Robert war es leid, mehr als leid. Er wusste genau, wann sein Elend begonnen hatte: Zu seinem achten Geburtstag bekam er von seinen Eltern eine kurze Lederhose geschenkt, ein hübsches Modell im bayrischen Stil, er liebte es, die kleinen Tiere und Ornamente auf den Hirschhornapplikationen zu betrachten. Und als Spielhose war sie den ganzen Sommer über unverwüstlich, da brauchte er keine Angst zu haben, wenn er beim Klettern oder Fußballspielen mal auf den Hosenboden fiel, selbst Schmutz schien auf dem guten Stück entweder abzuperlen oder es gar noch zu veredeln. Aber es wurde Herbst, doch seine Eltern beharrten immer noch mit sonderbarer Vehemenz darauf, daß er diese und keine andere Hose tragen solle. Erst als die Temperatur empfindlich nach unten ging und sogar seine Lehrerin ausrichten ließ, er solle doch künftig etwas klimagerechter gekleidet zur Schule kommen, bekam er wieder seine normalen Stoffhosen angezogen, doch zum Heiligabend fand er statt der erhofften Playstation eine lange, mittelbraune Wildlederhose unter dem Weihnachtsbaum. Ja, und im Frühjahr darauf begannen die Prügel. Bei den kleinsten Vergehen, ein fünfminütiges Zuspätkommen, ein umgekipptes Glas, selbst eine drei in Mathe reichte aus, seither gab es keine Woche, in der er nicht mindestens vier oder fünf Mal des Abends antreten musste, um sich 'seine Tracht' abzuholen. Nicht etwa einen Klaps oder einen Katzenkopf, selbst das wäre ja schon mehr als unangenehm gewesen; nein, das waren regelrechte Prügelorgien. Er mußte sich dazu immer bäuchlings über den Küchentisch legen und anschließend versohlte ihm der Vater den Hintern, der zwar durch die Hosen etwas geschützt war, doch aus 20 Schlägen wurden 50 und mehr, statt der anfänglichen Hand kamen sie mit immer sonderbareren Gerätschaften an. Seine Mutter zum Beispiel war eine miserable Köchin und Robert vermutete, daß die einzige Gelegenheit, zu der sie in ihrem Leben einen Kochlöffel in die Hand nahm, seine fast alltäglichen Züchtigungen waren. Besonders übel aber war der Rohrstock, und als sein Vater nach etwa einem Jahr meinte: »Der Bengel scheint Hornhaut auf den Backen zu bekommen«, von da an mußte er auch immer häufiger mit heruntergelassener Hose die Schläge entgegennehmen, was neben dem Schmerz auch die Scham vergrößerte. Zudem wußte er langsam nicht mehr, wie er zum Beispiel im Schwimmunterricht die gut sichtbaren Striemen und blauen Flecke verbergen sollte. Seine Eltern schien das alles nicht zu kümmern, Robert hatte sogar den Verdacht, daß manche der Vergehen, die Mutter ihrem Mann des Abends haarklein aufzählte, von ihr selber eingefädelt worden waren, da war dann auf einmal ein Schokoriegel verschwunden, den er niemals zu Gesicht bekommen hatte. Und sofort wieder dieser hysterische Sopran: »Ich glaube, da ist mal wieder eine Tracht fällig!« Es war Robert streng verboten, sich während der Bestrafungen umzuwenden, aber in der Scheibe des Küchenschranks konnte er manchmal genau beobachten, wie seine Mutter die Schläge beaufsichtigte und sich dabei rieb. Sieben Jahre ging das jetzt schon so, langsam mußte etwas passieren, das wußte er. Alle Bitten und Argumente, die er seit ein paar Jahren manchmal vorzubringen wagte, verhallten ungehört, im Gegenteil, Vater führte eine Kladde und solche 'Bockigkeiten' belasteten das Prügelkonto mit jeweils mindestens 40 weiteren Schlägen, die dann in den Schulferien in Marathonsitzungen verabreicht wurden, daß er danach manchmal eine Woche lang vor Schmerzen nicht sitzen konnte, aber wenigstens hatte er danach immer einige Tage Schonfrist zum Ausheilen. Robert kannte die Rituale auswendig, kannte jede Maserung des Küchentischs, die unterschiedlichen Schlagrhythmen für Hand, Stock oder Löffel, das sich in Wut steigern des Vaters über den ersten Dutzend Hieben, das allmähliche Ermüden des Arms bei nachlassender Schlagzahl und natürlich die Grunzgeräusche aus dem Schlafzimmer, die immer ertönten, kurz nachdem Robert mit schmerzendem Podex in sein Zimmer geschickt wurde. An einem Freitag war die Gelegenheit günstig: Mutter forderte ihn auf, ihr eine Packung Zigaretten zu holen. Statt wie sonst ängstlich darauf bedacht zu sein, diesen Befehl sofort auszuführen, sagte er zu ihr: »Kannst Du Dir Dein verdammtes Gift nicht mal selber holen? Manchmal glaube ich, Du hast die Beine nur zum Auseinandermachen...« Seine Mutter starrte ihn mit einem entgeistert–blöden Gesichtsausdruck an und als sie die Sprache wiedergefunden hatte, sagte sie im altbekannten Vipernton: »Ich habe, glaube ich, nicht richtig gehört...?« »Tja,« entgegnete Robert, »auch deine Ohren sind keine dreißig mehr.« »In Dein Zimmer, in Dein Zimmer!« kreischte sie jetzt schon fast heulend, »und wenn Vater kommt...« »Jaja, das übliche Programm halt,« sagte er, während er ihr schon den Rücken zugewendet hatte und sich zum Gehen anschickte, »da wichse ich mir jetzt schon mal einen drauf.« Pünktlich wie jeden Abend um Viertel vor sieben kam Vater nach Hause. Robert hörte, wie Mutter aufgeregt auf ihn einsprach und kurz darauf stand Vater im Zimmer, den größten Rohrstock in der Hand haltend. Er sagte kein Wort, sondern wies nur durch die geöffnete Tür zur Küche. Robert ging hinein und streifte unaufgefordert die Hosen aus, der verstohlene Blick seines Vaters nach seinem inzwischen voll entwickelten Glied entging ihm auch diesmal nicht. Als er sich in Position gebracht hatte, fing sein Vater an. Und er holte tatsächlich noch kräftiger aus als sonst, schon nach ein paar Schlägen spürte Robert, wie die ohnehin nie ganz abgeheilte Haut seines Hinterns aufzuplatzen begann. Aber noch blieb er ruhig, biss die Zähne zusammen, bis sein Vater, wie er es bei den sogenannten großen Bestrafungen zu tun pflegte, das Tempo der Schläge zunächst in blinder Wut zu steigern begann, bis ihm dann ab etwa 50 Schlägen langsam der Arm zu ermüden begann. Doch bevor es soweit war, hatte Robert die vor ihm liegende Schublade des Küchentischs, in der sonst meist nur ein paar alte Zeitschriften und überflüssiger Kleinkram lagen, ein Stück weit geöffnet und in einer lange geübten Geste hielt er nach rückwärts plötzlich ein Messer in die Höhe zwischen sich und die stockbewehrte Hand. Und wie er es gehofft hatte, fuhr die Klinge in Höhe des Handgelenks durch die gerade herabfahrende Vaterhand. Und im gleichen Augenblick trat Robert fast wie ein bockendes Pferd nach hinten aus und traf seinen Vater genau an jenem Punkt, dem der Knabe seine bis dahin so freudlose Existenz zu verdanken hatte. Das Gebrüll war ohrenbetäubend. Hatte Vater gerade noch versuchen wollen, mit dem Messer in der Hand durch den Raum zu hüpfen, krümmte er sich jetzt atemlos auf dem Boden, während aus der durchstochenen Hand ein immer größer werdendes rotes Rinnsal floß. Nach wie vor mit entblößtem Unterkörper trat Robert jetzt zur Seite und griff den gußeisernen Bräter, der wegen seiner Größe und altertümlichen Art nicht im Topfschrank stand, sondern dekorativ an der Wand befestigt war. Sein Vater lag röchelnd und schnaufend in Embryonalstellung verkrümmt zur Seite gewandt am Boden und sah es nicht, als Robert die schwere Kasserolle auf seinen Schädel fallen ließ. Es gab ein feucht knackendes Geräusch und für einen ganz kleinen Moment wurde auch Robert flau, als er sah, wie sich aus einem Riss in Vaters Glatze eine weißliche Masse ans Tageslicht arbeitete. Was da jetzt noch auf dem Boden lag, war ein Haufen finaler Reflexe und Robert sah, wie Urin und Kot die väterlichen Hosen durchfeuchtete, »mit Lederhose wäre das nicht passiert!«, selbst für diese grimmige Ironie hatte er Zeit. Seine Mutter hatte nur während des ersten Moments aufgeschrien und sich danach in panischem Entsetzen in eine Ecke gepresst, da zwischen ihr und der Küchentür Robert stand und der immer weiter auslaufende Exvater lag. Jetzt erst drehte sich Robert zu ihr um. Er nahm vom Boden den Rohrstock auf und wischte die klebrige Schmiere, mit der er überzogen war, achtlos an seinem T-Shirt ab. Dann zog er ihr den gelben Onkel einige Male durch das Gesicht. Er hatte nie zuvor die Strafgeräte anrühren können, sie waren in einem Schrank im elterlichen Schlafzimmer stets unter Verschluß, doch er war so vertraut mit diesem Gerät, daß jeder Schlag saß. Schon der erste spaltete ihre wie immer zu nuttig geschminkten Lippen. Danach hatte sie Wangen wie ein Burschenschaftler nach dem Mensurschlag. Jetzt hatte sie die Hände vor das Gesicht gehoben und Robert hieb auf diese ein, bis das rohe Fleisch zu sehen war. Jetzt warf er sie gänzlich auf den Boden und zwängte ihr das hölzerne Stäbchen gegen alle anatomischen Widerstände in den linken Gehörgang. Sie heulte geradezu absurd auf, es war alles schon nicht mehr real, ein abgedrehter Film kurz vor dem Abspann. Sie hatte sich auf den Bauch gerollt, lag jetzt auf dem Boden wie er Jahr für Jahr jede Woche auf dem Tisch gelegen hatte. Für einen Augenblick überlegte der Junge, ob er ihr den Rock herunterstreifen und das Antikendrama zu einem konsequenten Ende bringen solle, doch der Anblick ihren blutbespritzten Orangenhaut brachte ihn von dem Gedanken ab. Stattdessen setzte er sich mit Schwung auf ihren Rücken, ließ sich besser gesagt darauf fallen, und es gab, durch die Bodendielen verstärkt, ein Geräusch mit reichlich infauster Prognose. Zwar hatte sie kurz zuvor wieder mit dem Schreien begonnen, aber Robert hatte ihr einfach ein Stück seiner neben ihr liegenden Lederhose in den Mund gestopft und jetzt lag sie da, die Beine sonderbar obszön abgewinkelt, während sich der Oberkörper agonisch krümmte, aus irgendeinem Grund musste Robert an einen zerteilten Regenwurm denken. Er leerte noch den Topf Rindfleischsuppe, der seit einer Stunde auf dem Herd köchelte, über der Sterbenden aus, zog sich an, entnahm der ausgebluteten Leiche seines Vaters die Geldbörse und zog, rechtzeitig vor Geschäftsschluß, los. Eine Dickies kaufen.
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