Einige überdurchschnittlich positiv bewertete
Assoziationen zu »Afghanistan«
Yadgar schrieb am 15.8. 2004 um 19:50:17 Uhr zu
Bewertung: 5 Punkt(e)
Also, das Gegenteil von »Afghanistan« ist eindeutig »Zillertal«!
Warum?
Nun, nicht nur, weil es anders als »Afghanistan« nicht mit dem ersten, sondern dem letzten Buchstaben des Alphabets beginnt, auch nicht, weil das Bruttoeinkommen eines durchschnittlichen Zillertalers sich um Größenordnungen von dem eines durchschnittlichen Afghanen unterscheidet, sondern vor allem, weil seit eh und je (auch schon vor 1978, aber dazu gleich!) die Schnittmenge zwischen Zillertal-Touristen und Afghanistan-Reisenden gähnend leer ist!
Anders ausgedrückt: wer seinen Urlaub im Zillertal verbringt, käme nicht im Traum auf die Idee, sich mit so einem abseitigen, chaotischen, lebensgefährlichen Land wie Afghanistan auch nur zu beschäftigen, geschweige denn, es zu bereisen... und umgekehrt entlockt es einem gestandenen Afghanistan-Freak, der alle Teehaus-Wirte an der Zentralroute von Herat nach Kabul persönlich kennt, allenfalls ein mitleidiges Lächeln, wenn Tante Frieda vom Heimatabend in Mayrhofen und den leckeren Germknödeln im »Bratpfandl« erzählt.
Kurz: Zillertal und Afghanistan sind als Reiseziele in diametral entgegengesetzten soziokulturellen Milieus verortet.
Ins Zillertal fahren bodenständige Kleinbürger, die nicht nur mangels Fremdsprachenkenntnissen, sondern vor allem aus Angst vor »den ganzen Ausländern« nie den deutschsprachigen Raum verlassen (schon die Schweiz kommt ihnen irgendwie spanisch vor - und ist ihnen abgesehen davon auch zu teuer). Zillertaltouristen lesen »Bild«, spielen Lotto, sind mit ihren Opels, vom Admiral bis zum Corsa (»mir kommt kein anderes Auto ins Haus!«) seit 1962 Mitglied im ADAC und wählen selbstredend die Union. Sicherheit (oft »Sischerheit«, viele Zillertaltouristen können nämlich kein »ch« aussprechen, was sie übrigens mit Prolls und sonstigen Rheinländern gemeinsam haben!) geht ihnen über alles, beruflich, sozial und innenpolitisch. Als anständige Leute hätten sie nichts gegen eine eventuelle präventive Verwanzung aller Privatwohnungen, und von riskantem Extremsport lassen sie ebenfalls die Finger (manche Zillertaltouristen haben sich in jungen Jahren mal auf Skiern versucht - es endete regelmäßig im Krankenhaus).
Der typische Afghanistanfahrer hingegen ist im weitesten Sinne dem postmateriell-alternativen Milieu, mindestens aber dem progressiven Teil des Bildungsbürgertums zuzurechnen. Ihm kann es gar nicht wild und unkomfortabel genug zugehen, und wenn dort weit und breit niemand Deutsch oder wenigstens Englisch spricht, um wo besser - Sprachenlernen ist fast schon ein Hobby des typischen Afghanistanfahrers. Das Leben in einer fremden Kultur ist für ihn nicht Strapaze, sondern Faszinosum, und es kam in früheren Jahren durchaus vor, dass aus Afghanistanfahrern Afghanistanauswanderer wurden, die schließlich von Afghanen kaum mehr zu unterscheiden waren, Übertritt zum Islam eingeschlossen. Fairerweise muss man erwähnen, dass aus begreiflichen Gründen in den vergangenen 25 Jahren die meisten Afghanistanfahrer hauptsächlich von ihren Erinnerungen lebten, Nachwuchs hat es kaum gegeben, erst seit 2001 ändert sich dies ganz allmählich wieder. Der Afghanistanfahrer hat sich natürlich vor seiner allerersten Afghanistanfahrt mehr oder weniger gründlich mit einschlägiger Literatur schlau gemacht, ansonsten neigt er zu intellektuell einigermaßen ambitionierten Tageszeitungen, die »Süddeutsche« sollte es schon mindestens sein (zumal die auch einen sehr guten Auslandsteil hat), wenn er ein Auto besitzt, dann vorzugsweise eins, mit dem man sich bei aller Hindukuschtauglichkeit im mitteleuropäischen Großstadtverkehr nicht lächerlich macht - Maß aller Dinge ist immer noch der Citroen 2CV, auch »Ente« genannt, während Geländewagen aller Art allenfalls auf Afghanistan-Anfänger mit zuviel Geld hindeuten. Parteipolitisch ist er ungebunden, aber insgesamt neigt er eher zur linken Hälfte des Spektrums. Der echte Afghanistanfahrer weiß, dass das Leben eine völlig unberechenbare Veranstaltung ist, bei der außer dem in jedem Fall tödlichen Ende nichts sicher ist, folglich ist er sowohl gegen die Sehnsucht nach als auch die Angst vor der totalen Sicherheit ziemlich immun. Ein Afghanistanfahrer gibt sich nicht mit paranoiden Verschwörungstheorien aus dem Internet ab, dazu ist die richtige Welt (und vor allem natürlich Afghanistan) viel zu interessant.
Beiden Sehnsuchtszielen, dem Zillertal wie auch Afghanistan ist allerdings ihr enormes Suchtpotenzial gemeinsam - vom einen wie vom anderen kommt der Betroffene kaum jemals wieder los, es wird zu einer Lebens-Obsession, folglich ist das Zillertal auch irgendwo Spießers Afghanistan - und der Afghanistan-Freak sollte bei seiner nächsten Trekkingtour über den Anjuman-Pass, wenn er, dort oben angekommen, seine Blicke über das ohne Zweifel beeindruckende Panorama schweifen lässt, einmal bedenken, dass sowohl Panjshir, Kabul und Indus wie auch Ziller, Inn und Donau letztlich doch alle ins selbe Weltmeer fließen.
Larbi schrieb am 4.6. 2007 um 01:10:56 Uhr zu
Bewertung: 4 Punkt(e)
»Schon als junger Offizier in Korea hatte auf mich abstoßend gewirkt, daß Einberufungen aus Ausbildungs- und anderen Gründen vertagt wurden, oder gar nicht stattfanden, Gründe, die in erster Linie der weißen Mittel- und Oberschicht zugute kamen. In Vietnam bewirkte dieses System noch schlimmere Auswüchse. Eine Wehrpflicht, deren Ausnahmen ganz offensichtlich zugunsten der Reichen und Gebildeten wirkten, hatte zur Folge, daß sich die Reihen mit Soldaten füllten, die weder das eine noch das andere waren. Wie ich aus eigenen Erfahrungen mit ihnen weiß, waren diese jungen Männer tapfere und intelligente Soldaten. Aber nur äußerst selten waren sie die Söhne von Ärzten und Anwälten, von Managern oder Politikern. Wären mehr davon in unseren Infanteriedivisionen gewesen, so hätten weniger ihr Leben lassen müssen; der Einfluß ihrer Familien hätte die amerikanische Regierung dazu veranlaßt, diese beiden erfolglosen Kriege ganz anders zu führen - oder vielleicht sogar eine Politik zu verfolgen, die die amerikanische Position überhaupt ganz ohne Rückgriff auf Waffen behauptet hätte.«
Alexander Haig, geboren am 2.12.1924, von 1973-74 unter Richard Nixon Stabschef im Weißen Haus; von 1974-78 Oberbefehlshaber der NATO; von Januar 1981 bis Juni 1982 unter Ronald Reagan Außenminister der USA (Mitte 82 wegen polit. Differenzen von Reagan entlassen), in seinem Buch »Geisterschiff USA«; Klett-Cotta, 1984
Im Gegensatz zum Vietnamkrieg sind die heutigen us-amerikanischen und englischen Soldaten im Irak und anderswo, und in Afghanistan Freiwillige und/oder Berufssoldaten. Auch auf die Bundeswehr-Soldaten in Afghanistan trifft das zu.
Das Wort »Soldat« hat als Wurzel den Sold: die Bezahlung, und ist zurückzuführen auf Söldner, die nicht mehr, wie im Mittelalter für Burg, Stadt, Dorf, Land, sondern nur noch für den monatlichen Sold, für das Geld in ihre Hand, und/oder für's Ausrauben der »feindl.« Zvilbevölkerung kämpften.
In den Kriegen gegen Napoleon, für das deutsche Reich unter Bismark, Wilhelm II und Hitler waren patriotische und/oder konformistische Gründe wesentlich. Und die Einführung der allgemeinen Wehrpflicht. Als Ergebnis der neuen Technik (Flieger, Panzer, Kanonen, Raketen, Maschinengewehr, Granaten usw.)
Heute sind US-Soldaten, Engländer und Bundeswehrsoldaten, die ja »freiwillig« nach dem Irak und/oder Afghanistan gehen, wieder nur Söldner. Das heißt, Angehörige einer Unterschicht, die ihren Traum vom sozialen Aufstieg, das Auto und das eigene Haus, Ehe, Kinder in eine höhere Schule, nur als Söldner verwirklichen kann (oder wer glaubt, ein Bundeswehrler ginge nach Afghanistan um den Afghanen die westl. »Freiheit« und Kultur zu erkämpfen, oder gar dort Deutschland zu verteidigen?). Es sind Söldner. Sie wissen, dass sie ein hohes Risiko eingehen. Aber wer von diesen Jungen kann es sich schon so genau vorstellen, bevor er drin ist?! Und. Sie sehen den Sold, die Bezahlung, als den vielleicht einzig möglichen Weg, aus der Unterschicht nach »oben«.
Ich schrieb am 13.9. 2005 um 23:59:00 Uhr zu
Bewertung: 4 Punkt(e)
Das Trauerspiel von Afghanistan
Der Schnee leis stäubend vom Himmel fällt,
Ein Reiter vor Dschellalabad hält,
»Wer da!« - "Ein britischer Reitersmann,
Bringe Botschaft aus Afghanistan."
Afghanistan! Er sprach es so matt;
Es umdrängt den Reiter die halbe Stadt,
Sir Robert Sale, der Kommandant,
Hebt ihn vom Rosse mit eigener Hand.
Sie führen ins steinerne Wachthaus ihn,
Sie setzen ihn nieder an den Kamin,
Wie wärmt ihn das Feuer, wie labt ihn das Licht,
Er atmet hoch auf und dankt und spricht:
"Wir waren dreizehntausend Mann,
Von Kabul unser Zug begann,
Soldaten, Führer, Weib und Kind,
Erstarrt, erschlagen, verraten sind.
Zersprengt ist unser ganzes Heer,
Was lebt, irrt draußen in Nacht umher,
Mir hat ein Gott die Rettung gegönnt,
Seht zu, ob den Rest ihr retten könnt."
Sir Robert stieg auf den Festungswall,
Offiziere, Soldaten folgten ihm all',
Sir Robert sprach: "Der Schnee fällt dicht,
Die uns suchen, sie können uns finden nicht.
Sie irren wie Blinde und sind uns so nah,
So lasst sie's hören, dass wir da,
Stimmt an ein Lied von Heimat und Haus,
Trompeter blast in die Nacht hinaus!"
Da huben sie an und sie wurden's nicht müd',
Durch die Nacht hin klang es Lied um Lied,
Erst englische Lieder mit fröhlichem Klang,
Dann Hochlandslieder wie Klagegesang.
Sie bliesen die Nacht und über den Tag,
Laut, wie nur die Liebe rufen mag,
Sie bliesen - es kam die zweite Nacht,
Umsonst, dass ihr ruft, umsonst, dass ihr wacht.
"Die hören sollen, sie hören nicht mehr,
Vernichtet ist das ganze Heer,
Mit dreizehntausend der Zug begann,
Einer kam heim aus Afghanistan."
Theodor Fontane (1859)
Yadgar schrieb am 12.6. 2006 um 11:32:17 Uhr zu
Bewertung: 1 Punkt(e)
Also, wenn Afghanistan gerade nicht da ist... schwierig, schwierig! Das Nächstliegende wäre natürlich, mich an das Nachbarland Pakistan zu halten, hohe Berge und lange Bärte gibt es dort auch... aber wenn Afghanistan vom Antlitz dieser Erde verschwindet, wird es aufgrund komplizierter ethnischer Verflechtungen einen guten Teil von Pakistan mit sich reißen, und was dann noch übrig bleibt ist ohne Paschtunen, Belutschen und Kafiren nur halb so interessant.
Was bleibt dann? Iran vielleicht... hätte den Vorteil, dass ich nicht schon wieder eine neue Sprache lernen müsste (es sei denn, ich treibe mich vor allem in Teheran rum, da versteht man mit nichts als Lehrbuch-Persisch im Kopf wirklich nur Bahnhof!), landschaftlich hält das Land jeden Vergleich mit Afghanistan aus, die Kultur ist in einem erheblich besseren Zustand, die Altertümer geradezu ägyptisch picobello, ich sage nur Persepolis, nicht so vergammelt und zerschossen wie beim östlichen Nachbarn... leider ist der Erotikfaktor nicht so toll, die meisten Perser sind heutzutage eher unrasiert als wirklich bärtig, und für 75jährige Großayatollahs bin ich nicht nekrophil genug veranalagt. Ach ja, und Herr Ahmadinejat macht es einem auch nicht gerade leicht, die dortige politische Großwetterlage sympathisch zu finden, das war unter Khatami noch anders...
Tadschikistan wäre auf den ersten Blick ebenfalls eine Alternative, nicht ganz so viel klassische Architektur (das findet bekanntlich eher in Usbekistan statt, Samarkand, Buchara und so), dafür um so mehr La Montanara für das Objektiv (bis 7495 m, ich kann im Moment allerdings nicht sagen, ob das Teil immer noch »Pik Kommunismus« heißt), allerdings ist es mit der Gesichtsbehaarung der Einheimischen dank 70 Jahren Sowjetkommunismus (und teilweise zentralasiatisch-mongolidem Einschlag) auch nicht so weit her, es sei denn, man verirrt sich in den Islamisten-Underground von downtown Duschanbe...
Vielleicht Indien? Allererste Adresse wäre natürlich Amritsar und überhaupt der Punjab mit seinen überaus ansehnlichen Sikhs... halstief im Wasser des Teiches um den Goldenen Tempel betend, wömöglich sogar mit offenem Haar, oder alle paar Jahrzehnte schwarzglänzend eingeschlammt bei der Teichreinigung, das kriegt man in Afghanistan so nicht zu sehen... und mittlerweile gibt es durchaus auch Khalsa-Sikhs (also Sikhs aus dem inneren Kreis der Religionsgemeinschaft, die tatsächlich die »fünf Ks« einhalten, zu denen auch das ungeschnittene Kopf- und Barthaar gehört), die in erotischer Hinsicht aufgeschlossen sind...
...und im Süden dann, in Tamil Nadu, Karnataka und Kerala, diese anmutigen, geschmeidigen olivbraunen schnauzbärtigen Drawiden, glänzend vom Kokosöl... es spricht in der Tat einiges für Indien! Was mir an Indien allerdings überhaupt nicht gefällt, ist dieses nervende Menschengewimmel (»...ich verstehe ja, dass Indien 700 Millionen Einwohner hat, aber müssen die alle unbedingt mit unserem Zug fahren?«, aus Ulrich Günthner: Narren des Glücks - unter Hippies, Haschern und Globetrottern von Australien zum Bosporus, 1973), das seit den Tagen der Hippies mit Sicherheit noch nervender geworden ist... und dann diese klebrige, schwüle Treibhaushitze, die den coolsten Paschtunen aus den Tschaplis haut! Nein, meine Tropentauglichkeit hält sich doch sehr in Grenzen!
| Einige zufällige Stichwörter |
Zuchtbock
Erstellt am 29.4. 2014 um 17:36:58 Uhr von strafe, enthält 11 Texte
Vanillesoßenschmidt
Erstellt am 23.12. 2021 um 06:52:59 Uhr von schmidt, enthält 12 Texte
1912
Erstellt am 6.7. 2000 um 17:49:49 Uhr von Friesen-Fiete, enthält 22 Texte
Zeitspanne
Erstellt am 23.3. 2012 um 00:29:11 Uhr von baumhaus, enthält 4 Texte
Sujet
Erstellt am 3.12. 2007 um 00:24:17 Uhr von mcnep, enthält 2 Texte
|