ebenfalls von Tool getestet
wurde
Nach den unterschiedlichen Experimenten haben diejenigen weiblichen und männlichen
Studenten, die Texte mit Gewaltinhalten hörten, selbst mehr aggressive Gedanken gezeigt,
schneller die aggressive Bedeutung von Worten erfasst, die nach beiden Seiten hin ausgelegt
werden können, und schneller Worte in Richtung aggressiver Bedeutungen vervollständigt.
Man habe »deutlich gezeigt, dass solche Songs aggressive Gedanken und Gefühle fördern«.
Vorsicht vor wiederholtem Hören von aggressiver Lyrik
Obwohl sich Songtexte erheblich von Bildern und Computerspielen unterscheiden, sehen die
Wissenschaftler sich durch die Ergebnisse bestätigt, dass der Konsum von Medien mit
Gewaltdarstellungen allgemein kausal kurz- und langfristig mit einem verstärkten Ausdruck
von Aggression zusammenhängt. Zwar würde bei Musik oft gar nicht der Text verstanden oder
er aufmerksam verfolgt und stünde die Musik im Vordergrund, aber auch Worte könnten
aggressive Gedanken, Wahrnehmungen oder Verhaltensweisen vorprägen, selbst wenn sie gar
nicht bewusst verarbeitet werden.
Will man den Tests glauben, so haben die Experimente allerdings nur sehr unmittelbare
Wirkungen erfassen können. Bei der Interpretation gehen die Wissenschaftler aber viel weiter
und vermuten, dass die Prägung durch aggressive Texte auch chronisch werden und - ebenso
wie bei der kurzeitigen Wirkung - die Wahrnehmung der Umwelt sowie die Reaktion auf sie
färben könne. "Wiederholtes Hören von aggressiver Lyrik kann zur Entwicklung einer
aggressiven Persönlichkeit beitragen."
Das könne auch indirekt wirken, weil die Mitmenschen, denen man zeitweise aggressiv
aufgeheizt begegnet ihrerseits entsprechend reagieren: "Wiederholte kurzzeitige
Mediengewalteffekte (Lyrik, Fernsehen, Filme, Computerspiele) können indirekt eine
feindseligere soziale Umwelt schaffen, die die Entwicklung von chronischen feindseligen
Neigungen in der internen Struktur der Person - ihren perzeptuellen und sozialen Scripts und
Schemata und damit verbundenen Wissensstrukturen -, kurz: in ihrer Persönlichkeit fördern."
Das ist nun schon ziemlich spekulativ, empirisch nicht mehr herleitbar, wobei wahrscheinlich
die wissenschaftliche Konzentration auf die zu prüfende Hypothese die vermutete einseitige
Kausalität von bestimmten Liedtexten zur Formung der Persönlichkeit bedingt.
Gleichwohl will Craig Anderson aus den Ergebnissen der Studie eine weitere Bestätigung für
die Langzweitwirkung von medialen Inhalten mit Gewaltdarstellungen ableiten, was auch
hieße, dass man bestimmte Liedtexte erzieherisch für friedliebende Weltenbürger unter
Verschluss halten sollte (was ja auch eine weitere Aufgabe des neuen deutschen
Jugendschutzgesetzes werden könnte). Und wenn die Musik selbst nicht so wichtig sei, dann
müsste dies auch auf Texte aller Art zutreffen. "Die Botschaft ist wichtig für alle
Konsumenten, aber besonders für Eltern von Kindern und Jugendlichen."
Gerade haben wir allerdings wieder gesehen, dass nicht nur die Friedensliebe, sondern auch
kämpferische Tugenden in der Welt verlangt und gefeiert werden. Und in der Welt der
Soldaten und Kämpfer aller Art, gleich ob sie Söldner oder Fanatiker sind, würde die
Fragestellung wohl auch anders lauten: Welche Inhalte müssen wiederholt gesehen, gehört
oder irgendwie dargestellt werden, um aggressives Verhalten zu fördern? Aber
möglicherweise haben wir daran ja auch wirklich keinen Mangel.
Kommentare:
re: Wacken Open Air (pansen, 8.5.2003 3:23)
Stimmt nicht (/Rak, 8.5.2003 2:27)
Alter Hut! (martinbe, 8.5.2003 0:09)
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last modified: 07.05.2003
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