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Noidry schrieb am 24.11. 2001 um 15:44:02 Uhr über

Christ

Fragen wir nach der Weltanschauung unserer ungetauften Vorfahren, so lehren uns die Quellen zuvörderst, daß es sich dabei um eine Weltanschauung im eigentlichen Wortsinne, um eine Kosmologie gehandelt hat. Am besten bekannt wird sie uns aus der Überlieferung des alten Nordens. Wie Eddalieder, voran die Völuspa, Snorris Skaldenlehrbuch und andere Denkmäler lehren, glaubten die unbekehrten Nordgermanen an die Schöpfung des Kosmos durch die Götter aus den Leibesteilen des Urriesen Ymir, an die der ersten Menschen, Ask und Embla ebenfalls durch göttliche Mächte, drei an der Küste entlangwandernde Asen, die dort zwei angetriebene Baumstämme finden und sie mit menschenähnlichem Aussehen, den Farben des Lebens, Stimme und Atem begaben. Wie sie annahmen, Ymir sei von Odin und seinen Brüdern, den aus dem Gestein der Schlucht Ginnungagap von der Kuh Authumla herausgeleckten ersten Göttern, erschlagen worden, so war es auch ihre Überzeugung, daß die überwältigten und an den Rand des Universums zurückgedrängten Riesen in ferner Zukunft für diese Demütigung Rache nehmen und Götter, Welt und Menschen verderben werden in dem großen Kampf, den beide Parteien dann miteinander ausfechten, der großen Katastrophe des Ragnarök. Für das hohe Alter dieser Vorstellungsmasse spricht ihre Verwandtschaft mit der altpersischen und altgriechischen Kosmologie, auch mit derjenigen der Kelten, von denen wir wissen, daß auch sie einen künftigen Weltuntergang fürchteten; bei den alten Iren findet sich außerdem der Gedanke von einem Kampf der Götter mit den Riesen, wenn auch in historisierter Form. Bei den Griechen ist der Strauß der Olympier mit Titanen und Hekatoncheiren an den Anfang der Zeiten verschoben - jedenfalls weil der finster aus der Zukunft hereindrohende Weltuntergang sich mit dem Lebensgefühl der Hellenen nicht vertrug -; während wir bei den alten Persern den Gegensatz zwischen Ormuzd und Ahriman und den ewigen Kampf dieser entgegengesetzten Gewalten antreffen. So erscheint uns die Weltanschauung der Indogermanen als dualistisch und vom Gedanken des ewigen Kampfes beherrscht.

Und zwar handelt es sich dabei nicht nur um den Streit der aufbauenden mit den niederreißenden Gewalten: auch die Menschen sind beteiligt, als Bundesgenossen ihrer Götter, mit deren Schicksal das ihrige zusammenfällt. Die germanische und indogermanische Gottheit ist innerweltlich, immanent; die orientalische außerweltlich, transzendent; letzteres sind bei den Indogermanen höchstens die Riesen oder Dämonen. Dies zeigt sich auch an der eddischen Lehre von der Entstehung der Welt, der Götter und der Menschen. Nach ihr war nicht das Göttliche zuerst da und schuf durch seinen Willen oder sein Wort die Welt. Sondern ihr Anfang war die Welt. So lehrte Pherekydes von Syros die Ewigkeit der Erde, und Thales und Anaximander behaupteten die Ursprünglichkeit, der eine des Wassers als Urstoff, der andere eines unbestimmteren und unendlichen Stoffes. Auch die plastischere Grundform, welche wir für die grüblerische Kosmogonie des Rigveda vermuten müssen, war, wie es scheint, »materialistisch« geartet. So ergibt sich urindogermanisches Alter für die Anfänge auch der altnordischen Weltentstehungslehre. Das Älteste, was diese kennt, war brauender Nebel über Wasserströmen, die aus dem Brunnen Hvergelmir hervorströmen, im Süden begrenzt durch die helle Feuerwelt Muspell, im Norden durch die Welt des Eises, westlich und östlich aber von zwei gewaltigen, kahlen Felshängen, so daß eine riesenmäßige Bergschlucht nordsüdlich verläuft, das Ginnungagap. In diese schaurige Wüste kam das erste Leben, wie wenn Blütenstaub übers Meer verweht und auf toten Inseln Pflanzenwuchs erzeugt: da von Norden vor dem Eise her Schnee und Reif stob im kalten Luftzug und von Süden von dem Feuer her glühende Funken im heißen, kam es in der gemäßigten Mittelregion, wo beide sich begegneten, durch Schmelzen zur Tropfenbildung, und aus den am Boden des Ginnungagap samenartig zusammenrinnenden Tropfen entstand ein entfernt menschenähnliches Wesen. Ymir Aurgelmir, der Stammvater der Riesen. Davon erzählt der Riese Wafthrudnir auf Grund der uralten Sippenüberlieferung seines Geschlechtes dem ihn besuchenden Odin:

Aus den Eliwagar
Flogen Eistropfen,
Aus dem Tropfen ein Thurse wuchs;
Unsere Sippen
Stammen dort alle her;
Drum ist's ein schlimmes Geschlecht.

Eliwagar sind die Eismassen des äußersten Nordens, gefrorene Ausflüsse des Muspellfeuers. Thurse heißt so viel wie Riese; das Wort (althochdeutsch duris) betont die ungeschlachte Häßlichkeit der der Riesen, wie Jötun (niederdeutsch eten in eteninne, »Hexe«, bei Lauremberg), das dritte Synonymum, ihre bestialische Wildheit betont. Das Geschlecht der Riesen oder Reifriesen - wie sie wegen ihres Ursprunges ebenfalls heißen - ist schlimm und böse (atalt, illt), und Snorri stellt ausdrücklich in diesem Sinne ihren Urahn in Gegensatz zu den Göttern. Er ist ein halb unorganisches Wesen: geschlechtslos erzeugt er Nachkommen, indem er im Schlafe schwitzt und ihm zwischen Arm und Leib und zwischen den Beinen Söhne und Töchter entstehen, geschlechtliche, höher entwickelte Wesen also, die sich normal fortpflanzen, wie es die Riesen gewöhnlich tun. Die Sippschaft lebt von der Kuh Authumla, die ebenfalls aus Reiftropfen entstand und aus ihren gewaltigen Eutern vier Milchströme entsendet. Sie nährt sich von dem Reif am salzigen Gestein des Ginnungagap, woran sie immer gierig leckt. Nach langem Lecken der rauhen Zunge an einer Stelle kommt menschliches Kopfhaar zum Vorschein, nach Iängerem ein ganzer Kopf und schließlich eine volle Menschengestalt, ein großer und starker Mann von schönem Äußeren, hellhäutig, blond, blauäugig und aufrecht, Buri. Buris Sohn ist Bor, und dieser hat mit der Riesin Bestla, Bölthorns Tochter, drei Söhne, Odin, Wili und We. So ist das Göttergeschlecht ins Dasein getreten. Angeborene, steinharte Art treibt die Söhne Bors zum Streit gegen die übermächtige, ihnen wesensfremde Ymirsippe, und sie erschlagen den alten Ymir und ertränken seine Nachkommen in den Massen Blutes, die aus seinen Wunden strömen. Nur einer kann sich retten, Bergelmir, und mit seinem Weibe neue Geschlechter der Reifriesen begründen. Und wie ein Jäger sein Wildbret zerlegt an bequemer Stelle, so schaffen die Sieger den Leib des Ymir mitten ins Ginnungagap und zerschneiden ihn. Aus seinen Knochen machen sie Berge, aus seinem Fleisch Erdreich, aus Zähnen, Kiefern und zerbrochenem Gebein Steine und Geröll, aus dem Blute Seen und Meere, besonders das große Außenmeer, das rings um die Erde liegt, aus dem Schädel aber den Himmel, der über der Erde aufgestellt wurde, und an den sie das Hirn des Erschlagenen als Wolken befestigen und die aus Muspellheim sprühenden Funken als Sterne setzen, um Himmel und Erde zu beleuchten. » Sie wiesen allen Lichtern ihre Stätte an, den einen an der Himmelskuppel selbst, andere bewegten sich frei unterhalb des Himmels, und sie gaben ihnen doch ihre Stätten und bestimmten ihre BahnSo können nach den Himmelslichtern Tage und Jahre festgelegt werden. Jenseits des Außenmeeres dürfen die Riesen siedeln. Zum Schutz gegen sie bekommt die Welt einen Zaun aus den Wimpern des Ymir. so daß sie einer Burg gleicht und M i d g a r d (Mittelhof) heißt. Damit ist die Welt fertig. die wir heute noch sehen. Der schöne Kosmos, an dem alle Wesen sich erfreuen



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