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wuming schrieb am 13.1. 2007 um 21:30:18 Uhr über

Schule





SummerhillSummerhill ist eine Demokratische Schule in Leiston (Suffolk, England). 1921 von A. S. Neill in der Zeit der Reformpädagogik gegründet, gilt Summerhill als älteste demokratische Schule der Welt.

Die Schule ist ein privates Internat, in dem derzeit rund 90 Kinder und Jugendliche im Alter von 5 bis 17 Jahren aufwachsen. Die Schülerschaft ist sehr international zusammengesetzt. Ein großer Teil der Schüler kommt aus Deutschland und aus Japan.

Summerhill befindet sich von Anfang an im Privatbesitz der Familie Neill. Einige sehen das als wesentlichen Grund dafür, dass Neills Vorstellungen über das Aufwachsen von Kindern bis heute weitgehend erhalten geblieben sind. Nach dem Tod des Gründers im Jahre 1973 übernahm seine Frau Ena und ab 1985 die Tochter Zoe Readhead die Schulleitung.

Inhaltsverzeichnis [Verbergen]
1 Hauptmerkmale
2 Freiwilliger Unterricht
3 Regeln und Pflichten in Summerhill
4 Aufrechterhaltung der Ordnung
4.1 General Meeting
4.2 Tribunal
4.3 Ombudsmen
4.4 Schüler-Aufsichten
4.5 In der Praxis
5 Problemschüler
6 »Antiautoritäre Erziehung«
7 Gerichtsprozess 2000
8 Entstehungsgeschichte
8.1 Deutschland
8.2 Österreich
8.3 Großbritannien
9 Siehe auch:
10 Literatur
11 Weblinks
11.1 Summerhill School (en)
11.2 Summerhill (de)
11.3 Sudbury



Hauptmerkmale [Bearbeiten]Neills Ideen über die Schule sind auf seinem Vorbild Homer Lane begründet. Neill legte drei Hauptmerkmale von Summerhill fest:

Selbstverwaltung
selbstbestimmtes Lernen
Freiheit von Moralvorstellungen
Den Kindern wurde somit viel Freiheit gegeben, jedoch waren sie nicht frei von Regeln. Es galt das Prinzip freie Erziehung und nicht frei von Erziehung, wie es in den 60er Jahren während der Studentenbewegung in Deutschland missinterpretiert wurde, siehe hierzu auch die Problematik des Begriffs antiautoritäre Erziehung, den A.S. Neill selbst nie verwendete.

Neill wollte es den Kindern ermöglichen, ihr eigenes Leben zu leben, nicht das, was ihnen Autoritäten wie Eltern oder Erziehern vorschreiben: The function of the child is to live his own lifenot the life that his anxious parents think he should live, nor a life according to the purpose of the educator who thinks he knows best.


Freiwilliger Unterricht [Bearbeiten]Im Gegensatz zu traditionellen Schulen steht in Summerhill die Freiheit der Schüler im Vordergrund. Die Teilnahme am Unterricht in Summerhill ist völlig freiwillig. Neill ging davon aus, dass Kinder lernen wollen und dann auch fleißig sind. Da nur interessierte Schüler am Unterricht teilnehmen, ist dieser damit effektiver. Das Lernklima ist angenehmer. In der deutschen Übersetzung von Matthew Appletons »Summerhill - Kindern ihre Kindheit zurückgeben« wird diese Lernform als Selbstregulatives Lernen bezeichnet.

Schüler, die von einer traditionellen Schule kommen, nutzen in der ersten Zeit meist die Möglichkeit, nicht zum Unterricht gehen zu müssen. Es kann mehrere Monate dauern, bis diese Phase überwunden ist - je nach Qualität und Quantität der negativen Vorerfahrungen.

Eine strikte Einteilung in Klassenstufen nach dem Alter der Schüler findet nicht statt: Es gibt eine Gruppe für die Bis-10-jährigen, eine für die 10- bis 12jährigen sowie thematische Kurse für die älteren Schüler.


Regeln und Pflichten in Summerhill [Bearbeiten]Auch wenn die Schüler in Summerhill umfangreiche Freiheiten haben, handelt es sich bei Summerhill jedoch nicht um eine »Schule ohne Regeln«. Es gibt über 200 Regeln, aber diese Regeln werden allerdings von der Vollversammlung der Schule, in der die Kinder klar die Mehrheit haben, beschlossen und auch abgeschafft. Ausgenommen sind nur Regeln, die auf Grund gesetzlicher Vorschriften erlassen werden mussten, z.B. Benutzung des Schwimmbades, Klettern auf dem Dach. Darüber hinaus gibt es keine Regeln, die nicht von den Kindern selbst aufgestellt oder auch abgeschafft werden. Somit ist gewährleistet, dass die Erzieher bei der Aufstellung der Regeln nicht mehr Rechte haben als die Kinder.


Aufrechterhaltung der Ordnung [Bearbeiten]Um einen geregelten Schulalltag zu gewährleisten gibt es in Summerhill eine Art Gewaltenteilung auf demokratischen Grundlagen. Es gibt dabei vier Aufteilungen: Das Komitee, die Ombudspersonen, das Tribunal und das General Meeting.


General Meeting [Bearbeiten]Beim General Meeting handelt es sich um ein legislatives Gremium. Dort werden jeden Freitag die Regeln und Gesetze für Summerhill beschlossen. Jeder Teilnehmer hat nur eine Stimme und Entscheidungen werden als Mehrheitsbeschlüsse getroffen. Sowohl im Tribunal als auch im Meeting können die Erzieher von den sich in der Mehrheit befindlichen Schülern überstimmt werden.
Nur in den Bereichen Gesundheit, Sicherheit und Verwaltung, wie z.B. dem Einstellen einer neuen Lehrkraft oder der Festsetzung des Schulgeldes, hat allein die Direktion Entscheidungsbefugnis. So gilt zum Beispiel für alle Schüler striktes Alkoholverbot und diese Regel kann auch nicht von den Schülern geändert werden.


Tribunal [Bearbeiten]Das Tribunal ist ein judikatives Gremium und findet unter Teilnahme aller Kinder und Erzieher jeden Freitag statt. Unter dem Vorsitz eines neutralen Freiwilligen aus diesem Kreis werden die Probleme diskutiert. Konsequenzen werden abschließend per Mehrheitsbeschluss entschieden. Jeder Teilnehmer hat dabei eine Stimme. Typische Strafen des Tribunals sind Tellerwaschen oder das Aushelfen in der Theater-AG.


Ombudsmen [Bearbeiten]Für die alltäglichen Probleme, beispielsweise einer Rauferei, sind die Ombudspersonen zuständig. Diese sind für 14 Tage gewählte Schüler und können auch als »Ordnungshüter« oder »Schiedsrichter« bezeichnet werden. Sollte ein Kind mit der Entscheidung der Ombudspersonen nicht einverstanden sein, so kann das Problem dem Tribunal vorgetragen werden.
Es werden aber nicht nur Schüler-Schüler-Probleme verhandelt, sondern genauso Schüler-Lehrer Probleme. Lehrer haben sich genauso wie Schüler an die Regeln der Gemeinschaft zu halten und können vor das Tribunal gebracht werden.


Schüler-Aufsichten [Bearbeiten]Des weiteren gibt es eine von älteren Schülern gestellte Schlafaufsicht. Die »Beddie Officers« kontrollieren nachts die Schlafräume und achten darauf, dass die Schüler zur vorgeschriebenen Zeit in ihren Zimmern sind bzw. das Licht ausmachen. Sie können Schüler ins Bett schicken; hierbei hat der Schüler nicht die Möglichkeit, die Anweisung anzuzweifeln, sondern muss sich fügen. Es besteht aber die Möglichkeit, dem Tribunal eine Beschwerde vorzutragen.
Die Regeln der Nachtruhe werden aber vorher von den Kindern selbst beschlossen. Gelegentlich werden diese Regeln auch abgeschafft, so dass jeder aufbleiben darf, so lange er will. Natürlich können diejenigen, die sich dann gestört fühlen, im Meeting wieder Regeln vorschlagen, die dann gelten, wenn die Mehrheit sie beschließt.


In der Praxis [Bearbeiten]Keine der vorgestellten Funktionen, wie der Vorsitz des Meetings oder des Tribunals, ist in irgendeiner Form vergütet oder mit Privilegien verbunden. Jeder Schüler und Lehrer hat die Möglichkeit, gegen Tribunal- oder Meetingteilnehmer eine Beschwerde einzureichen oder um eine Entlassung aus dem Amt zu bitten. Somit ist gewährleistet, dass Ämter nicht missbraucht werden können.

Es hat sich in den über 80 Jahren Summerhill gezeigt, dass es unterschiedliche Phasen gibt. Es kommt vor, dass im Meeting ein oder zwei Jahre lang ständig neue Regelungen und Gesetze beschlossen werden, somit ist dies eine relativ autoritäre Phase. Nach einigen Jahren ist es den Schülern dann wiederum zu autoritär und es werden zum Teil alle Regeln aufgehoben. Dies ist dann die anarchische Phase. In dieser Phase sind die älteren Schüler auch durchaus in der Lage, sich gut zu verhalten. Die jüngeren Schüler jedoch kennen die Grenzen des Miteinander oft noch nicht und verlangen schnell wieder nach Regeln. So werden nach und nach wieder neue Regeln beschlossen und Summerhill wird zunehmend autoritärer.


Problemschüler [Bearbeiten]Wenn sich ein Schüler störend verhält, betrachtet man dieses Verhalten oft nicht als negativ und bestraft es, sondern es wird für diesen Schüler ein »Tag der Aufmerksamkeit« ausgerufen. An diesem Tag sind alle in Summerhill aufgerufen, sich um diesen einen Schüler besonders zu kümmern und ihm wo immer möglich zu helfen.

Neill hat früher so genannte »private lessons« angesetzt. Davon ist er aber abgekommen und nun regelt die Gemeinschaft solche Dinge. Diese ist sehr sensibel und findet gute Lösungen - z. B. schenkt man einem, der Fahrräder unrechtmäßig benutzt, ein Fahrrad. Law and order-Forderungen nach hartem Durchgreifen sind nicht zu beobachten.

Es gibt aber auch seltene Fälle in denen auch Summerhill Kinder bzw. die Eltern vor die Entscheidung gestellt werden, entweder sich der Gemeinschaft anzuschließen oder sie zu verlassen.


»Antiautoritäre Erziehung« [Bearbeiten]1959 veröffentlichte Neills amerikanischer Verleger Harold Hart eine Zusammenfassung aus vier früheren Werken Neills unter dem Titel »Summerhill - A Radical Approach to Child Rearing«. Das Buch wurde in den USA und Großbritannien zu einem Bestseller. Die deutsche Erstausgabe dagegen, »Erziehung in Summerhill - das revolutionäre Beispiel einer freien Schule« (1965) erzielte keinen hohen Absatz. Als jedoch der Rowohlt-Verlag 1969 das gleiche Buch erneut herausbrachte, diesmal mit einem dem Zeitgeist angepassten Titel: »Theorie und Praxis der antiautoritären Erziehung - das Beispiel Summerhill«, erreichte das Buch in den ersten 6 Monaten die sensationelle Auflage von 325.000 und stand 1991 schließlich bei 1.089.000 Exemplaren. Neill bemerkte dazu: »Es ist der Titel des Verlags, nicht der meine. Verschiedene junge Deutsche versuchen, das Buch in ihrem Kampf für Kommunismus oder Sozialdemokratie oder was auch immer zu verwenden. Ich sage Ihnen, daß das Buch nichts mit Politik zu tun hat

Über die tatsächlich praktizierte »antiautoritäre Erziehung« im Sinne der »Kinderläden« und der Studentenbewegung existieren widersprüchliche Berichte und Angaben. Eine Richtliteratur scheint es nicht zu geben.


Gerichtsprozess 2000 [Bearbeiten]Im Jahr 1999 war Summerhill, u. a. wegen des freiwilligen Unterrichts, von der Schließung durch die Schulbehörden bedroht. Der Gerichtsprozess vor dem Independent Schools Tribunal im März 2000 ging überraschend zu Gunsten der Schule aus. Das Gericht stellte fest, dass sich Lernen nicht immer notwendigerweise im Unterricht ereignen müsse und unterband die außergewöhnlich häufigen Inspektionen der Schule.


Entstehungsgeschichte [Bearbeiten]
Deutschland [Bearbeiten]Die Anfänge von Summerhill liegen in der »Neuen deutschen Schule« in der Künstlerkolonie Hellerau in der Nähe von Dresden. Die »Neue deutsche Schule« vereinigte viele Strömungen der deutschen Reformpädagogik. Neill war auf Grund des günstigen Wechselkurses zwischen englischem Pfund und Reichsmark in der Lage, einer der wesentlichen Geldgeber dieser Schule zu sein und gliederte ihr eine »internationale Schule« an. Diese finanzielle Unabhängigkeit gestattete es ihm auch, seine eigenen Ideen umzusetzen, ohne dass Druck von den anderen reformpädagogischen Lehrern auf ihn ausgeübt wurde. Die Schule war in verschiedene Abteilungen gegliedert, Neill leitete die Ausländer-Gruppe. Es gab in der Schule sehr wohl unterschiedliche Auffassungen in Erziehungsfragen. Neills Auffassung vom freiwilligen Besuch des Unterrichts stand konträr zum Rest der Schule, der zunächst von Carl Theil und Christine Bear geleitet wurde. Durch Umstrukturierung wurde die Ausländerabteilung Neill unterstellt.

»Schon nach einiger Zeit stellten sich Schwierigkeiten in der Kooperation mit den Kollegen der «Neuen deutschen Schule» ein. Neill hatte das Gefühl, dass diese an Erziehung und Charakterformung interessiert waren, aber nicht an den Kindern. Die Ernsthaftigkeit und Humorlosigkeit der deutschen Pädagogen, die Charlie Chaplins Filme aus Mangel an erzieherischem Wert ablehnten, machten Neill zu schaffen. Die «Neue deutsche Schule» wurde von Idealisten betrieben, von denen die meisten der Jugendbewegung angehörten. Sie verurteilten Tabak, Alkohol, Foxtrott und Kinos; sie trugen Wandervögel-Kleidung. «Wir auf der anderen Seite hatten andere Ideale! Wir waren gewöhnliche Menschen, die Bier tranken und rauchten und Foxtrott tanzten. Unsere Absicht war es, unser eigenes Leben zu leben, während wir den Kindern freistellten, ihr eigenes Leben zu leben. Wir gingen davon aus, daß Kinder ihre eigenen Ideale bilden würden." (in A.S.Neill: Dominie Abroad, London 1923, S. 119, übersetzt von A. Kühn)

Neill nahm aus der Zeit in Hellerau wichtige Anregungen mit, z. B. die von Prof. Zutt, der zuvor 15 Jahre lang eine Handwerkerschule in Budapest geleitet hatte. Er ermutigte Neill, selbst praktische Arbeiten auszuführen. Von der Zeit an beschäftigte sich auch Neill mit Holz- und Metallbearbeitung. Künftig sollte an keiner Schule, die er betrieb, eine Werkstatt fehlen. Zellinger, 1996


Österreich [Bearbeiten]Im Jahre 1923 verlegte Neill die Schule zunächst nach Österreich auf den Sonntagsberg, wo es jedoch zu Konflikten mit der örtlichen Bevölkerung kam. Durch massive Probleme mit den österreichischen Schulbehörden gab Neill sein Vorhaben - Eröffnung einer Privatschule - im Mai 1924 auf.


Großbritannien [Bearbeiten]Die Schule zog 1923 nach Lyme Regis in Südengland auf den »Summerhill« (von dem sie ihren endgültigen Namen übernahm), und 1927 an ihren heutigen Standort nach Leiston in Suffolk.


Siehe auch: [Bearbeiten]Kinderrepubliken


Literatur [Bearbeiten]Matthew Appleton: Summerhill - Kindern ihre Kindheit zurückgeben. Demokratie und Selbstregulierung in der Erziehung, Schneider, Baltmannsweiler 2003, ISBN 3-89676-625-2
Peter H. Ludwig (Hrsg.): Summerhill, antiautoritäre Erziehung heute. Ist die freie Erziehung wirklich gescheitert?, Beltz, Weinheim 1997, ISBN 3-407-25173-4 (zur Problematik des Begriffs »Antiautoritäre Erziehung« sowie Berichte über Schulen nach dem Vorbild Summerhills weltweit)
Alexander S. Neill: Theorie und Praxis der antiautoritären Erziehung. Das Beispiel Summerhill, Rowohlt, Reinbek OA 1960 DE 1965, ISBN 3-499-60209-1
Alexander S. Neill: Das Prinzip Summerhill. Fragen und Antworten, Argumente, Erfahrungen, Ratschläge, Rowohlt, Reinbek 1986, ISBN 3-499-16690-9
Summerhill, Pro und Contra. 15 Ansichten zu A. S. Neills »Theorie und Praxis«, Rowohlt, Reinbek 1985, ISBN 3-499-16704-2
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Ivan Illich: Entschulung der Gesellschaft. Eine Streitschrift, Beck, München 2003, ISBN 3-406-49486-2
Erich Fromm: Vorwort zu A.S. Neill »Summerhill« (1960)

Weblinks [Bearbeiten]
Summerhill School (en) [Bearbeiten]http://www.summerhillschool.co.uk/

Summerhill (de) [Bearbeiten]http://summerhill.paed.com (größte Seite über Summerhill (de))
http://summerhill.paed.com/summ/diplom/5.htm (Begriffsklärung »antiautoritäre Erziehung«)
http://www.summerhill.paed.com/phshill/i-shill.htm > Literatur > Bibliographie von A. Kühn zu Summerhill (nach Jahr und Autor)

Sudbury [Bearbeiten]http://sudval.org, http://sudbury.de (Sudbury-Schulen, ein ähnliches Schulkonzept aus den USA, sowie die aktuellen deutschen Gründungsinitiativen)


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