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SuperUser schrieb am 3.9. 2012 um 13:04:40 Uhr über

trinkwasser

Celendín - Als César Medina Aguilar am 3. Juli gegen Mittag den Rucksack aufsetzt, will er sich nur kurz bei einem Freund den Laptop ausleihen. In ein paar Tagen hat er 17. Geburtstag, er sei Klassenbester im Gymnasium, sagt seine Mutter. Sein Weg führt ihn über die Plaza de Armas, den »Platz der Waffen«, wie die Hauptplätze in Südamerika oft heißen, so wie in Celendín, einer Kleinstadt im Norden Perus.

Palmen stehen dort. Hinter den weißgekalkten Häusern im spanischen Kolonialstil steilen sich die Grashänge des Hochlands auf. Hier und da knallt ein Schuss. Vereinzelt ziehen Tränengasschwaden über den Platz. Menschen rennen. In den oberen Etagen eines hohen Gebäudes halten Soldaten Gewehre im Anschlag. Eine Kugel schießt durch Césars Kopf. »Von vorne nach hinten, von rechts nach links, von oben nach unten«, steht im Obduktionsbericht.

»Wir müssen um unser Wasser kämpfen«, habe ihr Junge stets gesagt, berichtet die Mutter, »denn sonst müssen wir es von viel weiter weg herholen.« Aber diesmal, sagt sie, wollte er doch gar nicht auf die Demonstration.

Der blutige Konflikt um eines der größten Goldminenprojekte weltweit eskalierte vor gut neun Monaten. Seitdem eskaliert die Eskalation, bei Demonstrationen Anfang Juli starben neben César noch vier weitere Menschen. Staatschef Ollanta Humala feuerte daraufhin Ende des Monats den Ministerpräsidenten, einen Hardliner, der versucht hatte, den Widerstand mit dem Einsatz des Militärs zu ersticken.

Reichtum oder Überlebenskampf

Vor Ort wühlt der Streit Hunderttausende Menschen auf, die um ihre Lebensgrundlage fürchten: das Wasser aus dem Quellgebiet im Hochland, wo die Mine entstehen soll. Wasser oder Gold? Die Frage spaltet ganz Peru in Befürworter und Gegner eines der Hoffnung auf steigende Rohstoffexporte ausgelieferten Entwicklungsmodells.

Und die Proteste treffen auch die Bergbauindustrie ins Mark, vor allem die Goldproduzenten. Ihr Geschäftsmodell gerät ins Wanken, denn ein Scheitern des Projekts im Norden Perus am Widerstand der lokalen Bevölkerung hätte Signalwirkung auf die zahlreichen Proteste vor allem in Südamerika. Mehrere Gewinnwarnungen, nach unten korrigierte Produktionsprognosen und hektische Managementwechsel - im Juni wurde der Chef des Branchenführers Barrick Gold Chart zeigen geschasst - offenbaren, dass die Investitions- und Schürfpläne selbst großer Player auf Kante genäht sind. Sie sind schon nach wenigen Monaten ohne explodierende Goldpreise in vielen Fällen nichtig.

»Conga«, benannt nach einem kleinen See in der Region Cajamarca, heißt das umstrittene, mit 4,8 Milliarden Dollar angesetzte Projekt. Es wäre die größte Einzelinvestition in Peru überhaupt. Der Betreiber Yanacocha, zu 51,35 Prozent in Besitz des US-Konzerns Newmont Mining Chart zeigen, der Nummer zwei der Branche, braucht die neue Mine, denn die Erträge seines 1993 eröffneten Tagebaukomplexes, der alten Yanacocha-Mine, die nun durch Conga ergänzt werden soll, gehen zur Neige.

Die Proteste vor Ort haben Newmont schon die Finanzplanung der kommenden Jahre verrissen; wenn überhaupt, dann geht Conga mit mehr als zwei Jahren Verspätung frühestens 2017 an den Start. Jeder Tag Verzögerung, sagt Yanacocha, koste zwei Millionen Dollar.

Für Präsident Humala steht mehr auf dem Spiel: sein politisches Überleben. Denn er hat sich festgelegt auf »Conga va«, Conga läuft. Nach Angaben von Yanacocha fließen in den geplanten 19 Betriebsjahren der Mine insgesamt rund drei Milliarden Dollar an den Fiskus.

Kippt Conga, bliebe der Geldfluss aus, und die Minenkonzerne könnten Investitionen in Länder umschichten, die mit lokalem Widerstand schneller fertig werden. Dann würde auch die Finanzierung steigender Sozialausgaben durch Abgaben auf Förderung und Export von Silber, Gold, Kupfer, Blei und Zink wackeln - und somit die Legitimation des vor einem Jahr als Investorenschreck gestarteten und kurz darauf als Bergbaufreund gelandeten Staatschefs.
Die Hälfte der Minensteuern fließen in Peru per Gesetz an die Regionen, im Fall Conga also rund 1,5 Milliarden Dollar für die Region Cajamarca. Wozu also der Protest? Doch die Abgaben wirken größer, als sie sind. Die können Unternehmen wie Newmont, anders als Verzögerungen durch Proteste, locker verkraften. So drückte Yanacocha 2010 auf 1,852 Milliarden Dollar an Gold- und Kupferexporten 13,8 Prozent Steuern ab.

Nach Berechnungen von Jorge Manco Zaconetti, Wirtschaftsprofessor an der Universität von Peru in Lima, zahlte die gesamte Bergbaubranche von 2004 bis 2010 in Peru im Schnitt 11,9 Prozent an Abgaben, in Chile - traditionell als wirtschaftsfreundlich eingestuft - waren es 23 Prozent. Lange Zeit waren Minen in Peru steuerbefreit.

Hinzu kommen jedoch Leistungen, die Newmont in der Rubrik »Corporate Social Responsibility« (CSR) erbringt. Immerhin ist der Konzern als einziger Goldproduzent 2012 zum sechsten Mal in Folge im Dow Jones Sustainability Index geführt. Unfreiwillig komisch ist zwar das Angebot, sich im Rahmen des Projekts Conga »in der nachhaltigen Entwicklung von Gemeinschaften durch die Verbesserung von Fertigkeiten« unter anderem »in der Aufzucht von Vieh« zu engagieren; denn anders als Newmont leben die Bauern dort schon seit längerem von der Viehzucht.

Allerdings verspricht der Konzern auch den Bau von Schulen und eine bessere medizinische Versorgung der Bevölkerung.

Was Menschen in Cajamarca davon halten, belegt eine Szene von 2005. Brant Hinze, der damalige Chef von Yanacocha, zeigte einem amerikanischen Filmteam ein Dorf, dem geholfen wurde. Ein angenehmer Termin. Der Bürgermeister bedankte sich artig und überreichte dem Manager eine kleine Statue des letzten Inka-Königs Atahualpa.

»Da steht ja sogar mein Name«, sagte Hinze lachend. Doch die Botschaft war eindeutig. Jeder dort kennt die Geschichte vom Verrat am Inka. Um sich aus der Haft des Conquistadors Francisco Pizarro freizukaufen, versprach er dem Spanier einst, Räume so hoch mit Gold und Silber zu füllen, »wie Deine Hände reichen«. Als die Räume voll waren, wurde Atahualpa hingerichtet. Das war 1533, genau hier, in Cajamarca.

Abgeschriebene Landschaften

Vor einigen Jahren suchte der damals neu angetretene Kommunikationschef von Yanacocha nach Ursachen jüngeren Datums für die feindselige Stimmung gegen das Unternehmen. Und wurde fündig. Er kontrollierte alle Verträge, die Yanacocha mit den umliegenden Ortschaften abgeschlossen hatte. 250 von ihnen waren nicht erfüllt und Zahlungen von insgesamt 75 Millionen Dollar säumig.

Viel angekommen ist in der Region in den vergangenen zwei Jahrzehnten nicht. Wobei, das stimmt so nicht: Die Regionalhauptstadt Cajamarca, in dessen Nähe Conga entstehen soll, wuchs seit dem Baubeginn der Yanacocha-Mine binnen zwei Jahrzehnten von 90.000 auf heute 250.000 Einwohner - eigentlich ein Symptom wirtschaftlichen Aufschwungs.

Die Armutsstatistiken änderten sich jedoch kaum: Einem Zensus von 2007 zufolge haben 59 Prozent der Menschen in der Region kein elektrisches Licht, 26 Prozent keinen direkten Zugang zu Wasser, 38 Prozent sind unterernährt. »Geopferte Zonen« heißen in Südamerika solche Gebiete rund um rohstoffintensive Industriekomplexe ohne wesentlichen Zuzug neuer Wertschöpfung. Sie sind geprägt von Verelendung, steigender Prostitution und Kriminalität oft bis hin zu Menschenhandel. Und von hoher Umweltbelastung.
Larry Kurlander, der das Peru-Geschäft von Newmont in den 90er Jahren leitete, kam 2001 in einem internen Report zum Schluss, wegen der von Yanacocha verursachten Umweltschäden »könnten die Vorstände verklagt und zu Gefängnisstrafen verurteilt werden«.

Gold wird in der Mine auf rund 4000 Metern Höhe im Tagebau gefördert. Das Gestein wird dabei gesprengt und das Gold aus dem Abraum gewaschen.

Großflächig kommen hochgiftige Stoffe wie Zyanid zum Einsatz. Seit der Inbetriebnahme der Mine Yanacocha melden diverse Behörden und Wissenschaftler im Jahresrhythmus Fälle von verseuchten Flüssen unterhalb des Bergwerks. 1998 ermittelte der peruanische Biologenverband erhöhte Werte unter anderem von Zyanid im Trinkwasser der Regionalhauptstadt. Sechs Jahre später stellte die Regierung einer Teilprovinz der Region in einer Studie fest, der »hohe Anteil von Erkrankungen in unserer Bevölkerung ist direkt der Kontamination von Wasser, Boden und Luft durch die Minenbetriebe von Yanacocha geschuldet«. Yanacocha wurde nicht belangt.

Aufsehen erregte der Fall des kleinen Dorfs Choropampa. Ende 2000 leckte ein Lastwagen eines Subunternehmers, der flüssiges Quecksilber für Yanacocha transportierte. 151 Kilogramm davon landeten in glänzenden Tropfen verstreut auf der Hauptstraße. Die Bewohner hielten die Substanz für wertvoll und füllten sie mit bloßen Händen in Plastiktüten. Über die Gesundheitsgefahr informierte das Unternehmen die Menschen zunächst nicht, bot ihnen aber Geld für abgegebenes Quecksilber. Im Blut von 935 Menschen, darunter vielen Kindern, wurden erhöhte Quecksilberwerte gemessen; einige sind auf Dauer behindert. Als die Bewohner damals öffentlich gegen das Unternehmen demonstrierten, wurde der Bürgermeister als Anstifter zu drei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt.

Ingenieur Seifert: »Sie wollen mich mundtot machen«

Vertreter des Unternehmens wurden nicht angeklagt. »In keinem Fall wurde bisher Newmont-Yanacocha juristisch zur Verantwortung gezogen«, sagt Reinhard Seifert, ein Pionier der dortigen Umweltbewegung. Der deutsche Ingenieur kam vor drei Jahrzehnten als Austauschdozent nach Peru, heiratete und lebt seitdem in Cajamarca. Ein Plagegeist, störrisch und zornig. Seit 2001 überhäufen ihn Yanacocha und Newmont mit Klagen wegen Aufwiegelung und Verleumdung, die vorerst letzte erhielt er am 10 Juli. »Sie wollen mich damit mundtot machen«, sagt er, »aber das wird ihnen nicht gelingenEr spricht von Morddrohungen und der Verfolgung durch den peruanischen Verfassungsschutz.

Abenteuerlich klingt das. Aber von schweren Drohungen berichten auch andere führende Minengegner, Klagen haben sie alle am Hals. Einer von ihnen, der ehemalige Geistliche Marco Arana wurde kürzlich, auf einer Parkbank sitzend, von einem guten Dutzend Polizisten in Antiterrormontur vor den Augen von Journalisten regelrecht abgeschleppt und geschlagen.

Und was die Verbindungen von Staatsgewalt und Unternehmen angeht, gibt es jenen Fall von vor gut zehn Jahren, der vollständig mit öffentlich zugänglichen Dokumenten belegt ist. Seifert denunzierte im März 1999 als erster öffentlich die Kontamination durch Yanacocha, und eine Staatsanwältin nahm den Fall auf. Yanacocha beschwerte sich brieflich über das Ansinnen einer Betriebsbesichtigung. Ein anderer Staatsanwalt übernahm den Fall. Er legte ihn am 14. Januar 2000 zu den Akten. Schnell, angesichts der technischen Komplexität.
Vier Jahre später. Am 15. März 2004 erschienen mehrere Personen vor einem Notar in Cajamarca zur Abwicklung eines Immobiliendeals. Unter den Verkäufern - im öffentlichen Register (Seite 6168 bis 6171) mit Personalausweisnummer identifiziert - ein Ex-Staatsanwalt, eben jener, der Jahre zuvor mit der Frage der Kontamination durch Yanacocha betraut gewesen war.

Als Käufer, mit der Nummer seines Reisepasses identifiziert, Brant Elmer Hinze - eben: der damalige Chef von Yanacocha. Gegenstand des Verkaufs war ein Grundstück. Verkaufswert: 637.650 Dollar, rund 1.800 Dollar pro Hektar. Wie aus öffentlich zugänglichen Quellen weiter hervorgeht, hatte der damalige Staatsanwalt das Grundstück im März 1999 für 52 Dollar pro Hektar von einem der sexuellen Belästigung verdächtigen Mann gekauft, dessen Fall nicht weiter verfolgt wurde.

Zu dem Vorgang gab es später eine Anzeige gegen den Ex-Staatsanwalt, zu einer Verurteilung kam es nie. Der hohe Preis, den Yanacocha für das Grundstück zahlte, kann ein Versehen sein, und der Rest eine Folge von Zufällen. Nur: In der Geschichte von Newmont in Peru wimmelt es von solchen Zufällen. Das bestätigt der Bericht von Ex-Manager Kurlander.

Für Newmont ist das ohnehin Schnee von gestern. Seit einigen Jahren verschreibt sich der Konzern der sozialen Verantwortung, und angesichts »all dieser Dinge wie der Frage der Seen«, sagt Newmonts Südamerika-Chef Caros Santa Cruz, und der Behauptung, man könne die natürlichen Bedingungen nicht »technisch verbessern«, müsse die Bevölkerung nur besser informiert werden.

Ein Patt mit vielen Opfern

Falsch, sagt Seifert. Die Mine Yanacocha habe nachweislich Seen und Wasserreservoire im Quellgebiet des Hochlands »für immer zerstört, sodass jetzt leider gebrauchtes, verseuchtes Minenwasser in den Beginn des Flusses Rio Grande gepumpt wird, das dann flussabwärts erneut als Trinkwasser für die Stadt Cajamarca aufgearbeitet wird«.

Und die Mine Conga? »Hier stehen mehr als 80 Seen auf etwa 3000 Hektar auf dem Spiel

Erst all das macht klar, warum Goldkonzerne wie Newmont dort, wo sie arbeiten, nicht mehr die geringste Chance auf Vertrauen haben; warum ihre Sozialprogramme und Mitgliedschaften in Sustainability-Rankings nicht helfen; und warum es sich bei der Gefahr von Blockaden und dem Scheitern von Projekten um ein unkalkulierbares Risiko handelt.

Wer hätte voraussehen können, dass die von Präsident Humala mit dem Einsatz des Militärs durchexerzierte Parole »Conga läuft« auf den erbitterten Widerstand eines kommunistischen Regionalpräsidenten trifft, der vor einem Jahr noch gar kein Minengegner war? Gregorio Santos, der starke Mann in Cajamarca, sprang erst auf den Protestzug gegen die Mine auf, als er vor gut neun Monaten befürchten musste, dass ihm die lokalen Umweltgruppen die Führung streitig machen. Und die wiederum riefen damals zu den ersten Anti-Conga-Demonstrationen auf, als sie noch hofften, Humala würde sie unterstützen, wie er es vor seiner Wahl versprochen hatte. In seinem Reich ist Santos mächtiger als Humala. Und für ihn geht es um das gleiche wie für den Staatschef: Ums politische Überleben.
Ein Patt mit vielen Opfern. Investoren, die Newmonts CSR-Broschüren glauben, verlieren höchstens ihr Geld. Cajamarca verliert schon jetzt mehr. Die Region ist in einem Wirrwarr sozialer und politischer Fronten zerrissen. Minengegner Seifert wurde Mitte Juni angegriffen und verletzt. Aber nicht von Befürwortern der Mine, sondern von vier, fünf Dutzend Anhängern des Regionalpräsidenten. Er ist nicht mehr radikal genug.

Warum hört er nicht auf? »Meine peruanische Frau hat mich darum gebeten. Aber ich werde weitermachen. Das ist eine Frage der Gerechtigkeit

Gerechtigkeit: Als im Haus der Señora Maximila Aguilar Vásquez in der Nacht des 3. Juli der Leichnam »meines Söhnchens, meines Ältesten« César bei Kerzenschein aufgebahrt ist, laufen Meldungen über den Ticker, Steine werfende Demonstranten könnten ihn getötet haben. Da lag der Obduktionsbericht schon vor.


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