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Das Gift schrieb am 19.8. 2005 um 17:37:40 Uhr über

SonneMondUndSterne

Mittwoch, 21 Uhr: Treffen an der Schleizer Tankstelle mit unserem Vorposten. Weitere Herrenhandtaschen und Benzin für den Generator werden gekauft. Wir werden bereits aus einem an der Tankstelle befindlichen Mannschaftswagen des Zolls gefilmt. Wir sind nett und winken zurück. Unser Vorposten meldet 3 Kontrollen auf dem Weg, die allerdings gerade erst am Aufbau sind. Also husch-husch die letzten 8 Kilometer nach Saalburg abgerissen. Hätte unser Vorposten „Gefahr in Verzuggemeldet, wären 2 von uns mit dem fraglichen Gepäckstücken zu Fuß durch den Wald zum Zielort gelangt. Es gibt Mittel und vor allen Dingen stockfinstere Schleichwaldwege, die an dieser Stelle jedoch ungenannt bleiben sollen. Feind hört mit!

Mittwoch, 22 Uhr: Wir treffen ein und man lotst uns auf den ParkplatzLaut“, der überraschenderweise schon mäßig gefüllt ist, dafür, dass das Festival erst in 48 Stunden offiziell startet. Wir finden unser Plätzchen ca. 100m von der Mainstage entfernt. Wenn man zu zehnt verreist, um eine Basis aufzubauen, ist es günstig, wenn einer beim Aufbau den Ton angibt und alle anderen mitarbeiten. Dem ist in unserem Falle nicht so, da schon einige völligst im Baller sind und erst mal im 1040-Zelt verschwinden, was aufgrund der anheimelnden umz-umz-Klänge durchaus verständlich ist, aber nicht im Marxschen Sinne sein kann, welcher darlegt, dass erst die Basis und dann die Dro... äh, der Überbau kommt.

Donnerstag, 2 Uhr: DasCamp Mennimmt allmählich Gestalt an, die Planen sind gespannt, Zelte gebaut und Teppiche verlegt. Der Kühlschrank ist angeschlossen und wir spielen zunächst übelsten Straffnik-Goa, während einige Kollegen bereits peruanischen Andenschnee schaufeln und ich an der Wodkaflasche nuckle wie ein Säugling an Muttis Brust. Besoffen wie 10 Dockarbeiter greife ich mir die Sportsfreunde zum ersten Kontrollgang. Das Areal ist riesig. In den letzten 4 Stunden sind wieder ein paar hundert Leute gekommen, der Platz füllt sich zusehends. Wohlgemerkt ist hier vonLautdie Rede. Nur dort dürfen Autos an den Zelten sein und nur dort läuft offiziell gestattet den ganzen Tag Musik. Wir bleiben an einigen Floors hängen und stellen erleichtert fest, dass niemand House spielt, sondern alle 20m irgendwelche Typen Decks und Boxen aufgestellt haben und brettern wie im Sägewerk. Wie schön. Es fällt auf, dass niemand der so früh angereisten klarkommt. Wir freunden uns mit den ersten Druffis an, ich speziell mit den ersten Strafftanten und entschließen uns gegen 5 oder 6 Uhr eine Runde zu pennen. Ich ziehe heimlich an der Reiseroor und sacke zufrieden im Schlafsack zusammen.

Donnerstag, 11 Uhr: Ich erwache löblichst durch sehr lauten und aggressiven Schranz. Herrlich. Ein Blick aus dem Camp heraus lässt mich vor Staunen erst mal baff stehen: wo gestern noch ein paar hundert, knapp tausend Zelte waren, ist jetzt bis zum Horizont alles bewohnt. Irritiert wanke ich zurück und widme mich dem Frühsport. Es gilt Mischung zu machen: vier Finger breit Wodka, zwei Schuss Contreau und O-Saft in eine 0,3er Wasserflasche und ab dafür. Zu E* ans Zelt und Teil eingeworfen. Da er Hilfe beim Amph braucht, zeige ich mich nicht abgeneigt. Hinter uns fangen zwei Frauen an, ihrerseits ein Lager aufzubauen. Da das Rauschgift langsam anfängt seine verheerende Wirkung zu entfalten, bin ich nicht unhöflich und baue mit den beiden ihren Pavillon und ihr Zelt auf. Im Gegensatz zu anderen politischen Versammlungen zeichnen sich Techno-Events nämlich durch ihre Vertrautheit und Familiarität unter den Besuchern aus. Hernach widmen wir uns den Holländern von schräg gegenüber. Die sind nach oberflächlicher Beschau druff wie die Nattern und telefonieren in einer Tour mit einem altmodischen Telefon, das sie sich mitgebracht haben.

Donnerstag, 14 Uhr: mit hängenden Augenlidern stelle ich fest, stinkend straff zu sein. Da wir jedoch nicht zum Spaß hier sind, muss konkreterweise weiter gesoffen werden, welchem ich mich nicht entziehe. Nach einer aufrüttelnden Bergauffahrt mit Mama Coca schnappe ich mir den Liegestuhl und pflanze mich direkt vor einen der Boxentürme von den Beknackten aus Sachsen und chille löblichst zu bretterndem Basedrums. Ich will hier nie wieder weg! Alsbald bekomme ich rechter Hand Gesellschaft von der netten schwarzhaarigen Dame mit der großen schwarzen Sixties-Sonnenbrille, die mich auf ihrem Tablettenlaber unbedingt kennenlernen will und auch auf mein kauendes Zögern hin nicht davon ablässt, mir ihr Zelt von innen zu zeigen.

Donnerstag, 17 Uhr: mir den Kopf kratzend verlasse ich das Zelt der angesprochenen Dame, ziehe den Hosenstall zu und begebe mich zurück zum Camp, um aufzutanken. Meine Fresse, im Camp steppt der Bär, gewissermaßen: man stelle sich 10 Typen mit Hüten und Sonnenbrillen vor, die zugerüsselt und zugenascht mit aufblasbaren Gummibasies und Gummihämmern auf vorrüberschlendernde Druffis eindreschen. Ich greife mir meinen Partner zum Kontrollgang (ich habe übrigens seit Donnerstag mittag jegliche Orientierung verloren und bin einfach nur noch rumgerannt, genaue Wegbeschreibungen kann ich daher nicht bieten), im Zuge dessen wir mal spontan in den Räumlichkeiten der hiesigen Dauercamper duschen. Hiervon erholt, gelangen wir früher oder später in den von uns so getauften Rotlichtbezirk des Areals, weil dort halt überproportional viele Schnitten waren, mit denen leichter Umgang geboten gewesen ist, wie ich bereits andeute und wohlmöglich noch andeuten werde. Dort zieht er mit mir die sogenannteMascheab: er geht vor und labert Strafftanten an mit dem Hinweis, dass sie mich gratis mitnehmen können und ich ihr Eigentum sei. Das hat in dem Falle prima funktioniert, da ich mich irgendwann in dem Zelt der soeben angesprochenen beiden Damen wiedergefunden habe, sie mich mit Teilen und Schmo’ abgedichtet haben und alles was danach passiert ist, mir selbst noch nicht so wirklich klargeworden ist und an dieser Stelle sicherlich nicht zu breit getreten werden sollte, da man keine 18jährigen Kleinkinder in ihrem Rauschgiftkoller ausnutzen sollte, obwohl dies hier wohl auf Gegenseitigkeit beruhte. Dass man mir bei meiner Rückkehr ins Camp (kein Plan wie spät, es war auf jeden Fall dunkel) stehende Ovationen bereitet, mag den Rauschgiften und der Unfassbarkeit des Ganzen geschuldet sein. Wir saufen, ziehen und fressen noch ein bischen, ehe ich knüppelhart ins Zelt falle.

Freitag, 3 Uhr: Mein Partner sagt, dass ich jetzt aufstehen muss. Okay. Ich saufe, ziehe, fresse und schlage lang hin. Egal, schließlich sind wir harte Arbeiter. Mein Partner und ich gehen auf eine weitere Patrouille, während derer ich die Aufsicht übernehme, da mein Bekannter immer so komische Sachen sagt und sieht. Irgendwann dämmert es, ich krieche bereits auf dem Zahnfleisch und mein Bekannter gibt an, dass er jetzt ins Bett geht und verschwindet selbstbewusst in einem Igluzelt, während ich vor selbigem kniee. Zwar bin ich druff wiene Hupe, dennoch fällt mir auf, dass über mir keine Planen hängen und links und rechts auch keine Zelte stehen. Überhaupt fehlt der Kühlschrank und wo sind eigentlich unsere Leute? Wie Schuppen fällt es mir von den tellerminengroßen Augen: wir sind irgendwie im falschen Lager. Also öffne ich das Zelt und gucke. Da liegt auf einmalne Alte in der Ecke und schnarcht, während mein Partner den Reißverschluss eines ihm fremden Schlafsacks zuzieht. Gut, habe ich ihn also rausgezogen und weggeschleppt. Wir haben noch gut gelacht über die Aktion. Nuis wirklich Zeit zum Pennen, im Hellen finden wir auch unser Lager, bitte nicht nach Wie und Sonnenschein fragen.

Freitag, 12 Uhr: Ich erwache unlöblichst und kann zunächst nichts sehen. Überall ist nervender Lärm, zudem stinke ich. Matt wanke ich zum Kühlschrank und trinke erst mal einen, ehe ich zu den maßlos mit Straffis überfüllten Duschgelegenheiten wanke. Zurückgekehrt hebt sich die Stimmung allmählich wieder und die ganze Gang zieht los, um Druffis zu verarschen. Ich versteige mich in einer Wette, nach der ich einen Menschen heranschaffe, der nicht total im Arsch ist. Nach einer Stunde der ergebnislosen Suche, verliere ich reumütig und muss unausdenkliche Erniedrigungen über mich ergehen lassen, die einen mich mit seinem urinierenden Schniedel jagenden Herrn E* nicht ausschließen. Anscheinend ist nicht ein Mensch bei Sinnen in diesem großartigen fiasco grande. Wir landen am Stausee und glotzen eine unbestimmte Weile lang ins Wasser und winken der Wasserpolizei zu, während wir ab und an lachend zusammenbrechen, weil E* und H* nur Schabernack treiben. Unterwegs kommen wir an einem Camp von Holländern vorbei, die auf einem ihrer Wohnwagen ein großes Schild mit der Aufschrift: „Wir haben kein Gras!!“ aufgestellt haben. Zurecht, bislang sind wir in mindestens hundert Gelegenheiten angesprochen worden, ob wir Teile hätten. Haha. Entspannt kehren wir zurück, fotografieren den beständig kreisenden Polizeihubschrauber und rauchen erst mal einen und so Sachen.

Freitag, 20 Uhr: ein Teil von uns geht runter aufs Gelände, wir hingegen moonwalken eisenhart dahin, wos unter Tarnnetzen und Stroboskopen zur Sache geht und tausende Gleichgesinnte ein ganzes Tal beschallen. Man muss bedenken, dass wir ununterbrochen saufen und jedes verfügbare Rauschgift nehmen, wobei angemerkt sein darf, dass die Unmengen an Pilzen, die mir reingedrängelt worden sind, überhaupt nicht anschlagen, aber ich glaube, die haben eh sehr harte Konkurrenz bei all dem anderen Zeugs.

Samstag, 11 Uhr: das Areal ist eine einzige Geisterbahn. Überall läuft schwerste Abhängermusik, Schranz auf 120 bpm. Bevor wir ins Camp zurückkehren, gehen wir zum Eingang des Feiergeländes und küren aus den herausströmenden Massen bewehrt mit Havanna Club und ColaMister und Miss Unterkieferdisco 2005“. Im Camp rauche ich als gäbe es kein morgen. Nach einer schnieken kleinen Bahn zum Einschlafen träume ich unlöblichst von eitrigen Kröten, was sehr erschreckend ist. Ich wache auf und mache mir eine weitere Wodkamischung und schlafe wieder ein, während um mich herum Leute zu bösen Beats abgehen.

Samstag, 16 Uhr: da meine Zunge allmählich zum Knebel wird, erwache ich mit schmerzendem Kieferbereich. Zwei Ibuhexal lindern die Not. Resolut trinke ich mehrere Wodkamischungen und warte in der Sonne liegend beim benachbarten Floor ab und passe auf, dass niemand guckt. Natürlich entgeht das nicht der Frau mit den lila Haaren, mit der ich hieraufhin notzüchtig ihren Wohnwagen besichtige. Das alles hört sich vielleicht krass und übertrieben an, ich wollt es doch auch nie glauben, aber dort herrscht nun mal absoluter Ausnahmezustand. Befragt man die Leute, weswegen sie dort hinkommen, ist die einhellige Antwort jene, sich ein paar Tage komplett abzuschießen und alles mitzunehmen, was geht, Männlein wie Weiblein, vor allem letztere, unfassbar. Sie sprechen mit einem und während sie das tun, stauben sie weißen Puder aus der Nase. Wie dem auch sei, breit grinsend wie Ronald McDonald schleppe ich den bequemen Liegestuhl wiederholt dorthin, wo gebrettert wird und mache mir meine eigenen Gedanken, während ich Sportzigaretten drehe, die ich der Allgemeinheit zur Verfügung stelle. Allmählich stellen sich auch wieder Erinnerungen an die letzte Nacht ein, in welcher unter anderem mit Schweden der Schneepflug angeschmissen und mit Japanern der grüne Kompost verbrannt worden ist.

Samstag, 19 Uhr: ich beschließe mit Strahlemann & Söhne das piekfeine Sanitärgebäude der anreinenden Dauercamper aufzusuchen, da ich auch im Zuge des allgemeinen Ausnahmezustandes auf Reinlichkeit achten will. Nach einiger Zeit ist auch dieses vollbracht und ich verbringe den Rückweg mit Strafftanten aus dem schönen Salzburg, die sich jedoch alsbald ihren eigenen, mit Ketamin in Zusammenhang stehenden Belangen widmen. Heute Nacht will ich langsam mal die Bälle flach halten und pflege daher einen defensiven Umgang mit den Rauschgiften. Dennoch finde ich mich irgendwann im Zelt vom Stromlabor wieder, wo ich mich alsbald zu hause fühle, da man dort noch einen sehr konsequenten Rhythmus an den Tag legt (mit dem DJ habe ich mich angefreundet, der ist am 19. August, sprich Freitag, überraschenderweise im superschwulen „Heaven“ in Magdeburg, da kommich ihn erschrecken, hähä). Zeitweilig findet man mich auch im löblichen 1040-Zelt, wo die Sache mit dem konsequenten Rhythmus noch einmal mehr auf die Spitze getrieben wird, jawoll-jawoll ... stinkend hart und die Unterlippe kauend treffe ich im Camp ein, wo gegen 3 oder 4 Uhr morgens parallel zum Auftritt der Fantastischen 4 ein fulminantes Feuerwerk zu betrachten ist. Zufrieden nickend schreite ich zur Camp-Anlage und alsbald läuft brachialer lippenschürzender Goa unter unserem Schwarzlicht. Behende kippe ich einen Wodka nach dem anderen und vollbringe es im Rahmen des Munitionsverbrauchsschießens die letzten zwölf Gramm in psychedelischen Qualm aufgehen zu lassen. Mittlerweile sind die Kolumbienleute auch wieder im Camp und es gilt, die letzten zwei Gramm Gesichtsmascara wegzupudern. Das letzte was ich sehe, sind ca. 30 Straffniks von überall, die in unserem Camp abgehen. Ich verziehe mich irgendwann Vormittags ins Zelt und tanze ein bischen im liegen.

Sonntag, 15 Uhr: allmählich beginnt der Aufbruch. Sachen werden gepackt, Alkohol wird getrunken und die letzten Reste vertilgt. Ich verschieße mein letztes Foto und weiß: nächstes Jahr bin ich wieder hier, denn das ist Kunst, ist Liberalismus, Maoismus und Blumenerde in einem. Hier ist, wo Jesus immer hinwollte: wahrer, umfassender Frieden, Zwei-Fronten-Krieg und Bombenterror. Hier ist Extase, Gefasstheit und unendliche Stille. Hier ist AlDi, H&M und zertrümmerte Bierflaschen, hier ist Schreien und Lachen, Wahnsinn und Genie, Recht, Ordnung und Anarchie. Hier treffen sich Herodot, Vashni Brahma und Schopenhauer zu einem gewaltigen Fest. Das hier ist Legoland, ist Nationalismus und Zahnarztbesuch, sind Birken im Gemäuer und Jürgen Bartsch. Dies hier ist die Springerpresse, ist Woodstock und Perversion.

Hier bin i c h frei.



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