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stopthewar schrieb am 15.2. 2003 um 09:39:55 Uhr über

Rede





Die auserwählte Generation in der von der Geschichte
berufenen Nation

Florian Rötzer 14.02.2003

In seiner gestrigen, auf den Krieg einstimmenden Rede machte Bush noch
einmal den globalen Führungsanspruch der USA und die der UN zugewiesene
Rolle als Erfüllungsgehilfe deutlich

Während in Berlin Bundeskanzler Schröder noch einmal nachhaltig den Versuch einer
friedlichen Lösung verteidigte, die auf Entwaffnung durch verstärkte Inspektionen setzt,
hat Präsident Bush den bellizistischen Ton vor den blau gekleideten Matrosen der
Mayport Naval Air Station in Jacksonville, Florida, noch einmal gesteigert, aber auch
klar gemacht, worum es ihm geht: um den Eingang in die Weltgeschichte und die
Erfüllung des geschichtlichen Auftrags an seine Generation und an seine Nation.
Besonders Deutsche werden bei solchen »leadership«-Allüren hellhörig. Und Bush hat es
zwar geschafft, viele Regierungen mit Druck, Versprechungen und dem Anbieten von
Vorteilen auf seine Seite zu bringen, was aber die Mehrzahl der Menschen im alten und
neuen Europa anbetrifft, so ist mit der Ablehnung der Bush-Politik möglicherweise der
Grund für eine neue Einheit gelegt worden.









Vor Soldaten redet der oberste Befehlshaber der USA gerne und natürlich besonders
schneidig. Hier gibt es eine besonders hörige Kulisse, aus der gewiss keine Kritik und kein
Buh-Ruf kommt. Kriege kennt Bush wie die meisten Politiker seiner Generation nur aus der
Ferne, als eine Art Medienspektakel und Machtdemonstration, jedenfalls weit weg, weswegen
der 11.9. auch so schrecklich empfunden wurde. Und Bush weiß, dass man durch Kriege,
sofern man sie gewinnt, groß wird. Bush, einmal wieder in Kampfkluft auftretend, ließ noch
einmal deutlich werden, was er seit den Anschlägen des 11.9. unermüdlich in die Köpfe
»seines« Volks einhämmern will, nämlich dass die Bedrohungen ein Aufruf der Geschichte an
die jetzt lebende, von Bush selbst vertretene Generation sind, den Kurs der Welt nachhaltig zu
ändern und zu verbessern.




Mit Bush zusammen schreiben sich die Amerikaner und alle, die sich hinter der führenden
Macht einreihen, in die Geschichte ein. Eine auserwählte Generation, die wohl auch eines
auserwählten Führers bedarf, die sie dann wohl in Bush gefunden hat. Für das Land sei jetzt
eine »herausfordernde Zeit«, vor dem Militär »liegen große Aufgaben«. Der zur »leadership«
auserwählten Nation und der zu Großem berufenen Generation folgen die treuen Vasallen oder
werden zu unbedeutenden Kräften oder zu Schurken, gelten aber auch die Vereinten Nationen
nichts, wenn sie nicht dem amerikanischen Schicksalsruf gehorchen.





"Heute, am Beginn eines neuen Jahrhunderts, ist Amerika noch immer Führer in der Sache
der Freiheit. Und unsere Generation ist zu einer zentralen Rolle in der Geschichte dieser
Nation aufgerufen."






Die geschichtliche Aufgabe der USA

Was den Interessen der USA gut tut, so die Gewissheit, ist auch für den Rest der Welt gut,
denn die Vereinigten Staaten haben nicht nur die mächtigste Armee der Welt, sie sind auch ein
von Gott ausersehenes Land, das als Führer in Sachen Freiheit aufzutreten hat. Die
Verschmelzung der nationalen und globalen Interessen, der darin liegende Sendungsauftrag
der amerikanischen Nation und das aus ihm entspringende Heilsversprechen ist dem
christlichen Fundamentalisten durchaus abzunehmen, auch wenn viele, ganz »rationale«
Interessen dem Krieg gegen den Irak zugrunde liegen.

Was auch immer die Amerikaner machen werden, das "amerikanische Militär kämpft nicht,
um zu erobern, sondern um zu befreien". Die derart Befreiten sollten aber dann schon auch
weiterhin ihren Befreiern hörig sein. Der Hegelsche Kampf zwischen Herr und Knecht, der im
Augenblick zwischen Europa und den USA ausgefochten wird, geht denn auch nicht einzig um
Macht, sondern vor allem um Anerkennung. Als Führer einer Welt von freien Nationen und
Bürgern ist jedoch diese US-Regierung weit entfernt von eben jenen
Anerkennungsverhältnissen, die eine freie Welt kennzeichnen würden.





"Wir wollen mehr als die Niederschlagung des Terrors, wir wollen einen Fortschritt der
Freiheit und eine friedliche Welt erreichen. Das ist die Aufgabe, die die Geschichte uns
gegeben hat - und das ist eine Aufgabe, die wir behalten werden."






Diese Aufgabe, das mach Bush deutlich, kann nur durch militärische Macht zum Erfolg
gebracht werden. Soldaten haben nämlich etwas, was dem Geist der Aufgabe enstpricht,
nämlich dass sie den Idealen gehorchen, das Land lieben und sich einem Zweck widmen, der
größer als sie selbst ist, also dass sie nicht von Egoismen geleitet werden, sondern gehorsame
Handlager der Schicksalsaufgabe sind, die "die Macht und die Mission Amerikas bis in die
abgelegensten Orte dieser Welt tragen".

Wo Schicksals- und Jahrhundertaufgaben für Auserwählte warten, spielen Wahrheit und
Reflektion der eigenen Position keine Rolle mehr. Bush wiederholt denn auch nur mal kurz die
»Beweise« für die Schuld des Irak und baut ansonsten sein lange gepflegtes, offenbar
erfolgreiches Weltbild von Guten und Bösen auf. Kontext, Hintergründe, Geschichte gibt es
hier nicht. Es gibt nur die »kaltblütigen Killer«, für die es »keine Kriegsregeln« gibt und die
nur durch »die Macht und den Willen der USA und unserer Freunde und Alliierten« gestoppt
werden können.






Und genauso ohne Regeln verfolgt dann die »zivilisierte Welt«, angeführt von den USA, die
Terroristen, die man "Mann für Mann über die ganze Welt jagt. Mit unseren Alliierten haben
viele der obersten Kommandierenden der al-Qaida gefangen oder haben uns anderweitig mit
ihnen beschäftigt". Das soll heißen, man hat sie getötet, was zufriedenes Lachen bei den
Soldaten auslöst, die sich als Jäger der flüchtenden Beute verstehen sollen.





"Bislang wurden mehr als 3000 verdächtige Terroristen in vielen Ländern eingesperrt.
Genau so viel haben ein anderes Schicksal gefunden. Sie sind kein Problem mehr."






Natürlich, eine Rede vor einem geplanten Krieg ist kein politischer oder philosophischer
Diskurs. Sie soll die Soldaten und die Nation aufheizen, kriegsbereit machen, Gründe für das
Vorgehen liefern, Mitleid mit dem Feind ausradieren, der eliminiert werden muss, der keine
Nachsicht verdient, weil er durch und durch böse ist. Gründe, warum Menschen »böse«
werden und gar die vom Schicksal ausersehene Nation angreifen, können nur ablenken, da sie
eine Spur von Selbstreflexion, gewissermaßen eine Schusshemmung einführen. Sind die
irgendwie vom Himmel gefallenen Bösen weggesperrt oder gekillt, dann, so die Suggestion,
steht das Himmelsreich des amerikanischen Friedens vor der Tür.

Vor dem Scherbenhaufen

Hussein hat chemische und biologische »Programme«, er hat versucht, die Mittel zu erhalten,
um Nuklearwaffen zu produzieren, er hilft und schützt Terroristen, auch al-Qaida-Mitglieder,
er versteckt Massenvernichtungswaffen und er betreibt »Täuschung«. Er rüstet nicht ab und er
bedroht die USA. Und weil all das so ist, wird Amerika mit der »größten Armee der Welt«
erfolgreich handeln.

Es war schon seit Monaten klar, dass Bush den Krieg, die Invasion, die Befreiung des Irak
will, dass er sich nur mühsam zum Umweg über die Vereinten Nationen und eine Resolution
des Sicherheitsrats überreden ließ, dass er immer demonstriert hat, wie wenig ihm
internationale Abkommen und Resolutionen gelten, wenn sie seinen Interessen zuwiderlaufen
(ob das die Interessen der USA sind, müssten natürlich die US-Bürger selbst entscheiden).
Bush und seine Regierung sind diejenigen, die die UN erpresst haben und sie ohne Bedenken
der Bedeutungslosigkeit ausgesetzt haben. Wer von Anfang an sagt, dass er, egal ob mit oder
ohne Beschluss der UN, seine Ziele durchsetzen wird, hat die internationale Gemeinschaft der
Macht ausgeliefert. Das Spiegelbild der USA unter der »Führung« der Bush-Regierung ist
nicht der Irak, sondern Nordkorea, das fast mimetisch, wenn auch ohne die Macht dasselbe
Spiel spielt.

Bush versucht die UN und ihre Mitgliedsstaaten weiter zu erpressen. Nur dann, wenn sie
entscheidet, was die USA wollen, kann sie auf Gnade der auserwählten Nation noch weiterhin
eine gewisse Rolle spielen. Ansonsten ist sie eine »Schwatzbude« - auch das erinnert an eine
Kritik, die in Deutschland eben von jener Seite wohlbekannt ist, von der uns das alte Amerika
neben Großbritannien und Russland mit befreit hat -, die nichts bewirkt und "in die Geschichte
verschwindet".

Wenn der Sicherheitsrat jetzt sich nicht gegen den Kriegsentschluss der USA auflehnt, dann ist
er tatsächlich der Bedeutungslosigkeit preisgegeben. Dann wird wieder einmal, wohl aber
lange Zeit deutlich, dass einzig Macht und Interessen den Lauf der Welt bestimmen, dass
Vernunft und Ideale, trotz aller Beschwörung, keine Bedeutung haben, dass der Kampf aller
gegen alle herrscht und sich der darwinistisch durchsetzt, der der Stärkere ist. Die
US-Regierung wird irgendeinen Grund finden, und sei es dass die irakischen Raketen 10
Kilometer fliegen, nachdem andere Gründe niemanden überzeugen konnten, um einen Krieg zu
»legitimieren«.

Auch mit dieser von Beginn an demonstrierten Wahllosigkeit der Mittel und Missachtung
internationaler Gremien hat die Bush-Regierung der Glaubwürdigkeit der Politik insgesamt
einen schweren Schaden zugefügt. Die Mehrzahl der amerikanischen Bürger steht nicht hinter
dieser Bush-Politik, sondern favorisiert, wie gerade eine Umfrage von CBS und New York
Times zeigt, die von Deutschland und Frankreich vertretene Option, die Inspektionen zu
verlängern (59%), während 56 % sagen, die US-Regierung müsse im Falle eines Krieges die
Zustimmung der UN haben. Und ganz realistisch haben die Amerikaner mehr Angst vor
weiteren Terroranschlägen als vor dem Irak. Mit dem Krieg ist Bush allerdings dabei, selbst
die Verbindung zwischen dem Irak und Terroristen herzustellen.

Die über den Irak-Konflikt von der US-Regierung bewirkte Spaltung in Europa und der Nato
ist ebenfalls nur ein Ausdruck für die Weltordnung des amerikanischen Internationalismus.
Und all das ist zweifellos nicht der »amerikanische Traum«, dem immer noch viele
nachhängen, sondern schon eher der amerikanische Albtraum. Bush hat es in kurzer Zeit
geschafft, einen Scherbenhaufen anzurichten. Und er scheint weiter entschlossen zu sein, die
Welt noch unsicherer zu machen, da einzig dann seine Politik der Stärke nach innen und nach
außen überlebensfähig ist.

Wenn allerdings die UN mit Nordkorea - das Problem würde die US-Regierung im Gegensatz
zum Irak gerne delegieren und fordert trotz unmittelbarer Bedrohung der nationalen Sicherheit
durch Nordkorea und der Existenz von Massenvernichtungswaffen und einem fortgeschrittenen
Atomwaffenprogramm nicht einmal Sanktionen -, auch auf die Methode umgeht, dass
verschoben wird, anstatt es anzugehen, dann hätte sie womöglich ihre Hilflosigkeit doch
belegt. Nichtstun ist tatsächlich keine Alternative zum Losschlagen.
















Kommentare:
Philosoph ? (DarKRaveR, 15.2.2003 8:19)
Ich weiß nicht ... (DarKRaveR, 15.2.2003 8:14)
kann ja sein ... (DarKRaveR, 15.2.2003 7:55)
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last modified: 14.02.2003
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